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Airbnb: Alles begann mit Luftmatratze und Frühstück - WELT

Alles begann mit Luftmatratze und Frühstück

Die Zimmerbörse Airbnb ist eins der erfolgreichsten Start-ups. Mittlerweile tragen die Nutzer rund 100 Millionen Euro zu Berlins Wirtschaftsleistung bei. Doch mit wachsendem Erfolg gibt es auch Ärger.

Nathan Blecharczyk ist oft in Berlin, und er versucht immer wieder, in die Kieze der Hauptstadt einzutauchen. Der smarte 30-Jährige aus dem Silicon Valley sieht allerdings nicht so aus, als ob er sich in der Literatur über Berlin in den 20er- und 30er-Jahren auskennt. Hätte er sich damit beschäftigt, würde er erfahren, dass sein Geschäftsmodell viel älter ist als er denkt.

Denn bereits vor 90 Jahren gab es in der Hauptstadt viele ältere Damen - die sogenannten Zimmerwirtinnen -, die sich nach dem Ableben des Gatten und dem Auszug der Kinder ein Zubrot damit verdienten, dass sie möblierte Zimmer in ihren oft bis 200 Quadratmeter großen Wohnungen an Alleinstehende vermieteten - mit und ohne Frühstück.

Nichts anderes machen (oder besser: ermöglichen) Blecharczyk und seine beiden Mitgründer Brian Chesky und Joe Gebbia mit ihrer Firma, dem Onlineportal Airbnb. Sie tun das mit so großem Erfolg, dass das renommierte US-Magazin „Fortune" sie allesamt in die aktuelle Top 10 der erfolgreichsten Unter-40-Jährigen gehievt hat - nur drei Plätze hinter Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Anders als früher bei der Zimmerwirtin bleiben die Nutzer von Airbnb heute allerdings meist nur ein paar Tage und mieten oft auch die ganze Wohnung. Die Besitzer sind dann auf Reisen oder übernachten bei ihrem Freunden. Airbnb, das steht für Air bed and Breakfast - also Luftmatratze und Frühstück. In dem Namen steckt auch gleich die Gründungsgeschichte des Unternehmens.

Als nämlich im Herbst 2007 alle Hotels in San Francisco wegen einer Designer-Konferenz ausgebucht waren, kamen die drei findigen Jungmanager auf den simplen Gedanken, mehrere Luftmatratzen aufzublasen und auf einer Website zum „Air Bed and Breakfast" einzuladen. Aus dieser spontanen Geschäftsidee ist bis heute eine der am schnellsten wachsenden Internetfirmen der vergangenen Jahre geworden - die inzwischen auch mit echten Betten agiert.

Ein Börsengang ist noch kein Thema

„Durch uns haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits fünf Millionen Menschen auf Reisen eine Unterkunft gefunden", sagt Blecharczyk mit Stolz. Zum Vergleich: 2012 waren es insgesamt drei Millionen Menschen. Airbnb ist für viele Reisende zu einer Alternative zu Hotels geworden. Und für die Menschen, die ihre Wohnungen untervermieten, zu einer willkommenen Einnahmequelle.

Die Firma hat Unterkünfte in 40.000 Städten auf der ganzen Welt im Angebot - in Wohnungen, Häusern, auf Hausbooten oder in Baumhäusern und Schlössern. Und die Gäste zahlen je nach Miethöhe zwischen sechs und zwölf Prozent an die Vermittler in San Francisco. Vermieter oder „Gastgeber", wie Blecharczyk sie nennt, zahlen drei Prozent vom Umsatz.

Mehr Zahlen will er nicht nennen. Nur so viel: Man sei einem Börsengang gegenüber natürlich nicht abgeneigt, „aber wir haben keinen Druck, an die Börse zu gehen", es gebe genug Investoren, die bereit seien, Airbnb für viele Jahre Kapital zur Verfügung zu stellen.

Retten die Untermieter die Kieze?

In Deutschland gibt es mittlerweile 20.000 Angebote, die Hälfte davon in Berlin. Damit tragen die Airbnb-Gäste nach Aussage von Blecharczyk rund 100 Millionen Euro zur lokalen Wirtschaftsleistung der Stadt Berlin bei. Laut einer vom Unternehmen in Auftrag gegebenen Studie gab es von Juli 2012 bis Juni 2013 knapp 120.000 Airbnb-Gäste und 5647 private Gastgeber in der deutschen Hauptstadt, von denen angeblich mehr als 40 Prozent auf die Einnahmen durch die temporäre Vermietung des eigenen Zuhauses angewiesen sind.

Sie deckten damit teilweise Lebenshaltungskosten und Mieten. Somit werde auch die Verdrängung angestammter Bewohner aus beliebten Vierteln verlangsamt, da durch die Plattform steigende Mieten abgefedert werden könnten, glauben die Autoren der Studie.

Unter den „Gastgebern" in Berlin sind viele Künstler und Freiberufler, die ihren Gästen Einblicke in das quirlige Berliner Stadtleben vermitteln könnten. Belcharczyk selbst ist rund drei Mal im Jahr in Berlin und schläft diesmal in der Kreuzberger Oranienstraße, „sehr cool, man geht auf die Straße und überall ist gleich was los, viele gute Cafés und Restaurants".

Ärger mit der New Yorker Staatsanwaltschaft

Viele Nachbarn der „Gastgeber" sind mittlerweile allerdings ziemlich genervt, wenn ihnen immer öfter Fremde im Hausflur begegnen, mitten in der Nacht laute Musik durchs Treppenhaus wabert oder Partywütige nach durchzechter Nacht heimkommen.

Blecharczyk kann das verstehen und verweist auf Telefon-Hotlines, die angerufen werden können, um sich über Gäste mit schlechten Manieren zu beschweren. Gegen Vandalismus innerhalb der Wohnungen gibt es mittlerweile eine Absicherung, „die in 15 Ländern Schäden in Höhe von bis zu 700.000 abdeckt".

Aber auch viele Stadtverwaltungen haben ein Problem mit Airbnb. Der New Yorker Staatsanwalt verdonnerte die Firma vor Kurzem zur Herausgabe der Daten von 15.000 Nutzern, um von gewerbsmäßigen Vermietern die gesetzliche Hotelsteuer einzutreiben. Auch in Deutschland entgehen den Städten zumeist Steuereinnahmen in Millionenhöhe und angesichts von Wohnraumknappheit in den Innenstädten von Berlin oder Hamburg entsteht zusätzlicher Handlungsdruck.

Berlin sträubt sich, Kompromiss in Hamburg

In Berlin will der Senat die Zweckentfremdung von dringend benötigtem Wohnraum einschränken. Im Abgeordnetenhaus liegt der Entwurf für ein entsprechendes Gesetz. In Berlin gibt es nach Schätzungen derzeit bis zu 15.000 Ferienwohnungen - Tendenz steigend. Gleichzeitig sind in den letzten zwei Jahren die Mieten vor allem in der Innenstadt bei Neuvermietung teilweise drastisch gestiegen.

In Hamburg ist man schon weiter. Hier wurde nach langen Verhandlungen ein 30 Jahre altes Gesetz geändert, erklärt Blecharczyk. Danach ist es jetzt erlaubt, in der eigenen Wohnung zeitweise ein Zimmer zu vermieten. Wer seinen Erstwohnsitz nur gelegentlich vermietet - zum Beispiel, weil er selbst im Urlaub ist - braucht keine Genehmigung.

Die Grenze ist erreicht, wenn der Anbieter woanders wohnt. Dann müssen sich künftig „unsere Mitglieder dafür vorgesehene behördliche Genehmigungen für das Beherbergungsgewerbe besorgen", sagt der Airbnb-Manager. Ganz anders ist die Situation beispielsweise in Amsterdam. Die Stadt empfängt die US-Firma praktisch mit offenen Armen. Dort sieht man vor allem die wirtschaftlichen Vorteile durch die zusätzlichen Touristen.

Hotelbranche ist nicht begeistert

Blecharczyck strebt auch hierzulande eine Einigung mit den Behörden an. „Wir glauben, dass unsere Nutzer Steuern bezahlen sollten", sagte er. Allerdings passten die Wohnungsvermieter oftmals kaum ins gesetzliche Schema, das etwa eine deutsche Gewerbeanmeldung vorsieht.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat allerdings weiterhin große Bedenken mit Blick auf das Geschäftsmodell. Der Markt der privaten Appartements sei grau und undurchsichtig. Mitunter kämen dort ganze Schulklassen unter. Zudem gebe es keinen offiziellen Check-in und in vielen Fällen nicht mal eine Rechnung.

Ein weiteres Problem sieht die Dehoga in den Hygiene- und Sicherheitsstandards, die oft nicht eingehalten würden. „Feuerlöscher und Fluchtwegepläne, die für Hotels durch die Betriebsverordnung vorgeschrieben sind, fehlen oft völlig", sagt Dehoga-Sprecher Benedikt Wolbeck.

Goldgrube Baumhaus

Blecharczyk sieht naturgemäß eher die Chancen. Er vermietet immer noch Zimmer in seinem eigenen Haus und erzählt immer wieder gern die Geschichte von einem Baumhausvermieter in San Francisco.

Der hatte das kleine Domizil in den Wipfeln mit Blick auf die Bucht einst für seine Kinder gebaut. Nach deren Auszug vermietet er die „Unterkunft" über Airbnb mit so viel Erfolg, dass er mittlerweile seinen Job aufgegeben hat und davon lebt, Baumhäuser zu designen und zu bauen.

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