1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

So erklärt Frauke Petry der Auslandspresse die AfD

Fakten sind Frauke Petry besonders wichtig. Darum, sagt die Vorsitzende der AfD, wolle sie auch kein endgültiges Urteil über die jüngsten Vorfälle fällen. In Clausnitz hatten vergangene Woche rund 100 Menschen einen Bus mit Flüchtlingen aufgehalten und vor den verängstigten Insassen Slogans skandiert. In Bautzen hatten Passanten gejubelt, als ein Flüchtlingsheim niederbrannte.


Natürlich, man könne über keinen der Vorfälle erfreut sein, sagt Petry am Montag vor dem exklusiven Kreis des Vereins der ausländischen Presse in Berlin. Aber sie sei auch "verwundert über die Vorverurteilung", man müsse jetzt einmal die Polizei ihre Arbeit machen lassen.


Die eindeutige Distanzierung fällt ihr dann aber doch schwer. Natürlich unterstütze man "auf keinen Fall solche Aktionen" wie in Clausnitz. Aber auf der anderen Seite habe es ja auch "unschöne Äußerungen" der ankommenden Flüchtlinge im Bus gegeben, "Stinkefinger und diverse Anschuldigungen", mit denen die Flüchtlinge auf die johlende Menschenmenge reagierten.


Eine kleine Relativierung, und schon ist die Schuldfrage auch ein bisschen in Richtung der Asylbewerber gedreht. Es ist eine Taktik, wie sie gerne von populistischen Parteien angewandt wird: Eine sozial gewünschte Antwort, um den Druck aus einer unangenehmen Frage zu nehmen. Und hinterher noch ein kleiner Stoß, mit dem doch noch die eigentliche Botschaft durchgebracht wird.


Und der Vorwurf, dass ein AfD-Mitglied mit dem Vorfall in Clausnitz etwas zu tun habe? Dem werde man nachgehen. Sollte sich das als wahr herausstellen, werde es Konsequenzen geben, etwa in einem Parteiordnungsverfahren.

Länderstatistik der Übergriffe ist "nicht relevant"


Zweifel, die bekommt Petry gerne dann, wenn sie mit Fakten konfrontiert wird. Warum es etwa gerade in Petrys Heimat Sachsen besonders viele Übergriffe auf Flüchtlinge gebe? Nun, statistisch erwiesen sei, dass es in ganz Deutschland einen Anstieg von Anschlägen gegeben habe.


"Die Zahlen von Sachsen hätte ich gerne gesehen, ob es die gibt", sagt sie in Richtung des Journalisten, der die Daten vor sich liegen hat. Und laut denen es in Sachsen bei Weitem die meisten Vorfälle gab, 159 waren es insgesamt im Vorjahr. In Brandenburg, der Nummer zwei auf der Liste, waren es 72.


Warum der Fremdenhass besonders in Sachsen wuchert


Ja, da brauche es einmal eine wissenschaftliche Aufarbeitung. Schließlich sei bei vielen Anschlägen nicht geklärt, aus welcher Richtung sie kommen, heißt es dann. Nur die Vorverurteilung, die sei ganz schnell da. Abgesehen davon, meint Petry, sei es aber ohnehin "nicht relevant, ob in einem Bundesland mehr oder weniger Anschläge" verübt würden.

Intoleranz nimmt die AfD wahr - aber gegen sich.

Es ist eine Position des Selbstbewusstseins, aus der Petry argumentiert, gespeist aus den Umfragen, die der AfD bei den kommenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hohe Gewinne voraussagen. Aber auch aus dem Wissen, dass die derzeitige politische Stimmung im Land genau ihr zugute kommt. Dass in der Flüchtlingskrise Länder wie Schweden oder zuletzt Österreich die Grenzen dichter machen, auf einmal Härte zeigen. "Sie setzen jetzt das um", sagt Petry, "was wir seit drei Jahren fordern."


Doch dazu gesellt sich noch eine weitere Rolle, in die sich die AfD gerne begibt, nämlich jene des Verkünders unangenehmer Wahrheiten. Und genau deswegen werde man angefeindet. Es sei bedenklich, sagt Petry dann, "wenn Bürger auf der Straße ohne Begründung als Nazi bezeichnet werden". Und sie zeichnet das Bild eines "zunehmenden Klimas der Intoleranz, vor allem von denen, die Toleranz predigen". Eine Argumentation, die von vergleichbaren Parteien, denen Populismus zugeschrieben wird, auch immer wieder zu hören ist.


Wobei das mit dem Populismus ja auch so eine Sache ist. Dass der AfD in der medialen Berichterstattung meist das Attribut "rechtspopulistisch" vorangestellt werde, störe sie. Man schreibe schließlich auch nicht linksradikal bei linken Parteien oder pädophil bei den Grünen. Nach dieser Polemik kommt dann aber schnell wieder die Beschwörung, man solle "runter von der emotionalen auf die Sachebene". Es ist der Versuch, sich erhaben zu zeigen. Und dem Gegner die emotionale Ebene zuzuweisen.


Am Lügenpresse-Vorwurf schätzt Petry etwas Besonderes


Eine Erhabenheit, die im Umgang mit der Presse nicht immer so zu spüren ist. Von "Pinocchio-Presse" hat Petry immer wieder gesprochen. Das Bild der Holzpuppe, die beim Lügen eine lange Nase bekommt. Nun, man habe als Partei drei Jahre lang erlebt, wie nicht berichtet, sondern "tendenziös kommentiert" wurde, meint Petry.


Es sei schon klar, dass ein solcher Begriff den Medien nicht gefalle, auf der anderen Seite habe er bei manchen aber sogar ein Schmunzeln erzeugt. Und besser noch, die diffamierende Bezeichnung von Journalisten sei sogar ein "wichtiger Baustein, um miteinander ins Gespräch zu kommen". Medien müssten auch wissen, dass Interviewte eine Privatsphäre haben. "Der politische Gegner wird in der Berichterstattung ja geradezu entmenschlicht."


Es ist ein Spiel, bei dem Petry das höhere Niveau für sich beansprucht. Von "billiger Polemik" spricht sie etwa, weil Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens sie als eine "geistige Brandstifterin" bezeichnet hat, nachdem in seinem Ort das Flüchtlingsheim brannte. Kommentieren wolle sie das nicht, das sei unter ihrem Niveau.


Schließlich kommt aber doch noch ein Kommentar: "Ich will sehen, wie er das beweist." Ganz ähnlich ist die Argumentation, wenn sie damit konfrontiert wird, dass ihre Partei seit dem Ausstieg von Gründer Bernd Lucke deutlich nach rechts gerutscht sei. "Der Rechtsruck wird herbeigeschrieben, den kann keiner beweisen."


Der Autor ist Deutschland-Korrespondent der österreichischen Tageszeitung "Die Presse".
Zum Original