Finanzvorstände geraten ins Visier von Marketing-Kampagnen. Sollen sie Kaufentscheidungen in anderen Bereichen des Betriebs herbeiführen? Eric Schreyer kommentiert.
Mehr als nur Kommunikation! So lautet das Motto von ThomsonData. Dort kaufen Marketingleute ihre Mailinglisten mit internationalen Unternehmensadressen. Fein sortiert nach Anzahl der Beschäftigen, Jahresumsatz, Branchenzugehörigkeit und Bonität. Wer im Marketing tätig ist, weiss das zu schätzen. Neuerdings gibt es auch Mailinglisten mit den Namen und Kontaktdaten von Finanzvorständen.
Wer als Finanzvorstand überleben will, tut mehr als Corporate Finance. Für sein Generalziel Survival of the Fittest antizipiert er globale Veränderungen, entwickelt für sein Unternehmen neue Strategien und sorgt für deren reibungslose Umsetzung.
Aber sie wirken nicht allein auf strategische, sondern zunehmend auch auf operative unternehmerische Entscheidungen ein. Ihr Einfluss wächst - und dadurch werden sie zunehmend zum Ziel von Marketingkampagnen. Wer seine Produkte verkaufen will, spricht nicht nur Einkäufer und Produktmanager an: Jetzt gilt es, auch die Finanzvorstände zu überzeugen. Aber sobald das gelingt und ein Finanzvorstand versucht, in anderen Funktionsbereichen seines Unternehmens wichtige Kaufentscheidungen zu beeinflussen, fällt er eigentlich aus der Rolle, oder?
Vom Hauptbuchhalter zum Strategen„Worin unterscheiden sich die meisten Finanzvorstände von Altbundeskanzler Helmut Schmidt? Sie haben zu allem eine Meinung, auch zu Tiernahrung!" So oder ähnlich mokieren sich frustrierte Mitarbeiter anderer Funktionsbereiche über die Art und Weise, wie Finanzvorstände an ihren Querschnittsaufgaben arbeiten. Bereits ihre Kernfunktionen, nämlich
an der Unternehmensplanung beteiligte Strategen, die Strategieumsetzung fördernde Catalysten, Verantwortliche für einen reibungslosen Finanzbetrieb, Administratoren zur Sicherung von Vermögenswerten.
bergen Konfliktpotenziale, obwohl Finanzvorstände neben ihrer eigenen operativen Verantwortung nur in der Rolle von Dienstleistern sind. Ein balanciertes Profil zu finden ist nicht leicht.
Vom Dienstleister zum Entscheider?Am 12.11.2012 berichtete über Media-Saturn: „Der bisherige Vorstandsvorsitzende von Fernsehhersteller Loewe Oliver Seidl zieht als Finanz- und IT-Chef in die Geschäftsführung des Elektronikhändlers ein." Bei Media-Saturn wird also die IT-Infrastruktur künftig vom CFO bestellt.
Bei Loewe war Seidl in den Jahren 2006 bis 2010 Vorstand für Finanzen und Dienstleistungen, bevor er deren Vorstandsvorsitzender wurde. Das ist beileibe kein Einzelfall: Kurz vor dem Weihnachtsfest 2012 gab Dick Cosolo, CEO von Twitter, bekannt, dass Ali Rowghani, sein bisheriger Finanzchef, zum Chief Operating Officer (COO) ernannt worden ist.
Finanzvorstände können sich durchaus dazu ermuntert fühlen, vom Dienstleister zum Entscheider zu werden - also Machtspielräume zu nutzen, indem sie Entscheidungen treffen, die nicht zu ihren Kernfunktionen gehören. Aber „zwischen den Stühlen" zu sitzen stellt eine große persönliche Herausforderung dar. Wer vor seiner Zeit als Finanzvorstand im Controlling war, kennt dieses Gefühl. Bei der Zusammenarbeit mit anderen Funktionsbereichen ist es wichtig, Kollegen einzubinden und zu überzeugen. Nur wer seine eigene Konfliktlandschaft genau kennt, wird erfolgreich sein. In diesem Sinne können sich Finanzvorstände das Motto von ThomsonData durchaus zu eigen machen: Mehr als nur Kommunikation!
Die letzten Beiträge von Eric Schreyer: Eric Schreyer arbeitet als Manager auf Zeit sowie als beratender Unternehmer. Er war viele Jahre als Geschäftsführer in mittelständischen Unternehmen tätig. Zuvor stand er 18 Jahre bei der Deutsche Bank AG unter Vertrag. Schreyer ist gelernter Bankkaufmann und diplomierter Ökonom. Er schreibt ebenso für seinen Blog Valuation-in-Germany sowie für das Handbuch Unternehmensbewertung im Bundesanzeiger-Verlag. Sie errreichen ihn unter es.mittelstandsberatung(at)googlemail.com. Eric Schreyer in sozialen Netzwerken: