Eric Hegmann

Chefredakteur, Paarberater, Hamburg

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Beziehungscheck 2015: Übersteht Ihre Liebe das neue Jahr?

Übersteht Ihre Liebe das neue Jahr?

Viele Paare sagen, sie hätten sich bereits ein Jahr vor der eigentlichen Trennung aus der Beziehung verabschiedet. Der Paartherapeut John Gottman in seinem Love-Institut an der Universität von Washington in Seattle erkannte im Umgang mit Beziehungsproblemen wiederkehrende Muster, die er die apokalyptischen Reiter jeder Beziehung nannte . Diese war so nachweislich messbar, dass er behauptet, nachdem er ein Paar etwa fünfzehn Minuten beim Streiten studiert hat, könne er mit einer Genauigkeit von 83 Prozent vorherzusagen, ob ein Paar zusammenbleibt oder sich trennen wird.

Paare streiten und das ist unvermeidbar und auch gut, jedoch sollten Sie auf diese Warnsignale achten:


1. Kritik ist schmerzhaft 

 Wie formulieren Sie in Ihrer Partnerschaft Kritik? Ist sie respektvoll oder ein Schlag unter die Gürtellinie? Es besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen einer Kritik "Immer lässt du alle Sachen von dir rumliegen. Glaubst du, ich bin deine Putzfrau?"und einer mehr sachlichen Beschwerde: "Ich mag es nicht, wenn deine Sachen herumliegen. Würdest du sie bitte aufräumen?" Wenn Sie und Ihr Partner nicht mehr wertschätzend streiten, stimmt die Basis Ihrer Beziehung nicht mehr.

2. Die Verteidigung eskaliert 

 Wenn Ihr Partner Sie kritisiert: wie reagieren Sie? Es ist menschlich, auf Kritik mit dem Wunsch nach Flucht oder Verteidigung zu reagieren. Doch mit Rechtfertigungen kann der Dialog eskalieren: "Ja, aber ich bin müde, weil ich den ganzen Tag gearbeitet habe. Da kann ich doch nicht noch ständig aufräumen." So menschlich und verständlich Verteidigungsversuche sein mögen, sind sie trotzdem nicht förderlich, denn auch sie lassen den Streit eskalieren. Wenn Sie oder Ihr Partner Fehler nicht mehr zugeben können und stattdessen Schuldzuweisungen geben, ist Ihre Beziehung in einer Krise.

3. Aus Respekt wird Verachtung 

 Alles was Ihr Partner macht, lässt Sie denken, alleine kämen Sie eigentlich besser zurecht? Dann werten Sie Ihren Partner und Ihre Beziehung ab. Sätze wie "Es ist auch besser, wenn Du nichts machst: Du kannst es sowieso nicht richtig!" wie auch nonverbale Signale wie Augenrollen, Auslachen etc. sind Zeichen einer Krise. Wenn Sie Ihren Partner häufig insgeheim (weit) weg wünschen und in Gedanken (verbal sowieso) beschimpfen, haben Sie die Achtung vor ihm verloren.

4. Schweigen und Rückzug 

 Dieses Verhalten findet sich bei fast allen Männern, aber auch Frauen reagieren oft so: Weggucken, nicht reagieren, aufstehen und den Raum verlassen. Oft steckt dahinter die Unfähigkeit des Mannes, seinen Ärger oder Zorn angemessen zu äußern, weil er sich davon überflutet fühlt und deshalb sich stark distanzierend verhält. Wenn Sie vor Ihrem Partner flüchten wollen und am liebsten Ihre Zeit alleine verbringen mögen, fehlt Ihrer Partnerschaft das verbindende Wir-Gefühl.

5. Erpressung als Machtdemonstration 

 Wenn Sie Drohungen oder Erpressungen aussprechen, kämpfen Sie um die Macht in der Beziehung. Ehepartner versuchen oft aus dem Gefühl der Schwäche heraus, ihr Territorium abzustecken. „Wenn es Dir nicht passt, dann such Dir doch jemanden, der mit Dir zurecht kommt." Wenn Sie immer wieder an den Punkt kommen, an dem Sie sich machtlos fühlen und ein Ultimatum stellen, ist Ihre Partnerschaft in ernsthafter Gefahr.


In der Regel gilt: wenn Sie das Gefühl haben, etwas stimmt nicht, dann stimmt auch etwas nicht. Ach ja, die Film-Weisheit, Liebe heißt, niemals um Verzeihung bitten zu müssen, ist Käse. Das Gegenteil ist richtig: entschuldigen Sie sich, weil Ihnen Ihr Partner und Ihre Beziehung wichtiger sind als Ihr Stolz.


Oft setzen wir uns mit einer überhöhten Erwartungshaltung selbst unter Druck. Dabei ist unser Blick auf Andere verstellt. Viele Menschen haben keine Beziehungsvorbilder aus dem wirklichen Leben, also Paare, die eine lange und harmonische Partnerschaft führen. Sie nehmen Vorbilder aus den Medien, wo Promis Selbstmarketing betreiben mit glücklich wirkenden Bildern auch wenn es zuhause ganz anders aussieht. Oder aus Filmen, wo es nur ums Verlieben aber nicht ums Zusammenleben geht. Der Partner soll in einer Beziehung heute alles sein: bester Freund, erfolgreicher Versorger, aufopfernde Mutter und hemmungsloser Liebhaber... Damit wird etwas gefordert, das niemand erfüllen kann. Und auch nicht muss. Und nein: allen anderen geht es nicht besser als Ihnen. Vergleichen Sie sich nicht mit unrealistischen Vorbildern oder Paaren, deren wahre Konflikte Sie gar nicht kennen.


Leben ist Veränderung. Es ist normal sich nach etwas zu sehnen, das man nicht hat. Deshalb ist es so schwer, die Liebe zu leben, die man bereits hat. Sei es der erste Beziehunsgkrach nach sechs Monaten; die Kleinigkeiten, die erst im zweiten Jahr auffällig und nervig werden oder die Schrulligkeiten, die als liebenswerte Besonderheiten nicht durchgehen können: wir verlieben uns in die positiven Eigenschaften eines Menschen. Mit den negativen kommen wir dann später klar - oder nicht. Das Leben und jede Beziehung ist Veränderung. Nichts bleibt so wie es ist. Die Herausforderung ist, auf Veränderungen als Paar gemeinsam reagieren zu können. Wenn sie gut gewählt haben, werden Sie sich dabei ergänzen und unterstützen. Doch der perfekte Moment wird und kann nicht bleiben.


Den Wunsch, gemeinsam alt zu werden, haben (fast) alle. Es bleibt der Traum der Menschen: alt werden an der Seite des Traumpartners. Dazu passt: Die Zahl der Scheidungen ist in Deutschland wieder leicht rückläufig. Die Menschen sehnen sich nach wie vor nach Liebe und Geborgenheit. Am Liebsten gemeinsam glücklich bis ins hohe Alter. Und trotz des demographischen Wandels und der vielbeschworenen zunehmenden Alterseinsamkeit stellen es sich die Deutschen auch für sich persönlich genauso vor. Eine aktuelle Umfrage dazu unter mehr als 1.000 Bundesbürgern: Demnach glaubt nahezu die Hälfte der Befragten (44 Prozent) fest daran, dass sie ihren Lebensabend mit ihrem (Ehe-)Partner genießen werden. Einsamkeit und Ausgrenzung sorgen lediglich drei von 100 Befragten (3 Prozent). Stattdessen steht bei 97 Prozent auch im Lebensherbst die Familienbande hoch im Kurs: Sie glauben auch fürs Alter an sozialen Zusammenhalt und ein Netz aus Familie (15 Prozent) und Freunden (10 Prozent).


Bemühen Sie sich um Ihre Beziehung. Es lohnt sich!

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