Torhüter sind ein Mysterium des Sports. Mit Paraden und Fehlern können sie Spiele ganz allein entscheiden. Ein Sprichwort sagt: Der Torwart hat einen an der Klatsche. Ist da was dran? NoSports sprach mit Deutschlands bester Hockey-Torhüterin Yvonne Frank
Interview: Zita Zengerling
Yvonne Frank, Sie sind ordentlich eingepackt. Geht Ihnen Ihre Ausrüstung auf die Nerven? Eine Mitspielerin hat erst gestern zu mir gesagt: „Bei dir hat man das Gefühl, wenn du die Rüstung anlegst, legst du einen Superman-Anzug an. Damit kannst du dich in alle Richtungen bewegen, und wenn du sie wieder ausziehst, geht gar nichts mehr." Da ist schon was dran.
Haben Sie eine höhere Schmerzgrenze als die Feldspielerinnen? Als Torhüterin benötige ich viel Kraft und Schnellkraft. Während die Mädels Ausdauer trainieren, bin ich viel im Kraftraum und baue Muskeln auf. Treffen die Bälle dann im Spiel auf die Muskeln, tut das schon entsprechend weh. Aber da muss ich als Torhüterin durch!
Sicher nicht leicht, da nicht öfter mal vor dem Ball in Deckung zu gehen, oder? Ein Grund, warum ich vor 27 Jahren ins Tor ging, war, dass ich es cool fand, mich nach den Bällen zu strecken. Dieser Schutzreflex war bei mir von vornherein ausgeschaltet. Wer mit Angst ins Tor geht, sollte über eine andere Position nachdenken. Der Spaß muss immer größer als die Angst sein.
Welche Möglichkeiten haben Sie, ins Spiel einzugreifen? Ich bin schon allein durch den Schusskreis begrenzt. Nur innerhalb des Kreises darf ich überhaupt agieren. In Spielen, in denen nichts auf mein Tor kommt, kann es sein, dass ich während der ganzen Partie nur einen Ballkontakt habe. Deshalb brauche ich als Torwart eine sehr gute Konzentrationsfähigkeit. In der Jugend habe ich in ereignislosen Spielen bis 100 gezählt, um wachsam zu bleiben.
Das heißt, Sie können im Spielaufbau gar nicht helfen? Wenn wir aufbauen, versuche ich, meinen Mitspielerinnen zuzurufen, wo die freien Räume sind, gerade wenn ich das Gefühl habe, meine Abwehrleute sehen die nicht. Ich fungiere gewissermaßen als Funkzentrale.
Während des Spiels organisieren Sie also ständig Ihre Abwehr? Ja, genau. Das mache ich schon allein, damit ich selbst im Spiel bleibe. Mit meiner hintersten Abwehrreihe bin ich im ständigen Austausch: manchmal um spieltaktisch Einfluss zu nehmen, manchmal nur um sie aufzurütteln.
Und das passiert lautstark. Na ja, das ist schon ein ganz schönes Gebrüll. (Lacht) Wenn ich versuche Hilfestellungen zu geben, dann sachlich, der Rest läuft dann sehr emotional ab. Aber: In meinem Team gelte ich als relativ ruhig. Die wissen schon ziemlich genau, dass, wenn ich lauter werde, es einen Sinn hat und sie irgendwie reagieren sollten.
Wie würden Sie Ihren Stellenwert für Ihr Team beschreiben? Ohne Torhüter geht es nicht. Grundsätzlich glaube ich, dass sich eine Mannschaft nach der Leistung ihres Torhüters ausrichtet. Sie würde nicht so offensiv agieren, wenn sie nicht wüsste, dass sie hinten eine Torhüterin drin hat, die auch mal einen hält.
Kann ein Team auch mit einem schwachen Torhüter erfolgreich sein? Kann es, definitiv. Dann ist es genau anders herum: Wenn eine Mannschaft weiß, dass sie einen schwächeren Torhüter hinten drin hat, baut sie die Verteidigung anders auf. Dann leidet allerdings das Offensivspiel.
Gibt es eine Position auf dem Feld, mit der Sie gerne tauschen würden? Ich bin mit dem Torwart, sagen wir, bedient für mein Leben. Bevor ich ins Tor ging, war ich zwei Jahre im Sturm, das hat auch irre Spaß gemacht, vor allem das Toreschießen.
Und trotzdem sind Sie leidenschaftliche Torhüterin geworden. Meine Freundin würde sagen: Auf jeden Fall. Weil ich es hasse zu laufen und mich ungern bewege. (Lacht) Aber das schließt ja nicht aus, dass ich abseits meiner professionellen Karriere mich nicht noch mal ein bisschen auf dem Feld bewegen möchte. Hauptsache, ein Ball ist im Spiel.
Weitere Interviews und spektakuläre Fotos von und mit Top-Torhütern aus dem Handball, Eishockey, Wasserball und Lacrosse, ab sofort in NoSports#5.
Original