3 subscriptions and 1 subscriber
Article

Knochen des Denisova-Menschen aus dem Himalaya

Lange musste ein frühmenschlicher Unterkiefer samt zwei Zähnen darauf warten, einer Menschenart zugeordnet zu werden. Gefunden hat ihn im Jahr 1980 ein Mönch - im Hochland von Tibet. Das Fossil gelangte über den 6. Gung-Thang Living Buddah zur Lanzhou Universität und blieb dort jahrzehntelang liegen.

Denisova-Mensch außerhalb Sibiriens

Dass es ein Denisova-Mensch gewesen sein könnte, der in der Baishiya Karst-Höhle in Xiahe gefunden wurde, hätte wahrscheinlich so schnell keiner gedacht. Erstens ist diese Menschenart erst im Jahr 2010 beschrieben worden. Damals untersuchten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig Knochenfragmente und Zähne, die in der sibirischen Denisova-Höhle gefunden worden sind. Sie stellten fest: das ist gar kein Homo sapiens, das ist eine neue Menschenart, Denisvoa hominin. Und zweitens hatte man noch nie Fossilien dieser Menschenart außerhalb Sibiriens gefunden.

Denisova-Mensch und Neandertaler teilen sich einen gemeinsamen Vorfahren, das haben DNA-Untersuchungen gezeigt. Genau wie Homo sapiens wanderte dieser Vorfahr von Afrika aus nach Asien bis nach Europa. Das war vor rund 300.000 bis 500.000 Jahren. Danach trennten sich die Wege: Während der Neandertaler hauptsächlich in Europa und Zentralasien gesiedelt haben soll, könnte der Denisova-Mensch nach Ansicht von Wissenschaftlern von Sibirien bis in den südostasiatischen Raum hinein gelebt haben.

Denisova-Mensch im Himalaya

Der jetzt untersuchte Fund bestätigt diese Vermutung. Die zwei chinesischen Forscher Fahu Chen und Dongju Zhang von der Lanzhou Universität untersuchten seit 2016 zusammen mit dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig den Unterkiefer genauer. Zwar konnten sie keine DNA-Spuren auf dem Fossil finden, aber sie konnten Eiweiße aus den noch erhaltenen Backenzähnen gewinnen. Mit überraschendem Ergebnis:

"Unsere Proteinanalyse hat ergeben, dass der Xiahe-Unterkiefer zu einer Population gehörte, die eng mit den Denisova-Menschen aus der Denisova-Höhle verwandt war." Frido Welker, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie/Universität Kopenhagen Ältester Hominini-Fund in Tibet

Wie eng die beiden Denisova-Gruppen tatsächlich verwandt gewesen sind, können die Forscher nicht sagen, da sie keine DNA-Proben vergleichen können. Deutlich ist: Auch die robuste, primitive Form des gut erhaltenen Unterkiefers und die sehr großen Backenzähne deuten darauf hin, dass die Knochen einst einem Frühmenschen gehörten, der im Mittleren Pleistozän lebte und anatomische Merkmale mit Neandertalern und Funden aus der Denisova-Höhle gemein hatte. Damit konnten die Forscherinnen und Forscher erstmals einen Denisova-Menschen außerhalb Sibiriens nachweisen - und auch sein Alter von mindestens 160.000 Jahren bestimmen. Das macht ihn zum ältesten Fossil eines Menschen im Hochland von Tibet.

Denisova-DNA hilft bei Anpassung an Höhenluft

Interessant an diesem Fund ist auch eine Besonderheit im Erbgut heutiger Bewohner des tibetischen Hochlands. Menschen im Himalaya tragen eine spezielle Gen-Ausprägung in ihrer DNA, das von Denisovanern an sie weitergegeben wurde und das ihnen bei der Anpassung an ihren Lebensraum in großer Höhe hilft.

"Urmenschen bewohnten das Hochland von Tibet im Mittleren Pleistozän und hatten sich schon lange vor der Ankunft des anatomisch modernen Menschen in der Region erfolgreich an hochgelegene, sauerstoffarme Umgebungen angepasst." Dongju Zhang, Lanzhou Universität

Und genau, wie sich der Neandertaler in Europa mit dem Homo sapiens vermischt hat, hat auch der Denisova-Mensch mit Homo sapiens Kinder gezeugt. Überreste davon finden sich also auch in der DNA heute lebender Menschen.

In der Frühzeit der Menschwerdung gab es zahlreiche verschiedene Menschenarten: die Neandertaler, den Denisova-Mensch, Homo luzonensis, Homo floresiensis, Homo naledi und den modernen Menschen, Homo sapiens, der als einziger bis heute überlebt hat.

Original