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Deutsch-türkisches Magazin kämpft gegen Klischees

Sie selbst trägt Schwarz. „Als Kontrast", sagt Melisa Karakus und lacht. „Außerdem muss ich ja meinem Namen gerecht werden." Karakus, das heißt auf Deutsch: schwarzer Vogel.

Sie sitzt entspannt an einem der Tische der Blogfabrik und trinkt einen Schluck von ihrer Cola, auch schwarz, ist ja klar. Hier, im Hinterhof der Kreuzberger Oranienstraße, arbeitet sie seit drei Jahren an ihrem Online-Magazin „renk.", zu Deutsch: Farbe. Das Magazin beschäftigt sich mit Klischees über Türken und stellt deutsch-türkische Kreative vor.

Karakus ist die Herausgeberin, hat Kommunikationsdesign studiert und wurde in Herten, Nordrhein-Westfalen geboren. Ihre Eltern kommen aus Edirne, dem Westen der Türkei. Klischees über Türken und wie diese auszusehen und sich zu verhalten haben, kennt sie allzu gut: „Ich wurde so oft darauf angesprochen, dass ich ja gar nicht wie eine Türkin aussehen würde", sagt die 27-Jährige.

„Irgendwann fängt man an, sich zu fragen, was das eigentlich heißt." Das und anderes bespricht sie nun auf renk-magazin.de. Die Redaktionslinie ist klar: „Deutsch-Türkisch, positiv und kreativ", sagt Karakus. Die Artikel gibt es auf Deutsch und Englisch. „Türkische Übersetzungen kommen auch bald." Außerdem soll „renk." im Oktober erstmalig in gedruckter Version erscheinen.

Wo sind eigentlich die kreativen Türken?

Alles begann mit einer Busfahrt, irgendwo in Herten: „Ich las mein Buch", erzählt Karakus, „auf den hinteren Sitzen saß eine Gruppe junger Türken. Sie aßen Sonnenblumenkerne, waren laut und so richtig am Stunkmachen." Kein Wunder, dass wir so einen schlechten Ruf haben, habe sie da gedacht, „ich sehe gar nicht türkisch aus und falle nicht auf.

Die Negativbeispiele dafür umso mehr." So entstand die Idee, eine Plattform für Positivbeispiele zu gründen. Außerdem habe sie sich gefragt: Wo sind eigentlich die kreativen Türken? „Das kann man schlecht googeln", sagt sie, denn „was gibst du in die Suchmaske ein? ,Deutsch-Türkische Kreative'? Da findest du nichts." Also gründete sie ihre eigene Plattform, das Konzept von „renk." wurde ihre Bachelorarbeit.

Gleich zum Start bekam sie für Konzept und Homepage den Preis der Kultur- und Kreativpiloten der Bundesregierung verliehen. Mittlerweile arbeiten in der Redaktion neben Melisa Karakus auch ihr Partner Danny Schuster, Lektor Damian Makowski und zwei weitere feste Mitarbeiter. Außerdem unterstützen rund vierzig freie Mitarbeiter das Online-Magazin ehrenamtlich.

„Wir versuchen jeden Tag einen neuen Artikel zu veröffentlichen", sagt Karakus - etwa Interviews mit Künstlern wie der Kabarettistin Idil Baydar oder Fotografin Eylül Aslan. Als PR-Maßnahme ließ Karakus bunte Postkarten drucken mit Aufschriften wie „Wollen Türken wirklich wissen, ob du ein Problem hast?" oder bedruckte Jutebeutel mit „Wieso redet Jörg wie Ali?". Damit will sie auf Vorurteile aufmerksam machen und mit Humor auf bestehende Fragen antworten.

Nicht zu politisch

Allzu politisch soll „renk." jedoch nicht sein: „Türkische Politik hat in erster Linie nichts mit deutsch-türkischer Kunst zu tun", sagt Karakus. „Wir wollen keine Meinung vertreten, sondern eine Plattform sein." Anhand der Künstler, die auf „renk." sprechen, könne man aber die Position des Magazins ablesen, erklärt die Bloggerin und lächelt ein bisschen.

„Klar passen nicht alle Künstler zur eigenen Haltung. Aber bei den Gezi-Park-Protesten hatten wir viele." Angesichts der aktuellen Situation in der Türkei sei Karakus in eine Art - wie sie es nennt - „Totenstarre" gefallen: „Ich kann ja nichts tun, noch nicht einmal wählen in der Türkei." Die Diskussion rund um Böhmermann und Erdogan sei für sie aber trotzdem ein eindeutiges „renk."-Thema gewesen.

Nun will Melisa Karakus mit ihren Kollegen das Magazin zu Papier bringen. „Ein paar Geschichten, die spitzer sind, wären toll", sagt sie. Und das Print-Format biete dafür den besten Platz. „Da hat man mehr Zeit, Themen zu besprechen und die Dinge zu verdauen", sagt sie. Außerdem dürfe es noch etwas mehr Subkultur sein. „Wir haben beispielsweise acht Illustratoren gefragt, wie sie das bekannte Bild der Dönerpapiertasche umgestalten würden." Über Crowdfunding hat das Team von „renk." bereits 8000 Euro für die erste Ausgabe gesammelt.

Bei Vorurteilen ist Karakus mittlerweile übrigens entspannter: „Du musst einfach positiv damit umgehen", sagt sie. „Mit der anderen Person lachen, es umdrehen und sagen: ‚Wieso? Du heißt Hans und bist du eigentlich Afghane?' Ich finde, nur so kommt man in einen Dialog." Mit Gründung ihres Magazins hat sich für Melisa Karakus auch die Frage geklärt, ob sie türkisch oder deutsch sei. „Seit ‚renk.' zelebriere ich meine Vielseitigkeit und weiß: Man kann Identität auch wechselhaft gestalten", sagt sie fröhlich. Und diese bunte Schublade passe ihr eben am besten - egal, wie oft sie Schwarz trägt. Weitere Infos auf: www.renk-magazin.de. Ab Oktober gibt es dort auch die Printausgabe zu kaufen.

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