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Windkraft: Bürger sollen mehr Einfluss und Informationen erhalten

3700 Windräder stehen in Brandenburg, für 500 neue laufen die Verfahren. Der Widerstand wächst. Das Land will nun im Streit vermitteln.

Potsdam. Die Zeit drängt. In knapp vier Jahren soll das letzte deutsche Atomkraftwerk abgestellt werden, bis spätestens 2038 soll mit der Kohleförderung Schluss sein. Dann soll die Energie ausschließlich erneuerbar hergestellt werden, zum Beispiel aus Windkraft. 3700 Windkraftanlagen stehen bereits in Brandenburg, für 500 weitere laufen die Genehmigungsverfahren. Doch der Widerstand dagegen wächst.

Immer höher und lauter ragen die Anlagen in den Himmel. Viele Menschen fühlen sich von der Nähe der Windparks bedrängt. Das hat die Brandenburger Landesregierung erkannt und will nun gegensteuern. „Es liegt ein großer Hausaufgabenberg vor uns", sagte Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach (SPD) am Freitag in Potsdam.

Bei der Wirtschaftsförderung gibt es neuerdings eine Beratungsstelle für Bürger

Um in den Kommunen die Akzeptanz für die erneuerbaren Energien - und damit für weitere Windräder - zu stärken, gibt es bei der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH (WFBB), die zugleich die Energieagentur des Landes ist, neuerdings eine Beratungsstelle. Diese sei Teil des Sechs-Punkte-Plans „Erneuerbare Energien und Bürgerinteressen im fairen Miteinander" gewesen, den die Landesregierung im vergangenen September beschlossen hatte.

Die Aufgabe der Beratungsstelle ist es ab sofort, sich den Sorgen und Interessen der Kommunen und ihren Bürgerinnen und Bürgern anzunehmen. Diese sollen über den Service unter anderem die Möglichkeit erhalten, mehr Einfluss auf die Flächenausweisung für neue Wind- und Solarparks zu nehmen, und Informationen über etwaige finanzielle Bürgerbeteiligungen bekommen.


Kleine Orte sind verärgert - sie haben kein Mitspracherecht

Allerdings haben die vergangenen Monate gezeigt, dass gerade der Widerstand der kleineren Gemeinden gegen weitere Windkraftanlagen wächst. Zu tief sitzt dort mittlerweile der Frust darüber, dass Windparks vorwiegend in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern gebaut wurden, ohne, dass diese ein Mitspracherecht gehabt hätten.

In manchen Gemeinden wie dem brandenburgischen Niemegk in Potsdam-Mittelmark fühlen sich die Menschen mittlerweile regelrecht von Windrädern umzingelt.


„Mehr Wertschätzung für Gemeinden"

Das wurde jüngst im Dezember bei einer Informationsveranstaltung in Ludwigsfelde deutlich, zu der die Landesregierung gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung und der Agentur für erneuerbare Energien geladen hatte. Der Tenor aus dem Plenum der Gemeindevertreter: „Wir wollen keine Windräder mehr!" Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagte damals: „Dass die Gemeinden höhere Wertschätzung erfahren müssen, ist angekommen."

Am Freitag machte Steinbach dennoch deutlich: „Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien ist aus Gründen der Versorgungssicherheit und des Klimaschutzes unabdingbar." Konflikte sind also vorprogrammiert. Das weiß die Landesregierung ebenso wie die WFBB.


Kompetenzzentrum soll Versachlichung der Debatte bringen

Bei besonders schwierigen Konflikten soll deshalb künftig das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) als Mediator agieren, das seit Sommer 2016 bundesweit verschiedene Naturschutz- und Energieprojekte unterstützt. Auf einen Aufbau eines solchen Zentrums hatten sich die Regierungsparteien 2014 im Koalitionsvertrag geeinigt. Das KNE soll, so steht es im Koalitionsvertrag, „zu einer Versachlichung der Debatten und zur Vermeidung von Konflikten vor Ort" beitragen.

Am Freitag unterzeichneten die Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburgs und das KNE einen entsprechenden Kooperationsvertrag. Kommen die Investoren aus dem Bereich der erneuerbaren Energien, die Kommunen und deren Bürger nicht auf einen Nenner, soll das KNE vermitteln. „Uns geht es darum, die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden", sagte Michael Krieger, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums, der Berliner Morgenpost. Am Ende solle das jeweilige Projekt umgesetzt werden, so Krieger.


Bürger früh einbeziehen entschärft Konflikte

Die vom KNE zu klärende Frage dabei sei das „Wie". Das könne nach Einschätzung des Geschäftsführers in Einzelfällen aber bis zu einem Jahr dauern. Geht es nach der WFBB, soll es überhaupt keine Konflikte mehr geben. Weil die neue Beratungsstelle diesen vorbeuge, so ein Sprecher der Energieagentur. Grundsätzlich lehre die Erfahrung, dass man die Bürger der betroffenen Gemeinden rechtzeitig in die Planungen einbeziehen sollte.

Für Unmut in den Gemeinden sorgt zudem, dass diese den Windrädern zwar den Boden bereiten, finanziell aber nicht am Umsatz beteiligt werden. Die Betreiber kassieren den vollen Ertrag. Und das wird noch einige Zeit so bleiben. Erst bei Windrädern, die nach 2019 errichtet werden, sollen Gemeinden einen Teil des Geldes erhalten. Die bereits geschlossenen Verträge aller anderen Windräder sehen eine Abgabe durch die Betreiber nicht vor und könnten nicht mehr geändert werden, so Wirtschaftsminister Steinbach.

Gut die Hälfte des Brandenburger Stromverbrauchs aus Windkraft

Insgesamt steht das Bundesland Brandenburg in Sachen Windkraft exzellent da. Schon mehr als die Hälfte des Nettostromverbrauches ist durch die Windräder abgedeckt. Mit dem geplanten, weiteren Ausbau der Windkraft soll die Gesamtkapazität auf 10.500 Megawatt gesteigert werden. Bislang sind liegt die Kapazität bei 7500 Megawatt, damit liegt Brandenburg bundesweit auf Platz zwei.


Noch ein Angebot: Training zur Konfliktvermeidung

Damit Brandenburg weiterhin einen Spitzenplatz belegt, ist es auch auf die Unterstützung der Kommunen und Bürger angewiesen, denen nun seitens der Landesregierung mehr Mitspracherecht eingeräumt wird. Damit Betroffene diesem auch nachkommen können, hat das Land Brandenburg neben der Beratungsstelle durch die Energieagentur WFBB landesweit Informationsveranstaltungen geplant.

Die Notwendigkeit, stärker auf den Austausch zu setzen, scheint von der Landesregierung erkannt worden zu sein. Das KNE rüstet sich derweil mit einem weiteren Angebot gegen den Gegenwind der Windkraft-Gegner: Außer sachlichen Informationen zum Naturschutz bietet es auch Trainings zur Konfliktvermeidung an.


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