Von 231 Girokonten sind laut Stiftung Wartentest nur 23 kostenfrei. Auch Berliner Kreditinstitute verlangen Geld.
Berlin. Banken und Sparkassen verlangen von ihren Kunden nach Einschätzung der Stiftung Warentest zum Teil „absurde" Gebühren für die Kontoführung. Weil sich Strafzinsen bei Privatkunden schwer durchsetzen ließen, werde mit viel Kreativität dort kassiert, wo es leicht gehe: beim Girokonto. Die Verbraucherschützer nahmen zum Stichtag 3. Juli bundesweit 231 Kontomodelle von 104 Instituten unter die Lupe. Nur in 23 Fällen seien die Konten kostenlos „ohne Wenn und Aber", heißt es in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Finanztest". Auch Berliner Kreditinstitute lassen sich ihre Dienste von Kunden bezahlen, das Angebot an kostenlosen Girokonten wird immer geringer.
Es sei wie „eine Rolle rückwärts", sagt Kerstin Backofen von der Stiftung Warentest. Jahrelang haben die deutschen Banken einen Großteil ihrer Leistungen kostenlos angeboten, ihre Finanzierung stützten sie dabei auf die erwirtschafteten Zinsüberschüsse. Seit diese durch die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank quasi wegfallen, müssen die Banken mehr denn je um ihre Gewinne kämpfen. Hinzu kommen die Strafzinsen von 0,4 Prozent, die Kreditinstitute mittlerweile entrichten müssen, wenn sie ihr Geld bei den Zentralbanken aufbewahren wollen. Die Folge: Die Kunden werden zur Kasse gebeten, zum Teil mit ungewöhnlichen Maßnahmen.
So müssen etwa Kunden der Frankfurter Volksbank - mit einem Girokonto mit Einzelabrechnung - 35 Cent pro Abhebung am eigenen Geldautomaten zahlen, wenn sie das außerhalb der Geschäftszeiten der Filiale tun. Die Comdirekt Bank greift zu anderen Mitteln: Sie veranschlagt 4,90 Euro, wenn ihre Kunden Überweisungen nicht im Internet, sondern in Papierform tätigen. Die Ethik-Bank verlangt gar satte 15 Euro für ihre Girocard. Die Berliner Banken greifen zu altbewährten Mitteln: Monatliche Grundpreise für Girokonten gibt es bei der Berliner Sparkasse genauso wie bei der Berliner Volksbank. „Es muss nicht unbedingt kostenlos sein, es muss passen für die Kunden", sagt Backofen, „es darf nur nicht zu teuer sein." Die Stiftung Warentest hält 60 Euro im Jahr für ein Girokonto für angemessen. Bei höheren Kosten empfiehlt die Stiftung entweder das Kontomodell oder direkt das Kreditinstitut zu wechseln.
Frank-Christian Pauli, Finanzexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband, kritisiert unterdessen die Vorgehensweise vieler Banken. Es werde für Verbraucher „immer schwerer, verschiedene Kontomodelle zu vergleichen, denn die verschiedenen Gebühren stehen im Kleingedruckten und sind oft überhöht." Die Politik habe die Gelegenheit versäumt, hier für eine transparente und einheitliche Informationspflicht zu sorgen, sagt Pauli. Es bleibe zu hoffen, dass der Gesetzgeber bald Klarheit schaffe, bis dahin empfiehlt er Verbrauchern, sich eher für Online-Banken zu entscheiden. Diese würden im Vergleich zu Filialbanken häufiger kostenlose Konten anbieten, wenngleich das Angebot an gebührenfreien Kontoführungen insgesamt zurückgehe.
„Einen Preis für das Girokonto halten wir für gerechtfertigt", erklärt die Berliner Sparkasse auf Nachfrage der Berliner Morgenpost. Im Gegensatz zu Direktbanken stelle die Sparkasse ihren Kunden mehr als 600 Geldautomaten und 540 Schalter in ihren Filialen zur Verfügung. Dadurch entstünden der Bank Kosten. Ohnehin habe sie diese „die Kostenlos-Mentalität nie mitgetragen". Ihre Preise seien „gerechtfertigt und fair" und die Bargeldversorgung einer der größten Kostenverursacher, so die Berliner Sparkasse.
Anders als in ländlichen Regionen sind die Berliner nicht gezwungen, sich auf ein überteuertes Girokonto einzulassen. Eine Fülle an überregionalen Banken sorge in Berlin für eine „Luxussituation", so Backofen von der Stiftung Warentest. Ein Blick auf das Kleingedruckte könne sich also auf jeden Fall lohnen, so die Expertin.
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