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Schlaf als nächster großer Hit in der Start-Up-Szene

Wer kennt es nicht: Die Gedanken rasen durch den Kopf, der nach einem langen Tag einfach nicht zur Ruhe kommen will. Nochmal aufstehen, wieder hinlegen, Drehung auf die Seite und zurück. Mitunter wird das Einschlafen zu einem stundenlangen Akt verkrampften Müde werdens. Ein Berliner Start-Up will nachhelfen - mit einem Einschlaf-Getränk. Die Geschichte der Gründer ist eine über das Scheitern, weitermachen und erholsame Nächte.

„Wir haben keine Angst", sagt Jan-Frieder Damm. Für ihn als auch für seine Partner Jakob Repp und Malte Gützlaff ist es nicht der erste Versuch, sich mit einer eigenen Firma zu verwirklichen. Ihr erstes Produkt, der Flüssig-Snack „Track", erwies sich als zu teuer in der Herstellung und musste vom Markt genommen werden. Für Gützlaff, der zuvor bereits mit den „Juice Dudes" kaltgepresste Säfte verkaufte, bis die Vorstellungen über die Entwicklung innerhalb des Teams auseinander gingen und in der Folge die Produktion eingestellt wurde, ist es sogar schon der dritte Anlauf als Unternehmer. Entmutigen lassen sie nicht. „Wir haben Bock", stellt Damm klar.

Mit Melatonin und Hopfen gegen die Schlaflosigkeit

Nun haben die drei Gründer „Sleep.ink" entwickelt - ein mit dem Müdigkeitshormon Melatonin versetztes Nahrungsergänzungsmittel, abgefüllt in 40 Milliliter-Ampullen. Die weiteren Zutaten: Sauerkirsche, Hopfen, Agave, Melisse und Passionsblume. Ein kleiner Zaubertrank, der künftig in Sandmännchen-Manier für eine „angenehme Bettschwere", so Gützlaff, sorgen soll. Vor allem Menschen, die täglich mit Stress konfrontiert sind, sollen dank „Sleep.ink" zur Ruhe kommen können. „Es funktioniert", versichert Damm, „das Feedback unserer Kunden ist herausragend, das kann ich wirklich sagen."

Ohnehin gilt Schlafen in der Start-Up-Szene als der nächste große Hit. Und das verwundert nicht. Denn nach Angaben des aktuellen Gesundheitsreports der Deutschen Angestellten-Kasse (DAK) leiden rund 80 Prozent der Erwerbstätigen unter schlechtem Schlaf. Mehr noch: „Seit 2010 sind die Schlafstörungen bei Berufstätigen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren um 66 Prozent angestiegen", heißt es in der Studie. Folglich wächst der Markt für Schlafmittel. Hinzu komme, dass die Menschen „keine Lust mehr auf Pillen oder Kapseln" haben, glaubt Damm, der gemeinsam mit Repp Philosophie und Wirtschaft in Bayreuth studiert hat. Es gehe eben auch um das Gefühl, dass die Leute haben, wenn sie das Produkt zu sich nehmen. Aber: „Wir sind jetzt nicht die nächste Limo", verspricht Repp. Vielmehr sei das Nahrungsergänzungsmittel ein „Spagat zwischen Hopfentee und Schlaftablette." Eine Art „Dead Bull", das Gegenstück zum Energy-Drink, scherzen die Drei. Doch in Wahrheit verspricht ihr Mittel genau das: mehr Energie. Nur eben nicht durch aufputschendes Koffein und unmittelbar, sondern durch guten Schlaf. Es wirke wie ein „abendlicher Espresso", meint Damm, der erst am nächsten Morgen seine Wirkung entfalte.

Die Idee weckte das Interesse eines strategischen Partners im Lebensmittelbereich sowie verschiedener Investoren, die sich entschlossen, das Projekt mit einer Risiko-Finanzierung unterstützen - trotz des vorigen Scheiterns der 26 und 27 Jahre alten Gründer. „Ganz viele Leute denken, wenn du etwas nicht geschafft hast, dann bist du ein gebranntes Kind", kritisiert Damm. Bei Start-Ups sei es meist genau umgekehrt: die Investoren wüssten, dass sie die gleichen Fehler nicht noch einmal machten. Wie hilfreich die Erfahrungen tatsächlich sind, die sie mit „Track" gemacht haben, zeigt die benötigte Entwicklungszeit: Hatten sie damals noch rund ein Jahr gebraucht, so stellten sie jetzt in nur knapp drei Monaten ihr Schlafgetränk-Business auf die Beine. Seit vier Wochen ist „Sleep.ink" im Verkauf.

Großstädter schütten weniger Melatonin aus

Der Einfluss von Melatonin auf den Schlaf-Wach-Rhythmus gelte derweil als „wissenschaftlich gesichert": „Die Wirkungsweise von Melatonin besteht darin, dass es als Hormon auf bestimmte Rezeptoren von Hirnzellen und Zellen auf der Netzhaut einwirkt und die Koordination des Schlafzyklus beeinflusst", bestätigt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Vereinfacht, sagen die Gründer, sei ihr Produkt eine „Suplementierung des fehlenden Melatonins", das bei Menschen, die in Großstädten lebten, wo die Lichter niemals erlischen und der Stresspegel hoch ist, weniger ausgeschüttet werde - eine Lösung für Schlafprobleme.

Probleme hätten auch sie noch zu genüge, wenngleich nie ein einzelnes, großes, „sondern 30 parallel", sagt Repp. Im Prinzip, so Gützlaff, sei das Gründer-Dasein ein „Zustand konstanter Überforderung". Doch damit habe er Frieden geschlossen: „Wir freuen uns auf die nächsten Probleme, die kommen." Es klingt, als könnten sie guten Schlaf gebrauchen.

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