Die Hände vor dem Bauch verschränkt, lehnt Rudi Roth, Gründer von Österreichs größter privater Ölhandelsfirma, in seinem Fauteuil. Sein Büro ist von überschaubarer Größe. Von dem geduckten Gebäude mit der Aufschrift „Heizöle Roth" kann man nicht behaupten, es protze damit, die Schaltstelle eines Unternehmens mit 150 Mitarbeitern und 700 Millionen Euro Umsatz zu sein. Wer zum „Ölbaron" will, muss ein Schild mit der Aufschrift „Ungarisches Konsulat" passieren. Und ein Bild, auf dem Roth und Ex-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic einander lachend in den Armen liegen. Quer über das Büro verteilt: Memorabilien aus Roths Ära als Präsident des GAK, jenes Vereins, ohne den sein Leben nicht sein Leben wäre.
Roth erzählt von seinem neuesten Coup: Gemeinsam mit dem ungarischen Ölkonzern Mol eröffnet er die größte Biodieselanlage Mitteleuropas. Er spricht ruhig, ist ganz der Ehrenmann mit besten Kontakten. Darauf angesprochen, dass Funktionäre des GAK ihm Malversationen vorwerfen und die Staatsanwaltschaft auch gegen ihn ermittelt, beginnen die Knie zu wippen, da kommt er schon einmal ins Poltern: „Ja spinnt die Welt?" Oder: „Geh, komm!" Und lässt nicht ganz unbescheiden wissen: „Ich bin höchstwahrscheinlich einer der längstlebenden GAK-Fans, habe sechs Jahre als Profi beim GAK gespielt und bin sein längstdienender Sponsor. Ich bin mehr GAK natürlich als fast jeder andere."
Beinahe wäre der Grazer Athletik Klub vergangene Woche bereits Geschichte gewesen. Am Montag, dem 3. Dezember, jagt der Ex-Präsident und Jetzt-Wieder-Chef des GAK, Harald Fischl, die Nachricht in den Äther: „Der GAK sperrt zu." Nach 105-jährigem Bestehen. Ende Oktober hat der Klub zum zweiten Mal innerhalb von acht Monaten einen Konkursantrag eingebracht. Fischl sieht keine Möglichkeit mehr, die für einen Zwangsausgleich nötige Summe noch aufzutreiben. Noch in derselben Woche soll der „GAK neu" anfangen: bei null. Womöglich in der ersten Klasse, der untersten Liga.
Zwei Tage später verkündet Vorstandsmitglied Wolfgang Egi aufgeregt die Rettung in letzter Minute. Ein Investorenteam habe nicht nur Geld für die Fortführung hinterlegt, sondern werde weitere 2,5 bis drei Millionen Euro für Zwangsausgleich und Überlebenssicherung herausrücken. Über die „hochseriösen Personen" verrät der sonst sehr gesprächige Egi nur: „Die Hauptfiguren werden meine Person und der Toni Kürschner sein." Letzterer ist Ex-Obmann des GAK mit unbestreitbaren Verdiensten. Bedingung, so Egi: Harald Fischl müsse abtreten. Dieser repliziert, er sei dazu bereit. Nicht ohne anzufügen: „Ich habe große Hochachtung vor Menschen, die Fehler eingestehen können und nun Bereitschaft zeigen, die entstandenen Schäden zu bereinigen." Fischl bezeichnet Roth als Hauptverantwortlichen. Abseits der Mikros sind ein etwas kernigerer Wortschatz, mehr Dezibel sowie jede Menge Gefühl im Spiel. Egi strapaziert den „Herrgott", der „heruntergeschaut und dem Leid ein Ende gesetzt" habe. Er wischt sich Tränen aus den Augen.
Doch selbst wenn die geheimnisvollen Gönner ihr Versprechen halten, ist für die „Roten" längst keine Ruhe in Sicht: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts auf grob fahrlässige Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen gegen Rudi Roth sowie dessen Nachfolger Harald Sükar und Stephan Sticher. Masseverwalter Norbert Scherbaum meinte heuer im profil, der Verein sei schon Ende 2005 insolvent gewesen. Auch laufen Prüfungen, ob der Verein zu viele Fördergelder kassiert hat. Und die IMG, ehemalige Vermarkterin des GAK, hat mehrere Klagen eingebracht. All das könnte den Verein erneut ins Millionen-Minus stürzen. Aber wie konnte der 2004 so umjubelte Meister so tief fallen - und wer ist schuld?
Es bestehen wenig Zweifel, dass die Finanzen des GAK jahrzehntelang angespannt waren, bis um die Jahrtausendwende die Budgets endgültig in den Himmel wuchsen. Immer mehr Nationalspieler, immer mehr blendend verdienende Legionäre holte der Manager und zeitweilige Präsident Peter Svetits zum GAK. Frank Stronach hat laut Egi in dieser Zeit ordentlich Geld hineingebuttert. Als 2001 Roth Svetits ablöst, soll es dennoch gehörige Schulden geben. Doch der Ölmillionär möchte mit seinem geliebten Verein hoch hinaus.
Rudi Roth ist sozusagen in roten Stutzen auf die Welt gekommen. Das war 1948 im oststeirischen Gnas, wo die Eltern ein Gemischtwarengeschäft hatten. Nach der Volksschule kommt er zu den Schulbrüdern nach Wien. Dort verschafft er sich „durch den Sport Akzeptanz". Ab 1971 spielt er als Profi-Fußballer in der Bundesliga, als Tormann beim GAK. Daneben studiert er Betriebswirtschaft. Noch als Student gründet er mit seinem Bruder Hans die „Roth Heizöle". Mit 28 wechselt er vom Spielfeld direkt in den Vorstand des GAK. Auch die fünf Geschwister stellen florierende Geschäfte auf die Beine, Rudi und Hans aber sogar kleine Imperien. Beim Hochziehen seines Öl-Reiches legt Roth ähnliche Eigenschaften an den Tag wie als Profi-Kicker und später als GAK-Präsident. Er packt voller Leidenschaft an und ist auch im nicht-sportlichen Sinn ein Spieler: Er experiment gern, pokert hoch und baut lieber mit größeren Klötzen.
Lange Jahre sponsert Roth den GAK, ehe er 2001 selbst zum Präsidenten auserkoren wird. Der „Sir mit Chauffeur", wie er gern genannt wird, ist vielen Fans lieber als der gewiefte, aber undurchschaubare Peter Svetits. In der letzten Runde der Meisterschaft 2001 überholt der GAK den Lokalrivalen Sturm. An das Schulterklopfen der Politiker gewöhnt sich der rote Konsul dann 2002. Der GAK gewinnt den österreichischen Cup ausgerechnet gegen Sturm. Die Euphorie wird noch durch die 100-Jahr-Feiern übertroffen, bei denen der umtriebige Präsident sich im Licht der Öffentlichkeit sonnen kann. Als Gastmannschaft gönnt er sich und den Fans niemand Geringeren als die Superstars von Real Madrid. Auf den Ehrenplätzen finden sich die obersten Repräsentanten der Republik, vom damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel abwärts. Im Jubiläumsbuch mit dem klingenden Titel „Bravo GAK!" spricht Sportlandesrat Gerhard Hirschmann von einer „königlichen Auszeichnung".
Doch der „Ölbaron" will mehr. Mit Walter Schachner als Trainer und etlichen Nationalspielern hat der GAK eine starke, aber kostspielige Truppe parat. Am Ende der Saison 2003/2004 geht der Plan vorerst auf: Der GAK ist erstmals Meister und kann sich auch noch den Cupsieg sichern. Der euphorisierte Roth erhebt seinen Klub zum „Meister der Herzen" und gibt sich volksnah: Bei jedem Tor springt er auf und „busselt die Conny Schachner ab", erinnert sich ein Weggefährte, jeder Sieg gibt ihm Berge. Er vergisst aber auch nie auf die Einrichtung von „VIP"-Zonen. Sturm-Kontrahent Hannes Kartnig, mittlerweile ebenfalls in die Bredouille gekommen, zieht ihn deswegen einmal auf: „Bei euch trifft man immer die ‚Higher Society'. Dauernd busseln sich deine Freund' gegenseitig ab. Da musst aufpassen, dass du nach dem Match nicht ständig voller Make-up bist."
Der erträumte Aufstieg in die Champions League allerdings bleibt aus. Roth muss anderweitig neue Maßstäbe setzen. Am 1. Oktober 2004 wird das Trainingszentrum in Graz-Weinzödl eröffnet. Schon während der Bauarbeiten entstehen Fotos mit hochrangigen Politikern von Land und Stadt, die für den Traum des Rudi Roth tief in ihre Kassen greifen. Dann fädelt Roth auch noch einen Vermarktungsvertrag mit der internationalen Spezialagentur IMG ein, der dem GAK 50 Millionen Euro bringen soll. Doch kaum ist die „neue Heimstätte" in Betrieb, zieht sich der Präsident immer mehr zurück. Er beginnt intensiv einen Nachfolger zu suchen. Weil das Joint-Venture mit Ungarn ihn voll beansprucht hat, sagt er.
Im Juni 2005 wird Roth endlich fündig. Der damalige Chef von McDonald's Österreich, Harald Sükar, tritt sein Amt als GAK-Präsident an. Roth erklärt bei der Übergabe, der GAK sei „der reichste Verein Österreichs", schuldenfrei und habe ausgeglichen bilanziert. „Wahr ist, dass zu diesem Zeitpunkt die Jahresbilanz 600.000 Euro Minus aufwies und die Gesamtschulden vier Millionen Euro zusätzlich betrugen", schrieb das profil heuer nach einem Gespräch mit Masseverwalter Norbert Scherbaum. Als der Falter vergangene Woche genau wissen will, in welchem Zustand der Verein war, meint Roth, sichtlich genervt: „Total positiv! Wir waren Vizemeister!" Ja, der Jahresabschluss habe „ein Minus von 520.000 Euro ergeben". Sonst keine Schulden. Und zum „reichsten Verein" sagt er: „Ja, an vorhandenen Werten!"
Selbstkritik dürfte Rudi Roth nicht arg umtreiben. Gefragt, ob er irgendetwas in seiner Ära anders hätte machen können, schüttelt er den Kopf. Höchstens, dass er sich noch mehr hätte hineinwerfen können. „Es war alles immer nur gut, besser und am besten", erinnert sich ein Wegbegleiter. Über die Erfolge seiner Ära, insbesondere die Meisterwürde, meint er: „Das wird man erst in hundert Jahren zu schätzen wissen." Insider hingegen gehen davon aus, dass gerade diese den GAK teuer zu stehen kam. Franz Krainer, Webmaster der offiziellen Homepage, meint: „Ab 2002 hatte ich den Eindruck, dass sich das nicht ausgehen kann. Der Herr Konsul hat damals einfach übersehen, dass manche Leute mit beiden Händen in seinen Hosensäcken steckten." Die langfristigen und hoch dotierten Verträge mit den Spielern und mit Trainer Schachner machen Beobachtern schon damals Kopfzerbrechen. Außerdem sind die Machtfülle von Schachner und die Allüren seiner Frau Conny, die sich sogar in die Inneneinrichtung des Klub-Restaurants einmischt, für viele Fans ein Stein des Anstoßes. „Aber vor lauter Herz für den Klub", glaubt Fischl von Roth, „hat er sich zu Dingen hinreißen lassen, die man als Wirtschaftsmensch nicht tun sollte".
Im Raum steht derzeit auch, dass der GAK für das Trainingszentrum zu viel an Förderungen kassiert haben könnte. Roth weist das zurück: Alles sei „hundertprozentig" korrekt abgelaufen, das habe er auch schriftlich. Entgegen anderen Behauptungen seien die „zwei Millionen" aus dem Verkauf der Pachtrechte des alten Stadions in der Körösistraße zur Gänze in das neue Zentrum geflossen. Wie vereinbart. Schuld am späteren Desaster sei, dass seine Nachfolger bei der Sponsorensuche versagt hätten - und das Platzen des IMG-Deals. 2005 springt die Vermarktungsagentur ab, da ist bereits Sükar Präsident. In mehreren Verfahren zeihen die IMG und GAK-Funktionäre einander der Verantwortung. Mehrere Insider sehen es als einen der größten Fehler Roths, diesen Deal initiiert zu haben.
Die erhofften 50 Millionen sind jedenfalls dahin. Im März 2007 gibt Sükar im profil folgenreiche Fehler zu. Unter anderem habe er die Bundesliga nicht über die Auflösung der Finanzgarantie durch die IMG informiert. Nachdem dies an die Öffentlichkeit kommt, bestrafen die Liga-Verantwortlichen den GAK mit empfindlichen Punkteabzügen. Unter Nachfolger Sticher - laut Egi „der ärmste Hund überhaupt" - dreht sich die Schuldenspirale immer schneller, nennenswerte Sponsorgelder bleiben aus. Nach dem Zwangsausgleich im heurigen Frühjahr währt die Hoffnung auf Besserung nur kurz. Im Sommer taucht Sticher de facto unter und lässt sich bei einer Generalversammlung kampflos von Fischl stürzen.
Das Geld für den Zwangsausgleich im Frühling kam von Roth. „1,5 Millionen", wie er sagt. Dass er ebenso wie Sticher im Lauf der Jahre viel Cash in den Verein gepumpt hat, steht außer Streit. „Zig Millionen", sagt Roth. Im Frühling sei er deshalb eingesprungen, „weil es geheißen hat, dass der GAK damit gerettet ist - das habe ich auch schriftlich". Die Verantwortlichen hätten aber dann nichts daraus gemacht.
Roth bezeichnet sich gern als Retter. „Seinerzeit hab' ich schon einmal den GAK gerettet", streut er ein. In den Neunzigerjahren, in der Ära Adolf Heschl. Bei der aktuellen Investoren-Runde will Roth nicht dabeisein. „Nein, nein", wehrt er die entsprechende Frage des Falter ab. Er habe aber seinen „Freund" Kürschner „gebeten, dass er das auf die Beine stellt". Dabei könnte es durchaus Gründe geben, noch einmal Geld hinzulegen: Einige Altfunktionäre haben Haftungen für Darlehen an den GAK übernommen. Stirbt der Verein, werden diese fällig. Lebt der Klub dagegen weiter, könnte der die Darlehen zurückzahlen. „Den GAK weiterleben zu lassen, dürfte für die Alt-Funktionäre die billigste aller Möglichkeiten sein", folgert die Wiener Zeitung. Auf die Frage, inwieweit Roth noch mit Haftungen involviert sei, antwortet er kryptisch: „Ich hab' zum Großteil meine Sachen erledigt." Er steht auf und holt einen Dankesbrief von Sticher, verfasst nach der heurigen 1,5-Millionen-Gabe. Darin hält Sticher fest, es bestünden keine Ansprüche des GAK mehr gegen Roth. Aber ob das im Fall des Falles genügen würde?
So bleiben derzeit nur Spekulationen über die geheimnisvolle Runde. Neben Roth selbst tauchen die Namen von Sticher, Ex-Kassier Walter Messner, Sticher-Anwalt Georg Eisenberger sowie Styria-Generaldirektor Horst Pirker auf. Die Kleine Zeitung gilt schon lange als GAK-kritisch, aber Roth-freundlich. Pirker dementiert allerdings: Ja, er sei GAK-Anhänger und zähle Rudi und Hans Roth zu seinen Freunden. Aber „nein", er sei nicht in der Investorengruppe.
Nikolaustag, letzte Woche. Roths Sohn Jürgen gibt ein Fest in der Thalia. Ein Kalender mit schönen Autofahrerinnen wird präsentiert, die allerschönste gekürt. Es wird heftig getanzt und mitgesungen. Rudi Roth ist auch dabei. Noch mehr steigt die Stimmung, als plötzlich ein Gerücht die Runde macht: „Rudi Roth rettet wieder den GAK."