Johann Straner nennt sich einen „ewig optimistisch denkenden Menschen" - das muss er auch sein, sonst würden dem SPÖ-Bürgermeister der obersteirischen Gemeinde Fohnsdorf vielleicht gelegentlich Zweifel bezüglich seines Lieblingsprojekts kommen. „Aqualux" steht in orange-blauer Schrift an der Wand seines Büros. Was klingt wie ein neues Duschbad, ist Straners einzige Hoffnung, Fohnsdorf wieder auf die Beine zu helfen. „Aqualux", die „Therme des Lichts", soll - wenn es nach Bürgermeister Straner geht - jährlich von 220.000 Leuten besucht werden und der Region neuen Schwung verleihen. Fohnsdorf hat es nötig: Die Stadt, die bis Ende der Siebzigerjahre vom Kohlebergbau lebte, prägen heute leere Auslagen, ein paar antiquierte Bäckereien und ein schmuckloser Stadtkern. Mit Jobs für Jugendliche sieht es schlecht aus, erklärt der Bürgermeister. Die 21,5 Millionen Euro teure Therme soll's für die Zukunft richten und schließt damit doch an die Vergangenheit an. In ihrem äußeren Erscheinungsbild erinnere sie an einen „erodierten Kohleflöz", wie es auf der Homepage heißt.
Das Problem: „Aqualux" muss fast zur Gänze von der öffentlichen Hand finanziert werden, kein privater Investor wollte für die „Therme des Lichts" sein Geld riskieren. Also musste die Thermengesellschaft 15 Millionen Euro fremdfinanzieren. „Jährlich soll sie 1,2 Millionen Euro davon zurückzahlen, schafft sie es nicht, haftet die Gemeinde", meint Volkart Kienzl von der Fohnsdorfer ÖVP. Dabei habe man schon bei der letzten Gemeinderatssitzung aus Geldknappheit die Tilgung von 34 bereits bestehenden Darlehen für fünf Jahre ausgesetzt. Die Schwarzen in der Gemeinde befürchten nun, dass Straner Fohnsdorf mit seiner Therme ruiniert.
Es ist seit Jahren das Gleiche: Einst vom Bergbau und von der Landwirtschaft geprägte steirische Gemeinden suchen nach neuen Einnahmequellen, immer wieder fällt den Ortskaisern aber nur eines ein: Eine Therme wäre schön. Während das anfangs noch funktionierte, werden neue Thermen immer öfter zu Problemfällen und schnappen den Bestehenden die Kundschaft weg. Beste Beispiele sind die beiden Thermen in Köflach und Fohnsdorf, Letztere soll im Dezember fertiggestellt werden. Beide Projekte kämpfen mit Finanzierungsproblemen, das Land musste in den letzten Wochen alleine diesen beiden Bädern mit 2,6 Millionen Euro unter die Arme greifen. Experten warnen längst, der Plafond sei erreicht. „Das Angebot wächst bereits jetzt schneller als die Gästezahl", erklärt Andreas Kreutzer vom Marktanalyse- Institut Kreutzer, Fischer & Partner, das kürzlich eine Studie zum Thema veröffentlicht hat. Derzeit gibt es sieben Thermalbäder im Land, drei weitere befinden sich in Bau oder Planung - in keinem anderen Bundesland gibt es so viele Thermen wie in der Steiermark (siehe Infobox). „Mir fällt keine steirische Region ein, in der eine zusätzliche Therme noch Sinn machen würde", meint Kreutzer.
Trotzdem fördert das Land weiter, meist abhängig davon, ob die Bürgermeisterpartei der SPÖ oder der ÖVP näher steht, sorgte und sorgt die jeweilige Landespartei dafür, dass Geld locker gemacht wird. So beschloss die Landes-SP kürzlich noch einmal 1,7 Millionen Euro für die Therme in der SPÖ-Gemeinde Fohnsdorf. Auf Anfrage wollte Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) keine Stellungnahme dazu abgeben, ob das Thermenprojekt seiner Meinung nach sinnvoll sei. Marktforscher Kreutzer ist hingegen überzeugt, dass sich die Therme nicht rechnen werde: „Weil in der Obersteiermark der Ö-Ring nicht kommt, baut man eben eine Therme. Das ist wie in den Siebzigerjahren, als jeder Bürgermeister sein Hallenbad wollte." Auch der renommierte Tourismusforscher Egon Smeral vom Wifo spricht von einem „bereits gesättigten Markt mit klarem Verdrängungswettbewerb". Die einzige Möglichkeit sehen die Experten noch in Nischenthermen mit spezialisiertem Angebot. Doch dafür fehlen in der Steiermark oft die Konzepte.
Der Fohnsdorfer Bürgermeister Straner ist von seiner „Aqualux"-Therme trotzdem überzeugt: „Wir müssen eine Einnahmequelle finden, sonst haben wir bei der nächsten Volkszählung wieder um 500 Leute weniger. Wenn mir jemand das Rezept gibt, wie man es anders machen kann, bin ich bereit." Straner setzt darauf, dass schon alles gut werden wird, steht die Therme erst einmal. Wozu die Aufregung? Nur weil der Generalunternehmervertrag nicht ausgeschrieben wurde? Oder weil Straner, entgegen anders lautenden Ankündigungen, keinen Investor gefunden hat? Er zuckt mit den Schultern: „Warum gibt es dann so viele Firmenpleiten, wenn alle Privaten so schlau sind?" Wenn das Projekt nicht funktioniere, könne man ihn im Nachhinein noch immer „köpfen".
Nur fünfzig Kilometer von „Aqualux" in Fohnsdorf entfernt steht die Therme Nova in Köflach. Laut Kreutzer ein „absolutes Negativbeispiel", schon bald würden sich diese beiden Bäder gegenseitig die Gäste wegschnappen. Der Köflacher SP-Bürgermeister Franz Buchegger und Nova-Geschäftsführer Markus Fink wollen das freilich nicht so sehen. Einmal pro Woche treffen sie sich zu einem Jour fixe im Vier-Sterne- Thermenhotel, dem eigentlichen Pferdefuß des Projekts, ist doch das Hotel nur zu rund dreißig Prozent ausgelastet. Ebenso wie Fohnsdorf ist das weststeirische Köflach ein ehemaliges Bergbaugebiet, das um seine Neupositionierung kämpft. Als man sich vor zehn Jahren Gedanken machte, wie man die Region in Schwung bringen könnte, boomten die Thermalbäder, jetzt ist das vorbei, gibt selbst Bürgermeister Buchegger zu.
Bisher hat die Therme, laut Tourismusabteilung des Landes, bereits 7,7 Millionen Euro an Zuschüssen alleine vom Land bekommen, 925.000 Euro davon wurden vor der Sommerpause in der Landesregierung beschlossen. „Man muss dieser ehemaligen Bergbauregion helfen, um den Switch zu schaffen", rechtfertigte Landeshauptmann Voves die neuerliche Förderung. VP-Tourimuslandesrat Hermann Schützenhöfer forcierte die Therme zwar zu Beginn, steht jetzt aber nicht mehr dazu und schafft den Absprung nicht. Zwar verlangte er zunächst ein Fortführungskonzept, die VP beschloss aber nach Protesten aus der Region die Förderung mit. Obwohl, wie Schützenhöfer selbst sagte, „das Vorhandensein an schlüssigen Konzepten klein ist". Die Furcht, Köflach könnte ein Fass ohne Boden werden, bleibt. Kurhotel und Gäste aus dem Ausland - das ist das aktuelle Gegenrezept von Bürgermeister und Geschäftsführer.
Dabei könnte gerade das Ausland den steirischen Thermen gefährlich werden. „Spätestens 2030 sind die Slowenen und Ungarn auf unserem Niveau", erklärt Marktforscher Kreutzer. In Slowenien gibt es bereits 25 Thermen, allein in West-Ungarn existieren zwanzig Thermalanlagen, zwei weitere sind in Planung. Die Thermen sind in dieser Gegend schon heute mit Abstand der wichtigste Faktor im Fremdenverkehr. Beim Tourismusamt mit dem klingenden Namen „Westtransdanubische Regionale Marketingdirektion" bestätigt man, dass die Gäste vor allem aus Deutschland und Österreich kommen, die Eintrittspreise liegen in der Regel weit unter den hierzulande üblichen.
Um einem Konkurrenzkampf entgegenzuwirken, wollte man unter dem Titel „European Spa World" und mit großzügiger Unterstützung der EU eine Kooperation zwischen Slowenien, dem Burgenland und der Steiermark aufbauen. Doch die Bemühungen zur Bildung eines Thermen-Clusters sind sang- und klanglos ausgelaufen. Bei der Thermenwelt Burgenland sieht man das ähnlich, während in der Steiermark unverdrossen an einem Nachfolgeprojekt gebastelt wird. Fragt sich, mit welchen Partnern eine solche überregionale Marke entstehen soll, wenn die unmittelbare Konkurrenz kein Interesse mehr an einem Cluster hat. Mehr als zwei Millionen Euro hat das Projekt von 2003 bis 2006 gekostet. Der Erfolg erschöpft sich hauptsächlich in einer umfangreichen Pressemappe und in der Erkenntnis, dass man sich mit einem derart heterogenen Angebot nicht als „größtes Wellnessressort Europas" positionieren kann.
Im heutigen Zentrum der Thermenlandschaft, in der Ost- und Südoststeiermark, fand man schon in den Siebzigerjahren heißes Wasser statt wie erhofft Erdöl und Erdgas. Während in Loipersdorf und Radkersburg bald das Geschäft mit den Thermen begann, verschloss man etwa in Blumau voller Enttäuschung und mit gehörigem finanziellen Aufwand die Fundstelle. Erst viele Jahre später kamen findige Unternehmer wie Robert Rogner und ob der wirtschaftlichen Randlage zunehmend verzweifelte - mehrheitlich der ÖVP angehörende - Bürgermeister auf die Idee, immer neue Thermen aus dem Boden zu stampfen. Dabei schoss man zweifellos über das Ziel hinaus. Auch in der Oststeiermark spüren die Thermen seit geraumer Zeit, dass der Markt bedrohlich eng wird.
Die Rogner-Therme in Blumau reagierte mit einer Neuausrichtung auf kapitalkräftigere Hotelgäste und mit einem zunehmenden Verzicht auf Tagesbesucher. Auch hier half das Land mit einem Darlehensverzicht in der Höhe von 4,8 Millionen Euro aus. Die neue Positionierung, die laut Blumau-Pressesprecher Christian Cijan nach anfänglichen Irritationen nun funktioniert, soll Blumau nun vor Angriffen von neuen Thermenprojekten schützen. So wird etwa in der - von der ÖVP regierten - Gemeinde Gleichenberg mit insgesamt 62,5 Millionen Euro ein Riesenprojekt realisiert. Die privaten Investoren, denen man wirtschaftlichen Wagemut zugestehen muss, erhalten vom Land laut ihrem Sprecher Jörg Krasser stolze 7,3 Millionen Euro. Das Vorhaben steht allerdings unter keinem guten Stern. Zuerst musste die angestrebte Positionierung als Luxus-Wellness-Oase aufgegeben werden, da das regionale Umfeld für 5-Stern-Touristen zu unattraktiv gewesen wäre. Dann stieß man auf einen widerspenstigen Vulkanfelsen, der die Bauarbeiten erschwerte. Und zu guter Letzt hat man in Gleichenberg erkannt, dass man wieder stärker auf den ursprünglichen Kur-Charakter setzen müsse, weil es von neuen Thermenprojekten im Land nur so wimmelt.
Obwohl nun sogar die recht erfolgreichen oststeirischen Thermen durch den Konkurrenzkampf zu wirtschaftlichen Problemzonen zu werden drohen, planen die Bürgermeister weiter. In der Südweststeiermark ist zwar eine große Weinlandtherme vom Tisch, VP-Chef Hermann Schützenhöfer kann sich für die großteils schwarzen Bürgermeister aber „ein Weinlandthermenhotel in Kombination mit den Weingütern" vorstellen. Auch in der Obersteiermark soll es weitere Baustellen rund um das heiße Wasser geben. So wird in Bad Mitterndorf die Therme Grimming ausgebaut, auch hier wird eine Landesförderung in Anspruch genommen. Ähnlich die Situation in Kindberg, auch wenn hier der SP-Bürgermeister Karl Hofmeister lieber von „Wellnessoase" spricht, die Bezeichnung „Therme" sei zu negativ besetzt. In Kindberg sei nur eine kleine „Oase" - Investitionssumme acht Millionen Euro - geplant. Wieder zahlt das Land mit, er habe bereits positive Signale bekommen, so Hofmeister. Seinem Fohnsdorfer Parteikollegen eifert er nicht nach: „Ich will nicht der Bürgermeister sein, der sagt: ‚Ich baue eine Therme und hinter mir die Sintflut.'"
Auch Tourimusexperte Smeral hat allerdings kein alternatives Erfolgsrezept auf Lager. Nur so viel: Am ehesten seien „künstliche Destinationen" en vogue, die aber „authentisch sein müssen". Was man sich darunter vorstellen kann? „Eine Therme zum Beispiel." Smeral rät zu einem starken, eigenständigen Profil neuer Einrichtungen. „Die 08/15-Thermen haben ausgedient", ergänzt Marktforscher Kreutzer. In Nischen werde es aber immer Platz geben. So kann sich Kreutzer beispielsweise ein Angebot mit fünf Golfplätzen und einer Therme vorstellen. Auch die H2O-Therme in Stegersbach - sie hat sich auf Kinder spezialisiert - sei schließlich erfolgreich. Smeral gibt aber zu bedenken: „Die Generation der Thermenbesucher wird älter. In absehbarer Zeit sind diese Einrichtungen genauso veraltet wie damals die Sommerfrische in Bad Ischl." Trotzdem sollten sich die Ortskaiser künftig etwas grundlegend Neues einfallen lassen, denn sonst malt Studienautor Kreutzer wegen des wachsenden Konkurrenzkampfes kein Wohlfühl-Bild, was die nähere Zukunft der Wellnesstempel betrifft: „Das wird ein Gemetzel."