Nach den Anschlägen von Paris haben viele mit einem Erstarken der rechten Szene gerechnet. Stattdessen erlebt Pegida einen Schwund. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke sagt im Gespräch mit dem stern warum.
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Wie nicht anders zu erwarten wurden die Terroranschläge in Paris auch dazu benutzt, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Sei es Bayerns Finanzminister Markus Söder mit seinem Tweet: "#parisattacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen". AfD-Chefin Frauke Petry: "Offenstehende Fenster und Türen sind eine Einladung für Einbrecher! Mit offenstehenden Grenzen verhält sich das ähnlich." oder Lutz Bachmann von Pegida, der sich nicht entblödete zu posten, "dass die Politik der offenen Grenzen und des Welcome-Jubels definitiv eine Mitschuld an den Toten und Verletzten trägt". Doch die Anhängerschaft der xenophoben, rechten Gruppierungen in Deutschland verhält sich unerwartet ruhig.
Gewaltakte und Propaganda wird es weiterhin geben. Aber die Zahl derer, die zu rechtspopulistischen Veranstaltungen geht, ist nicht gestiegen. Das wäre sicherlich anders, wenn es eine unmittelbare Bedrohung gäbe. Das ist auch die Einschätzung vom Bundeskriminalamt.
Pegida hat die Anschläge von Paris auch bei der Montagsdemonstration thematisiert. Es sind aber weniger Menschen gekommen als vorher.
Pegida und deren Anhänger sind schon seit einem Jahr in ihren Vorurteilen entfesselt. Zunächst mit wachsender Unterstützung, aber nun hat es sich erst einmal auf den Pegel der Erreichbaren eingependelt. Warum werden es nicht mehr? Weil es idiotisch ist. Weil es die Gesellschaft zerstört. Weil es keine Lösung ist. Die Lösung wäre ein vernünftiges Stemmen der Flüchtlingskrise. Möglicherweise kommen auch weniger, weil sie endlich begriffen haben, dass Flüchtlinge vor dem Terror fliehen und selbst eben keine Terroristen sind.
Die Bereitschaft zur Unterstützung dieser ins Rechtsradikale gehenden Partei findet ihre Grenze in der Erkenntnis, dass eine Rechtsradikalisierung zur Gewalt führt. Im Schatten von AfD und Pegida wächst die braune Gewalt. Der Stellvertreter des brandenburgischen AfD-Parteifunktionärs Gauland, Andreas Kalbitz, hat seit Jahren klassisch rechtsextreme Kontakte. Das wird mittlerweile wahrgenommen. Wenn die Flüchtlingskrise einigermaßen gestemmt wird, woran ja alle arbeiten, bis auf die Misstöne aus der CSU, dann gewinnt die Regierungskonstellation wieder mehr an Vertrauen.
In Deutschland haben wir vier Formationen des Neonazismus: Die NPD, die sich gerade erst in Heidenau gezeigt hat. Der "Dritte Weg" ist eine Gruppierung des NSU-Umfelds , also terrorfähig. Drittens: die ebenfalls terrorfähige Partei "Die Rechte". Und dann gibt es noch die Mischszenen aus Hooligans, Neonazis und Rockern. All diese Gruppierungen sind durch die gegenwärtige Diskussion und die Abschwächung von AfD und Pegida nicht weniger gefährlich. Sie halten an ihren gewaltsamen Vorhaben fest.
Terror begünstigt Terror. Und zu viel Gewalt droht den gesellschaftlichen Zusammenhang zu zerstören. Vor allem wenn der Terror derer, die den Islam missbrauchen, noch näher kommt. Und wenn dieser durch den potenziellen Rechtsterror beantwortet würde. Diese Gefahr sehen natürlich auch viele, die ihren Protest bisher bei der AfD abgeliefert haben. Sie gehen dann nicht mehr hin.