Organisation lautet das Stichwort im Familienalltag von Regine Reimold: Die 43-Jährige ist selbstständige Architektin und Mutter einer Vierjährigen. Erst durch ihre Tochter hat sie daran gedacht, sich selbstständig zu machen.
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„Wir haben uns eigentlich von Anfang an die Wochentage für die Zeit mit unserer Tochter verteilt: für einen Teil der Tage bin ich zuständig für alles, was vor und nach dem Kindergarten passiert, für den anderen Teil dann mein Lebensgefährte. Und an den Wochenenden verteilen wir es untereinander oder sind gemeinsam zuständig. Bei meinen Baustellen gibt es ja auch eine Bauablaufplanung und das haben wir so in der Art einfach auch fur die private Organisation übernommen. Das klappt überwiegend gut, weil wir unsere Termine auch danach legen. Fine kennt es tatsachlich auch, dass die Tage anders ablaufen, je nachdem wer dran ist - aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweise von Mama und Papa.
Die Serie "Vereinbarkeit von Beruf und Familie": Wie gut lassen sich die eigenen Kinder und der Job im Alltag miteinander vereinen? Für die Serie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sprechen Konstanzer Mütter in unterschiedlichen Berufen, die täglich ihre Familie und den Job in Einklang bringen müssen, über ihre persönlichen Erfahrungen.
Sowohl mein Lebensgefährte als auch ich sind selbstständig. Das hat den Vorteil, dass wir uns aufteilen können. Es hat aber auch die Konsequenz, dass wir uns auch aufteilen müssen. Vor der Geburt meiner Tochter war die Selbstständigkeit fur mich nie ein Thema, ich wollte das nicht. Aber dann war klar, dass ich mich spätestens nach der Elternzeit beruflich verändern will - als Architektin mit einem Ein-Frau-Büro und kleinen Bauaufgaben. In meinem Büro habe ich von Anfang an einen Spielbereich für Fine mit eingeplant. Es war einfach klar: Das geht nur zusammen mit dem Kind. Und auch nur dann, wenn wir uns als Familie gut durchorganisieren. Es ist schon so, dass man immer mal wieder ins Schwitzen kommt.
Wenn ich Fine abholen muss, dann muss ich sie abholen. Und was bis dahin vom Tagesgeschäft nicht fertig ist, bleibt eben liegen. Das ist nicht immer ein gutes Gefühl, aber für Fine kann ich das. Für mich selber könnte ich es so wahrscheinlich nicht. Von daher glaube ich, meine Selbstständigkeit funktioniert für mich zu einem großen Teil sogar durch meine Tochter.
Ich versuche natürlich die Zeit, in der Fine im Ganztageskindergarten ist, intensiv zu nutzen. Ich wähle meine Projekte, soweit ich es kann, in überschaubarem Umfang. Aber auch ich muss meine Arbeit irgendwann tun und deshalb brauche ich diese Arbeitszeit auch. Letztendlich ist es wirklich wichtig, zu überlegen: Was ist wie wichtig, was kann ich schieben, wo kann ich Abstriche machen?
Aber es gibt die schlaflosen Nächte, wo ich denke: Das kriege ich nicht alles unter einen Hut. Und wer bleibt wie auf der Strecke? Bin ich jetzt eine gute Architektin oder eine gute Mutter? Oder beides? Oder beides nicht? Die Fragen kommen auch bei mir immer wieder auf. Aber ich tue mein Bestes, damit meine Baustellen funktionieren und meine Tochter nicht sagt: Du gehst immer nur zum Arbeiten.
Manchmal haben mein Lebensgefährte und ich auch beide gerade eine heiße Phase, was unsere Projekte betrifft. Wenn Fine dann gerade zufällig ihren fiebrigen Infekt kriegt, ist das schon eine immense Herausforderung in Bezug auf die Logistik. Dann schauen wir beide in den Terminkalender - wer kann welche Termine schieben. Wir teilen uns den Tag dann in der Regel auf, sodass keiner einen vollen Arbeitstag verliert. Wenn ich einen neuen potenziellen Kunden habe, sage ich vorab schon ganz klar: Ihr Projekt ist Chefinnensache, aber ich werde mich nicht entschuldigen, wenn irgendetwas liegen bleiben muss, wenn meine Tochter krank ist.
Dieses Statement brauche ich in erster Linie für mich selbst. Bislang waren die Reaktionen auf diese offensive Ansage durchaus positiv. Da Fine unter der Woche tatsächlich funktionieren muss, weil sonst für uns nichts funktioniert, versuche ich, sie am Wochenende nicht zu drängeln.
Dann dauert es auch mal drei Stunden bis wir eingekauft haben und wieder zurück sind, weil wir an jedem Schaufenster stehen bleiben müssen. Das konnen wir ja unter der Woche nicht machen, deshalb lasse ich das dann auch zu. Es bleibt letztlich eine Suche nach dem Gleichgewicht, damit es fur alle möglichst wenige negative Amplituden gibt. Das funktioniert mal besser und mal schlechter. Ich glaube aber, dass unsere organisierte kleine Familie ganz gut funktioniert.
Was nicht zufriedenstellend ist, ist der Mangel an Paarzeit. Das Zeitfenster, um sich auszutauschen, ist sehr klein. Und das ist seltsam, denn man hat mit Kindern eigentlich viel mehr zu besprechen, aber real viel weniger Zeit, um es tatsächlich zu tun. Hier gibt es für eine ernst gemeinte Partnerschaft viel Konfliktpotenzial und das verursacht immer wieder Frust.
Die erste Pflicht ist es aber, auf sich selbst zu achten. Wenn man selber in die Knie geht, kann man weder für das Kind, noch für den Partner da sein. Und wenn das in einem Fall bedeutet, ich organisiere mir jetzt einen Babysitter, weil ich einfach mal für eine Stunde Zeit für mich brauche, dann ist das nicht nur legitim, sondern wichtig.
Nur ein starkes Elternteil kann auch starken Rückhalt fürs Kind und die Familie bieten. Auf diese Stärke zu achten ist für mich mit das Schwierigste am Familienleben. Bei uns hat jeder Erwachsene dafür einen familienfreien Abend in der Woche: Um für sich selbst zu sorgen, um dann wieder für den Familienalltag gewappnet zu sein. Aus meiner Sicht geht das nur als echtes Miteinander und dazu müssen alle Beteiligten auch ihren Beitrag leisten wollen."