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Andreas Guenther ist bodenständig. Der Schauspieler macht sich seinen Kaffee selbst. Auf der Rheinterrasse am Konstanzer Seerhein fühlt er sich ohnehin wie zu Hause. Das Café gehört seinem besten Freund, er selbst hat sich hier früher etwas Geld dazuverdient. Kaum überraschend also, dass er direkt nach seiner Ankunft im Café sagt: „Ich mach' mir den Kaffee jetzt schnell selbst."
Drei Monate in Wien mit Dreh von zwei Filmen liegen hinter ihm, der nächste Dreh in Berlin vor ihm. Die sechs Tage dazwischen nutzt Guenther für einen Besuch in Konstanz. Die Stadt, in der er aufgewachsen ist. „Ich bin nur am Reisen und ständig in Hotels untergebracht. Hier habe ich das Gefühl, zu Hause zu sein", sagt der 45-Jährige, der seit 20 Jahren in Berlin lebt.
„Polizeiruf 110", „Blind ermittelt", „Der Kroatien-Krimi", „SOKO", „Schuld", „Lena Lorenz". Die Liste seiner Fernsehfilme ist lang. Immerhin blickt der Schauspieler auf 23 Jahre Erfahrung zurück: 1996 hatte er im Sönke-Wortmann-Film „Charleys Tante" seine erste Rolle. Der Wunsch, Schauspieler zu werden, ist aber schon viel älter. Mit acht Jahren entdeckte Andreas Guenther den Traum für sich. „Da stand ich zum ersten Mal auf der Bühne."
Nach dem Abitur an der Waldorfschule in Überlingen ging es für ihn nach München. Er arbeitete als Produktionsfahrer, Set-Aufnahmeleiter, Produktionsassistent. Für viel zu wenig Geld. So wenig, dass er am Wochenende nach Konstanz fuhr, um sich dort in Bars etwas dazuzuverdienen. „Ich hatte absolut keine Kohle", erinnert sich Andreas Guenther zurück. Er machte Schauspiel-Workshops, spielte seine ersten Rollen für lau. „Nicht einen Cent habe ich damals gesehen", in einer heruntergekommenen „Bude" gelebt, doch es war ihm egal. So ging das ein paar Jahre lang - bis zu seinem Durchbruch.
Guenthers Stimme ist kratzig, seine Haare sind etwas zerzaust. Was sitzt, ist sein Lachen. Im Gespräch zeigt er sich erfrischend ehrlich, er wirkt optimistisch. Der positive Blick erleichtere ihm das Leben, sagt er: „Ich komme von ganz unten, bin meinen Weg gegangen und gehe ihn weiter." Der gebürtige Österreicher hatte eine schwere Kindheit, geprägt von einem alkoholkranken Vater und einer überforderten Mutter.
Mit 13 Jahren kam er zu einer Pflegefamilie. Darüber spricht er nicht gerne, nur ein Interview hat er dazu gegeben. Aus seiner Vergangenheit schöpft er Kraft: „Ich habe viel mehr erreicht, als ich mir je erträumt habe." Heute dreht Guenther 13 Stunden am Tag, neun Monate im Jahr. Die Schauspielerei ist für ihn wie eine Sucht: „Wenn ich nicht drehe, ist es eine Qual." Und das trotz langer Tage, stressiger Reisen und der körperlichen Anstrengung. „Am Set erlebe ich die besten Momente meines Lebens."
Im nächsten Frühjahr erscheinen zwei Fortsetzungen von „Blind ermittelt". Als Nächstes dreht Guenther für den ARD-Freitagabend-Film „Papa auf Wolke sieben", darin spielt er den Freund einer Frau, die einen Mann mit Asperger-Syndrom pflegt und sich dabei in ihn verliebt. Dann stehen ein Erzgebirge-Krimi und „Der Bergdoktor" auf dem Plan.
Spielen könne Guenther zwar alles, am liebsten seien ihm aber innerlich zerrissene Personen - „weil ich mich da mit mir selbst auseinandersetzen muss". Die Schauspielerei bringt ihn auch mal an seine Grenzen: Für den Film „Götz von Berlichingen" musste er in zwei Wochen das Reiten und das Fechten erlernen. Doch Guenther wächst mit den Herausforderungen. „Noch 30 Jahre" will er vor der Kamera stehen. Bis dahin wünscht er sich, mal die Hauptrolle in einem „großen, epischen" Liebesfilm spielen zu dürfen.
Auch Andreas Guenther hat mal Freizeit - ob er will oder nicht. Dann schaut sich der Schauspieler am liebsten Serien an. Wenn er nach einem wochenlangen Dreh zurück nach Berlin kommt, schlüpft er in seine Jogginghose, setzt sich auf sein Sofa. Dann schaut er eine Serie nach der anderen. „Man darf mir abends keine Serie mehr empfehlen, dann schaue ich sie die ganze Nacht durch", sagt Guenther und lacht.
Versorgt wird er dann vom Restaurant direkt unter seiner Wohnung, ein Anruf und sie bringen ihm das Essen vorbei. Seinen Urlaub verbringt er im Sommer am liebsten am Bodensee. Dann läuft er durch die Straßen, vorbei an der früheren Wohnung im Stadtteil Paradies, versinkt in Gedanken an die Fährfahrten in Richtung Schule, trifft seine engsten Freunde. Oder er trinkt einen Kaffee am Seerhein - selbst gemacht natürlich.