Gladbeck. Linda Calder ist Profitänzerin. Lange war sie Solistin am Musiktheater im Revier. Ihre Kunst gibt sie als Leiterin zweier Tanztempel weiter.
Linda Calders Leben gleicht einem Tanz mit der Welt: bunt, lebendig, im Wandel; gedreht wird aus der Mitte heraus. Sie ist geballte Energie. Calder ist eine Art Tanzinstitution, leitet zwei Tanztempel und ihr tänzerisches Können als erste Solotänzerin und Choreografin am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier (MIR) ist mindestens deutschlandweit bekannt.
Wenn Linda Calder spricht, dann ist das eine Mischung aus Schauspielerei und Tanz. Sie gestikuliert, steht auf, um etwas zu demonstrieren und egal, wie sie sitzt und worüber sie sinniert: Es sieht graziös aus.
Ihre zweite Tanzschule ist der Tanztempel an der TheodorstraßeGerade sitzt sie auf einer Bank der Empore ihres zweiten Tanztempels - so heißt ihre Tanzschule an der Theodorstraße in Brauck.
Tanztempel I befindet sich in Gelsenkirchen Buer. Beide sind entweihte Kirchen, das Interieur mit Bänken und hohen Wänden verleiht den Trainingsstätten immer noch eine himmlische Atmosphäre.
Calder, Jahrgang 1955, ist gebürtige Südafrikanerin: ihr englischer Akzent und ihre Vorliebe für selbstgekochte Currys stammen noch aus jener Zeit. Mit fünf Jahren habe sie mit dem Tanzen begonnen, damals habe sie einmal wöchentlich trainiert. Das Pensum nahm zu.
„Ich bin geboren, um zu tanzen"Sie verrät, dass sie schon als Zehnjährige gewusst habe, was ihre Berufung ist: „Ich bin geboren, um zu tanzen!" Als 18-Jährige - Linda hatte da bereits ihr Abi und war ausgebildete Profi-Tänzerin - war sie Teil der Tanz-Company in ihrem Geburtsort Durban an der Ostküste Südafrikas. In ganz Südafrika habe es insgesamt drei dieser professionellen Tanzgruppen gegeben.
Europa war damals der Nabel des Tanzes. Über 60 Compagnien, so schätzt Calder, habe es Anfang der 1970er Jahre in Deutschland gegeben. Schon recht kurz nach ihrer Ausbildung saß sie also im Flugzeug, um den „Kleine-Mädchen-Rollen" zu entkommen, die ihr vor allem wegen ihrer Größe von 1,55 Meter immer wieder angeboten wurde. Eine dieser Rollen, die sie sehr gerne getanzt hat, war die Clara aus Tschaikowskys Nussknacker.
Für die Cranko-Ballett-Company war sie zu kleinLindas Kindheitstraum: Bei Landsmann John Cranko vorzutanzen, der in Stuttgart die erste Ballett-Schule als Internat erschuf. Die Ikone starb 1973 völlig unerwartet nach ihrer US-Tournee. Sie tanzte trotzdem in der berühmten gleichnamigen Ballett-Company in Stuttgart vor. Die Tänzer dort müssen im Vergleich zu Calder groß gewesen sein: „Im Prinzip hätte ich unter den Beinen hindurchtanzen können; ich war zu klein für deren Geschmack."
Zudem tanzte sie am Musiktheater in Würzburg vor, erhielt die Zusage für die Spielzeit im Herbst - und hatte bis dahin noch ein halbes Jahr Zeit. „Um damals eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu bekommen, musste man aus Deutschland ausreisen", berichtet Calder. Und da ein Flug nach Südafrika zu teuer war, zog sie kurzerhand nach London, wo sie auf den Choreographen Alexander Roy traf. Mit dem Ensemble ging sie auf Tanztournee und machte mit einem Mix aus klassischem, neo-klassischem und Contemporary Südfrankreich, England und Schottland unsicher.
Auf Würzburg folgte das Stadttheater in UlmDanach ging sie für zwei Spielzeiten nach Würzburg. Ein Acht-Stunden-Trainingsprogramm pro Tag statt eines Zirkuslebens zog fortan in ihr Leben ein. Nach Würzburg folgte das Stadttheater in Ulm. Und schicksalhafte Begegnungen: Sie lernte Bernd Schindowski kennen, der dort zweiter Ballettdirektor war.
Nach zwei Jahren Spielzeit wechselte die 22-Jährige nach Gelsenkirchen. Schindowski war mittlerweile Ballettdirektor und holte Calder ans MiR. Die zehnjährige Zusammenarbeit klingt aus Calders Mund nach purer Freude an der Arbeit. „Die Cinderella hat er ohne Zweifel für mich kreiert. Und wir haben auch schonmal bis 24 Uhr gearbeitet, einfach, weil es Spaß gemacht hat", sagt sie strahlend.
Sie lebt mit ihrem Mann und dessen zwei Söhnen in BuerDie Tänzerin hat auch als Choreografin am MiR gearbeitet. Heute lebt sie mit ihrem Mann und dessen zwei Söhnen in Buer - direkt neben ihrem Tanztempel. Seitdem kann in einem Universum getanzt und Familie gelebt werden. Das nennt man wohl Work-Life-Balance.
„Tanzen beflügelt die Seele"Warum Tanzen gut für Kinder ist? „Weil es die Seele beflügelt", sagt Linda Calder. Gerade, wenn es in der Schule stressig und der Leistungsdruck groß sei, sei tanzen ideal. „Und da ist es einfach wichtig, dass die Schüler den Tanzstil mögen, sich darin wiederfinden: ob beim Ballett, Breakdance oder beim Freestyle."
Im Angebot ihrer Tanzschulen leistet sie sich aber auch weniger begehrte Angebot wie „Contemporary", zeitgenössischen Tanz. „Wenn eine Gruppe stark und gut ist, soll sie zusammenbleiben. Ein Gruppengefühl ist heutzutage wichtiger als früher. Wir wollen jetzt eine neue Contemporary für Tänzer ab 14 Jahren starten: samstags von 15.30 bis 16.30 Uhr in Gladbeck."
Bereits 1994 gründete sie den Tanztempel I in Buer, 2004 kam Tanztempel II in Gladbeck dazu. Insgesamt tanzen nach Angaben von Calder mehr als 500 Schüler in den Tanztempeln. In Brauck findet zurzeit vor allem Break- und Showdance, in Buer eher Ballett- und zeitgenössischer Tanz statt.