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Elektroingenieurin: "Mittlerweile habe ich mehr als 100.000 Euro in meinen Depots"

In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet Livia Kabosch*, die 37 Jahre alt ist und als Elektroingenieurin arbeitet.


Beruf: Ich arbeite als Elektroingenieurin in der Chemieindustrie. Dabei plane ich die elektrische Energieversorgung neuer Chemieanlagen. Das können unterschiedliche Anlagen sein: Mit ihnen werden beispielsweise Füllungen von Schaumstoffmatratzen hergestellt, Batterien oder es handelt sich um Kläranlagen. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Elektrotechnik fertige ich Pläne an und prüfe die Fortschritte auf der Baustelle.

Das Projekt, an dem ich derzeit arbeite, liegt mehrere Hundert Kilometer entfernt von meinem eigentlichen Arbeitsplatz. Für die nächsten drei bis vier Jahre arbeite ich deswegen jeweils drei Wochen im Monat vom Büro oder Homeoffice aus und eine Woche vor Ort auf der Baustelle. Dort pendle ich zwischen Hotel und Baustelle. Vor Ort finden viele Meetings statt, weil an einem solchen Großprojekt viele Menschen beteiligt sind. Mir macht es Spaß, ein solches Projekt von Anfang an zu begleiten. Wenn es in Betrieb geht, ist das ein magischer Moment für mich.

Ich mache viel Detailarbeit: Ein Schalthaus, in dem elektrische Geräte stehen, über die wir die Chemieanlage steuern, muss an ein Erdungsnetz angebunden werden. So leiten wir überschüssige Ladung in den Boden ab, um die Anlage vor Stromschäden zu schützen. Ich sehe mir den Grundriss an und plane, wo Kupferkabel dafür verlegt werden müssen. Genauso ist es, wenn Geräte untereinander kommunizieren sollen. Damit eine Klimaanlage melden kann, wenn eine Störung vorliegt, ist sie per Kabel mit der Leitwarte, einer Art Kontrollzentrum, verbunden. Nach demselben Prinzip sind alle Geräte in unseren Anlagen miteinander vernetzt. Wir planen quasi jedes einzelne Kabel.

Ich bin chronisch krank und leide unter Migräne. Das habe ich im Vorstellungsgespräch offen gesagt. An guten Tagen kann ich mich richtig reinknien, an anderen Tagen schaffe ich nur leichtere Aufgaben – und im blödesten Fall geht gar nichts, weil das Gehirn nicht mitspielt. Die Firma kommt mir da sehr entgegen: Ich arbeite nicht im Großraumbüro, um möglichst wenig äußeren Reizen ausgesetzt zu sein. Kolleginnen und Kollegen sind verständnisvoll und springen für mich ein. Allerdings lösen die vielen Dienstreisen häufig Migräneattacken aus, meistens nehme ich sicherheitshalber den Zug.

Aber die Krankheit macht auch erfinderisch: Ich bin es gewohnt, immer einen Plan B zu haben. Ein Beispiel: Ich mache mir zwar einen Plan, wer auf der Baustelle ist und was ich an einem bestimmten Tag erledigen will. Dabei kalkuliere ich aber ein, dass etwas nicht funktionieren könnte, zum Beispiel die Technik. Deswegen überlege ich mir vorher schon, was wir dann stattdessen erledigen können. Gerade falls bestimmte Arbeiter extra auf die Baustelle kommen.

Ich habe mir mittlerweile einen guten Ruf erarbeitet, sodass Baufirmen sogar nach mir fragen. In meinem Unternehmen arbeiten für diese Branche verhältnismäßig viele Frauen. Bei früheren Arbeitgebern ist es vorgekommen, dass mich Anrufer für die Sekretärin hielten – oder dass mich Arbeiter auf einer Baustelle belächelten. 

Ausbildung: In der achten oder neunten Klasse haben wir in der Schule einen Berufsinteressentest gemacht, bei dem wir per Multiple-Choice-Verfahren unsere beruflichen Vorlieben herausfinden sollten. Bei mir kam raus: ein Physik- oder ein Elektrotechnikstudium. Ich entschied mich für die Physik und bewarb mich um einen Ausbildungsplatz als Physiklaborantin. Schon während der Ausbildung merkte ich, dass ich nicht die nächsten 40 Jahre im Labor stehen möchte. Deshalb holte ich mein Abi nach und begann ein duales Elektrotechnikstudium. Während der Ausbildung zur Physiklaborantin hatte ich gelernt, Messgeräte zu reparieren und eigene zu bauen. Dabei hat mich vor allem die Elektronik interessiert, deshalb entschied ich mich für das Studium. In meinem Studienjahrgang lag der Frauenanteil bei fünf Prozent. Die Praxisphasen des dualen Studiums habe ich bei einem Energieversorger gemacht. Und ich war bei einem Gasversorger in den USA.

Nach dem Studium begann ich in der Chemieindustrie und ich war an einem Projekt in Amerika beteiligt. Anschließend arbeitete ich zunächst noch zwei Jahre lang im Vertrieb bei einem Unternehmen für Schaltanlagen. Dann plante ich Netze und Anlagen für einen Energieversorger in Süddeutschland. Auf Dauer war mir das allerdings zu eintönig. Seit 2020 bin ich zurück in der Chemieindustrie. Ich wollte anspruchsvollere und auch größere Projekte übernehmen.

Arbeitszeit: Ich habe eine 80-Prozent-Stelle. Laut Vertrag arbeite ich 30 Stunden pro Woche. Es gibt ruhige Wochen, in denen ich das einhalten kann. Es gibt aber auch Zeiten, in denen ich deutlich mehr mache. Es kommt auf den Stand des Projekts an. Im Durchschnitt mache ich zwei bis drei Überstunden in der Woche. Wir haben Vertrauensarbeitszeit, ich dokumentiere es nicht genau.  

Meine Einnahmen

Bruttoeinkommen: Mein Lohn liegt bei knapp 6.000 Euro pro Monat. Außerdem gibt es einen jährlichen Bonus, der zu Teilen vom Unternehmensergebnis abhängt und zu Teilen davon, ob ich meine Jahresziele erreiche. In diesem Jahr dürfte der Bonus im mittleren vierstelligen Bereich liegen, weil die Unternehmenszahlen vom vergangenen Jahr nicht besonders gut waren. Den Jahresbonus investiere ich üblicherweise in Mitarbeiteraktien.

Nettoeinkommen: Von meinem Fixgehalt bleiben im Monat rund 3.500 Euro übrig.

Sonstige Einnahmen: Ich habe außerdem 350 Euro netto an Kapitalerträgen aus Geldanlagen. Insgesamt stehen mir also monatlich 3.850 Euro zur Verfügung.

Wie mich die Inflation betrifft: Am stärksten habe ich die Preiserhöhungen bei Lebensmitteln gespürt. Teilweise bin ich bei meinen Wocheneinkäufen von Markenprodukten auf die Eigenmarken umgestiegen. Gleichzeitig habe ich die Energiekrise genutzt: Ich bin von meinem lokalen Strom- auf einen Biogasversorger umgestiegen. Mehr zahlen musste ich da zunächst nicht, weil die Gaspreisbremse auch für das eigentlich teurere Biogas galt. Nachdem die politische Bremse ausgelaufen ist, bin ich dabeigeblieben, obwohl der Preis doppelt so hoch ist wie bei meinem vorherigen Standardvertrag. Das ist mein Beitrag zur Energiewende.

Meine Ausgaben

Wohnen: Ich lebe in einer zentral gelegenen Einzimmerwohnung mit 38 Quadratmetern in einer Großstadt. Vor anderthalb Jahren bin ich allein eingezogen, mittlerweile lebe ich dort mit meinem Partner. Wir kommen auch auf wenig Raum gut miteinander klar. Die Kosten teilen wir uns, insgesamt zahlen wir 660 Euro inklusive Strom, Gas und dem Rundfunkbeitrag. Er überweist mir jeden Monat 330 Euro. Mir gefällt die Wohnung so gut, dass ich dortbleiben möchte. Sollte mein Freund irgendwann mal mehr Platz wollen, muss er sich eine eigene Wohnung suchen.

Lebensmittel: Wir wechseln uns mit den Wocheneinkäufen ab. Diese Regelung klappt für uns gut. Ich gebe rund 400 Euro pro Monat für Lebensmittel aus, bei ihm dürfte es ähnlich sein. Davon entfallen 320 Euro auf Supermarkteinkäufe, den Rest machen Restaurantbesuche und Essensbestellungen aus. Wir kochen relativ viel zu Hause, und auch in die Arbeit nehme ich mir meistens etwas Selbstgemachtes mit. 

Hygieneprodukte: Dafür gebe ich nicht viel aus: Ich kaufe die Basics wie Seife, Spülmittel oder Waschmittel. Zum Friseur gehe ich gar nicht mehr, die Haare schneiden mein Partner und ich uns gegenseitig. Ich habe eine Kurzhaarfrisur, da ist das verhältnismäßig einfach. Deshalb gebe ich maximal 20 Euro im Monat aus.  

Gesundheitskosten: Ich muss für meine Migränemedikamente einiges zuzahlen. Zudem hat mir mein Neurologe empfohlen, als Migränepatientin bestimmte Nahrungsergänzungsmittel zu mir zu nehmen. Zweimal pro Jahr gehe ich zur Zahnreinigung. Rechne ich alle Ausgaben zusammen, ergibt das einen Monatsdurchschnitt von rund 80 Euro.

Kleidung: Für Klamotten gebe ich im Monat im Schnitt rund 80 Euro aus. Zwei- bis dreimal pro Jahr gebe ich eine größere Bestellung für Kleidung auf. Meistens in Onlineshops für nachhaltig produzierte Kleidung. Wenn ich unterm Jahr noch etwas brauche, zum Beispiel weil eine Hose kaputtgegangen ist, gehe ich meistens in einen Secondhandladen.

Telefon und Internet: Für unseren Festnetz- und Internetanschluss zahlen wir zusammen rund 40 Euro. Mein Anteil liegt also bei 20 Euro. Hinzu kommt mein Handyvertrag, der kostet mich 26 Euro monatlich. Zusammen ergibt das 46 Euro pro Monat. 

Abonnements: Für Abos gebe ich rund 60 Euro pro Monat aus: rund 25 Euro für die ZEIT, 13 Euro für Netflix. Den Rest für einige Onlinedienste wie den Google-Cloudspeicher oder Password Safe sowie für eine Fitness-App für zehn Euro.

Mobilität: Dafür gebe ich rund 90 Euro im Monat aus. Ich habe ein Jobticket, das mich rund 34 Euro kostet. Hinzu kommen einzelne Zugtickets, wenn ich zu Familienbesuchen unterwegs bin. Weil ich oft mit dem Fahrrad verreise, habe ich eine französische Bahncard, die 49 Euro pro Jahr kostet. Damit kann ich auch für Mitreisende buchen und bekomme auch für sie Rabatt. Das wäre mal eine Idee, um die Deutsche Bahn attraktiver zu machen.

Freizeit: Ich habe drei Fahrräder, deshalb kommen für Inspektion, Ersatzteile und Zubehör rund 600 Euro jährlich zusammen. Außerdem bin ich Mitglied in einem Kanuverein, was pro Jahr 72 Euro kostet. Für diesen Sport muss ich immer wieder mal ein neues Paddel oder anderes Material kaufen. Das sind noch einmal rund 50 Euro pro Monat. Zusammengerechnet gebe ich für Freizeitaktivitäten rund 120 Euro pro Monat aus.

Reisen: Mir ist das Reisen sehr wichtig, deshalb bin ich oft, gerne und viel unterwegs. Neben einer Fahrradreise nach Frankreich war ich im vergangenen Jahr gleich noch viermal unterwegs: mit dem Kanu, bei einem Städtetrip und zweimal beim Camping. Meistens bleibe ich in Europa, seit mehr als fünf Jahren bin ich privat nicht mehr geflogen. Dienstlich muss ich hin und wieder. Im vergangenen Jahr habe ich für meine Reisen rund 3.000 Euro ausgegeben. Im Durchschnitt also 250 Euro pro Monat.

Versicherungen: Für Versicherungen gebe ich nur zehn Euro im Monat aus. Das setzt sich zusammen aus einer Haftpflicht-, einer Hausrat- und einer Reisekrankenversicherung.

Spenden/Mitgliedschaften: Wenn ich es auf den Monat umrechne, gebe ich für Spenden und Mitgliedsbeiträge 250 Euro aus. Der größte Einzelposten ist der Gewerkschaftsbeitrag in Höhe von 60 Euro monatlich. Zudem spende ich Geld an einen Veganer-Bund, an die Tafeln, an ein Malteser-Projekt für Menschen ohne Krankenversicherung. Und ich unterstütze ein Projekt, das kostenlos Tampons an Obdachlose ausgibt. Für sie alle gebe ich jeweils 30 Euro im Monat aus. Ich bin außerdem Mitglied beim Arbeiter-Samariter-Bund, im Jugendherbergsverein und beim Sozialverband VDK. Außerdem unterstütze ich die Letzte Generation, ich kaufe zum Beispiel Material für Infoveranstaltungen oder beteilige mich an den Geldstrafen für Aktivistinnen oder Aktivisten. Früher war ich selbst mehr ehrenamtlich im Einsatz, zum Beispiel beim Arbeiter-Samariter-Bund, wo ich Teil einer Rettungshundestaffel war. Mittlerweile fehlt mir die Zeit dafür. Deshalb möchte ich zumindest einen finanziellen Beitrag leisten. 

Sparen und Investitionen: Sobald mein Gehalt auf dem Konto liegt, überweise ich einen guten Teil davon weiter in mein ETF-Depot. Mittlerweile sind das 1.600 Euro pro Monat, die ich in unterschiedliche ETFs investiere. Angefangen habe ich damit vor rund sieben Jahren. Damals habe ich mich erst mal eingelesen und einige Finanzpodcasts gehört, daraus habe ich eine Strategie für mich entwickelt. Die ersten Ausschüttungen lagen noch im Cent-Bereich, trotzdem hat mich das begeistert, und ich bin drangeblieben. Jahr für Jahr erhöhte ich meine Sparrate. Mittlerweile habe ich mehr als 100.000 Euro in meinen Depots angespart. Auf dem Tagesgeldkonto liegen 6.000 Euro, damit ich im Notfall eine Weile über die Runden komme.

Was am Ende übrig bleibt: Wenn ich alle Fixkosten abziehe, bleiben bei mir am Monatsende 500 Euro. Dieses Geld geht aber oft für unvorhergesehene Ausgaben drauf, oder ich gebe es für Anschaffungen aus: Kürzlich habe ich mir eine Kamera gekauft, um meine Kanureisen zu dokumentieren. Außerdem baue ich die Möbel für meine Wohnung gerne selbst, dafür brauche ich Werkzeug oder neue Schrauben und Beschläge. Ich spare viel und verdiene aber so gut, dass ich es mir leisten kann, dieses Geld auszugeben.

*Der Name der Protagonistin wurde geändert, ist der Redaktion aber bekannt.

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