In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet Martina Möller*, 57, die in Nordrhein-Westfalen lebt und als professionelle Musikerin arbeitet.
Beruf: Als professionelle Musikerin verdiene ich mein Geld in zwei unterschiedlichen Bereichen: Zum einen habe ich eine feste Anstellung an einer Musikhochschule und unterrichte dort Studierende. Das verschafft mir finanzielle Sicherheit. Ich habe zwischen zehn und 15 internationale Schülerinnen und Schüler in meiner Klasse. Sie kommen beispielsweise aus Korea, China, Spanien oder auch aus der Ukraine. Alle haben sich bei einem Auswahlverfahren und einem Vorspiel durchgesetzt, das heißt, jeder beherrscht sein Instrument bereits sehr gut. Bei mir werden sie weitergebildet, um anschließend beispielsweise als Musikpädagoginnen, in einem Orchester oder als Konzertmusiker zu arbeiten. Zusätzlich zu Nebenfächern wie beispielsweise Musikgeschichte oder -theorie, die die Studierenden bei meinen Kollegen haben, unterrichte ich sie in ihrem instrumentalen Hauptfach, einem Blasinstrument. Jede und jeder von ihnen bekommt bei mir 90 Minuten Einzelunterricht pro Woche. Zusätzlich sitze ich in verschiedenen Hochschulgremien und in Jurys bei Wettbewerben.
Außerdem spiele ich auch als Solistin oder in einem Ensemble. Da gebe ich 25 bis 30 Konzerte im Jahr, trete zum Beispiel bei Kunstveranstaltungen oder Musikfestivals auf. Dafür muss ich neue Stücke einüben, reise viel und nicht zuletzt sind die Konzerte selbst Arbeit.
Ausbildung: Meine Eltern haben mich früh musikalisch gefördert, schon als kleines Kind hatte ich Musikunterricht. Zuerst habe ich Klavier gespielt. Relativ spät erst, mit 14 Jahren, habe ich dann mit dem Blasinstrument begonnen, das ich heute hauptsächlich spiele. Ich war begabt, wollte mich aber nicht gleich festlegen, Profimusikerin zu werden. Auch ein Lehramtsstudium in Englisch und Geschichte hätte ich mir gut vorstellen können. Allerdings bestand ich nach dem Abi direkt die Eignungsprüfung bei einer Musikhochschule. Viele Musikstudierende führt dieses Studium zu Orchestern, oder sie werden selbst Dozentin oder Dozent an einer Musik- oder Hochschule. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ein Orchester nicht das Richtige für mich ist. Also arbeitete ich neben dem Studium an einer Musikschule und spielte Konzerte.
Einer meiner Professoren empfahl mir, mich für einen Lehrauftrag zu bewerben. Ich habe den Job bekommen und das einige Jahre gemacht. Diese Arbeit ist schlecht bezahlt, macht aber Spaß. Und durch die zusätzlichen Einnahmen von Konzerten konnte ich ganz gut leben. Später bekam ich eine feste Anstellung, in der ich bis heute arbeite. Da ist die Bezahlung deutlich besser als bei den freiberuflichen Kolleginnen und Kollegen.
Langsam entspannt sich der Arbeitsmarkt in meinem Bereich: Die Boomer gehen in Rente, es gibt wieder freie Stellen. Und auch das Orchestersterben hat sich zumindest verlangsamt. Die meisten Musiker sind sogar einigermaßen gut durch die Pandemie gekommen. Deshalb würde ich Musikbegabten heute wieder eher dazu raten, den Beruf zu ergreifen, als noch vor fünf Jahren.
Arbeitszeit: Mein Arbeitstag beginnt üblicherweise zwischen 9 und 10 Uhr morgens und dauert bis 18 Uhr. Wenn ich ein Konzert gebe oder für meine Studierenden ein Vorspielen ansteht, kann er länger gehen. Mein Deputat, also die Anzahl meiner Unterrichtsstunden, beträgt 24 Stunden pro Woche. Das ist aber abhängig von der Zahl meiner Studierenden: Wir haben nicht jedes Jahr dieselbe Anzahl, weil die Bewerber ein gewisses Niveau erfüllen müssen, um überhaupt aufgenommen zu werden.
Außerhalb der Musikhochschule arbeite ich viel im Bereich der zeitgenössischen Musik und bin oft in interdisziplinäre Kunstprojekte eingebunden. Es geht dann also nicht nur darum, Noten zu spielen, sondern um die Interaktion zwischen Musik, Schauspiel, Literatur und Kunst. Dadurch ist meine Arbeit sehr vielfältig: Viel Organisation und Konzeption, man macht sich Gedanken über die Finanzierung, dann natürlich die Musik und nicht zuletzt Marketing. Es braucht Kreativität, um die Leute dazu zu bewegen, sich das anzuhören. Durch diese vielen verschiedenen Teile kann ich schwer abschätzen, wie viel Zeit ich für diese Projekte aufwende. Wenn ich meine Dozentinnentätigkeit und meine eigenen Konzerte zusammennehme, geht der durchschnittliche Arbeitsaufwand wahrscheinlich in Richtung 50 Stunden pro Woche.
Ich kann meine Arbeitswochen relativ flexibel gestalten. In Absprache mit meinen Studierenden gibt es Wochen, in denen ich mehr unterrichte. Im Anschluss bin ich dann für einige Tage auf Konzertreise. Für mich ist also jede Woche anders, das gefällt mir sehr.
Meine Einnahmen
Bruttoeinkommen: Durch meine Lehrtätigkeit an der Hochschule verdiene ich in etwa 5.500 Euro brutto pro Monat. Hinzu kommen die Einnahmen meiner Auftritte. Die Gage für ein Konzert liegt zwischen 600 und 1.000 Euro brutto, inklusive Vorbereitung und Proben. Es gibt allerdings auch Konzerte, für die ich gerade einmal 400 Euro bekomme und bei denen ich die Reisekosten selbst trage. Im Jahr sind das insgesamt noch einmal rund 20.000 Euro, so komme ich auf ein Gesamtbruttoeinkommen von circa 7.500 Euro im Monat.
Nettoeinkommen: Von meinem Gehalt
bleiben rund 3.500 Euro netto übrig. Ziehe ich Ausgaben und Steuern von meinen
Konzerteinnahmen ab, kommen rund 12.000 Euro im Jahr hinzu. Dadurch habe ich
ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 4.500 Euro.
Sonstige Einnahmen: Ich gehöre zu der Generation, in der viele das hart erarbeitete Haus der Eltern übernehmen. Auch meine Eltern haben mir ihr Haus vererbt. Dort wohne ich allerdings nicht selber. So kommen zu meinem Arbeitseinkommen noch Mieteinnahmen hinzu, 1.000 Euro im Monat. Effektiv bleiben mir davon 800 Euro übrig, wenn ich alle Unkosten abziehe, sodass mir monatlich rund 5.300 Euro netto zur Verfügung stehen. Für eine Person ist das üppig, keine Frage.
Wie mich die Inflation betrifft: Die Musik wird manchmal als brotlose Kunst bezeichnet. Aber für mich ist sie das nicht. Ich habe selbst nach der Pandemie und mit der Inflation genug Geld, um mir alles leisten zu können, was ich mir wünsche. Natürlich stutze ich manchmal, wenn ich die Preise beim Einkaufen sehe. Aber bislang war es nie so, dass ich mir deshalb Dinge nicht mehr leisten konnte.
Meine Ausgaben
Wohnen: Vor gut 20 Jahren habe ich ein altes Haus mit 140 Quadratmetern auf drei Etagen gekauft und schrittweise renoviert. Ich wollte genug Platz für meine Musik haben. Dort stehen mein Flügel und andere Instrumente, dort könnte ich auch Unterricht geben. Ursprünglich wollte ich eine Etage vermieten. Aktuell wohne ich aber alleine, was eigentlich viel zu viel Raum ist für eine Person. Um Kauf und Renovierung finanzieren zu können, habe ich eine Lebensversicherung und einen Bausparvertrag genutzt. Das Haus hat damals 120.000 Euro gekostet, für die Renovierungen habe ich noch einmal dasselbe gezahlt. Einen Teil davon konnte ich mit Eigenkapital begleichen. Die Kredite zahle ich jetzt in Monatsraten von 1.100 Euro zurück. In ein paar Jahren ist einer davon abbezahlt, dann bleiben noch 700 Euro im Monat. Hinzu kommen rund 250 Euro monatlich für Strom und Heizung, sodass ich derzeit monatlich 1.350 Euro für mein Haus zahle.
Lebensmittel: Insgesamt gebe ich rund 500 Euro pro Monat für Lebensmittel und Restaurantbesuche aus. Im Schnitt esse ich so sechsmal im Monat im Restaurant. Das kostet mich rund 200 Euro. Die Einkäufe, um zu Hause zu kochen, und meine Mensabesuche dürften zusammen noch einmal 300 Euro ausmachen. Ich ernähre mich seit mehreren Jahrzehnten vegetarisch. Fleisch und Fisch schmecken mir nicht sonderlich gut, und für die Umwelt ist es auch besser, drauf zu verzichten. Die Probleme bei der Tierhaltung sind hinlänglich bekannt.
Hygieneprodukte: Ich gehe etwa alle drei Wochen zum Friseur. Das kostet mich schon 120 Euro monatlich. Sonst habe ich für Hygieneprodukte aber keine besonderen Ausgaben, sodass im Monat insgesamt rund 150 Euro zusammenkommen.
Kleidung: Seit ich eine feste Anstellung habe, gebe ich mehr Geld für Kleidung aus. Das ist der Luxus, den ich mir gönne. Das heißt nicht, dass ich jeden Monat zum Shoppen renne, aber ich kaufe mir gerne hochwertige Kleidungsstücke, die gut aussehen, lange halten und fair produziert wurden. Ich schätze, für Kleidung gebe ich im Durchschnitt monatlich rund 200 Euro aus.
Telefon und Internet: Telefon und Internet zu Hause kosten mich 50 Euro pro Monat. Für mein Handy kommt ungefähr noch einmal dasselbe dazu, macht also 100 Euro pro Monat.
Abonnements: Die ZEIT lese ich seit meinem Studium sehr gerne als Printausgabe, das kostet mich 30 Euro pro Monat. Zusätzlich habe ich einen Onlinezugang der SZ für 17 Euro. Auch den Freitag hatte ich abonniert, habe aber gekündigt, weil ich die Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine untragbar fand. Außerdem habe ich drei Musikfachzeitschriften abonniert, für die ich jährlich rund 200 Euro zahle. Auf den Monat heruntergerechnet sind das circa 16,50 Euro. Insgesamt kommen für meine Abos also 63,50 Euro zusammen, Streamingangebote nutze ich nicht.
Mobilität: Ich bin großer Fan des Deutschlandtickets, diese 49 Euro zahle ich gerne. Zudem habe ich ein Auto, das ich aber immer seltener nutze. Ich fahre keine 10.000 Kilometer mehr pro Jahr. Ganz abschaffen kann und will ich es aber nicht, weil ich meine Instrumente und das Equipment zu den Konzerten transportieren muss. Trotzdem zahle ich maximal 100 Euro pro Monat, wenn ich Benzin, Versicherung und Kfz-Steuer zusammenrechne. Dann lande ich bei monatlichen Ausgaben von 149 Euro für Mobilität.
Freizeit: Auch wenn meine
Musik natürlich irgendwie als Arbeit zählt, macht mir das Spielen großen Spaß.
Gelegentlich beauftrage ich Komponistinnen oder Komponisten damit, Stücke zu
arrangieren. Dafür kann ich eine staatliche Förderung beantragen, trotzdem zahle
ich im Monatsdurchschnitt 200 Euro. Sowas leiste ich mir ganz gerne, das Geld
dafür habe ich. Außerdem versuche ich, möglichst viel Sport zu machen. Meistens
gehe ich joggen. Gelegentlich besuche ich selbst Konzerte oder gehe ins
Theater, leider viel zu selten. Ich treffe ich mich auch gerne mit Freunden und
Bekannten auf einen Kaffee. Alle diese Ausgaben zusammengenommen, gebe ich
schätzungsweise 280 Euro pro Monat aus.
Reisen: Auf keinen Fall fliege ich mit dem Flugzeug in den Urlaub. Wenn ich fliege, dann nur beruflich. Für meine Privatreisen nutze ich oft das Auto. Meist verbringe ich einen zehntägigen Urlaub pro Jahr im europäischen Ausland, hinzu kommen Kurztrips. Dabei übernachte ich häufig im Hotel, sodass ich rund 3.000 Euro pro Jahr für Reisen ausgebe. Weil ich 2023 im Sommer ein Musikprojekt betreut habe, musste der lange Urlaub ausfallen. Dadurch hatte ich im vergangenen Jahr nur Reisekosten in Höhe von 300 Euro, das waren auf den Monat heruntergebrochen gerade mal 25 Euro.
Versicherungen: Für mein Haus habe ich eine Gebäudeversicherung. Hinzu kommen Hausrat- und Haftpflichtversicherung. Am meisten kostet mit 600 Euro jährlich aber sicherlich meine Instrumentenversicherung. Vor vier Jahren habe ich mir ein Instrument für 30.000 Euro gekauft. Es ist handgemacht, das kostet. Insgesamt gebe ich rund 100 Euro im Monat für Versicherungen aus.
Sparen und Investitionen: Etwas Geld lege ich jeden Monat für Reparaturen und Renovierungen an meinem Haus zurück, und auch für sonstige Ausgaben spare ich einiges. Zudem habe ich einen Riester-Vertrag und eine Privatrente, für die ich zusammengerechnet rund 400 Euro monatlich zurücklege. Mit dem Geld fürs Haus komme ich dann auf rund 1.400 Euro im Monat.
Spenden und Mitgliedschaften: Was noch hinzukommt, sind einige regelmäßige Spenden und eine Parteizugehörigkeit. Nach dem Brexit habe ich beschlossen, in die SPD einzutreten. Zudem unterstütze ich Amnesty International, Plan International, Greenpeace und verschiedene Vereine für neue Musik. So kommen Ausgaben in Höhe von 300 Euro monatlich zusammen.
Was am Ende übrig bleibt: Weil ich 2023 keinen
Sommerurlaub gemacht habe, blieben etwas mehr als 500 Euro am Monatsende übrig.
Verreise ich im Sommer, ist es etwas weniger. Dennoch ist das für mich
wahnsinnig viel Geld, das ich ansparen kann. Ich weiß, dass andere mit viel
weniger auskommen müssen. Ich persönlich finde sogar, dass ich mehr Steuern
bezahlen könnte. Im Sinne der sozialen Gerechtigkeit fände ich das angemessen.
*Der Name der Protagonistin wurde geändert, ist der Redaktion aber bekannt. Auch steht auf Wunsch der Gesprächspartnerin ihr genaues Instrument nicht im Text.
Original