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Tierärztin: "Wir haben lange verhandelt, wer welche Kosten trägt"

In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie in Zeiten hoher Inflation zurücklegen können. Hier berichtet Alva Buchmann*, 26, die Doktorandin ist.


Beruf: Ich bin ausgebildete Tierärztin und arbeite an meiner naturwissenschaftlichen Doktorarbeit. Anders als bei den Humanmedizinern ist eine Promotion bei uns eigentlich kein üblicher Teil des Studiums. Ich wollte jedoch herausfinden, ob ich in Zukunft in der Wissenschaft arbeiten möchte. Dafür habe ich mir ein passendes Projekt an einer Universität gesucht und bin dort offiziell seit drei Jahren als Tierärztin angestellt, arbeite aber als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Konkret beschäftige ich mich mit dem Bereich der humanmedizinischen Grundlagenforschung. Zu Beginn meiner Dissertation habe ich viel im Labor gearbeitet und Experimente durchgeführt. Immer wieder nehme ich zudem an Konferenzen teil und stelle meine Arbeit anderen Forschern vor. Aktuell sitze ich vor allem am Computer, weil ich Daten auswerte.

Ich könnte als Postdoktorandin weiterforschen, dafür wären auch Fördergelder vorhanden. Allerdings habe ich beschlossen, dass es nach den drei Jahren genug ist. In dieser Zeit habe ich persönlich zu spüren bekommen, warum die Wissenschaft in Deutschland so große Nachwuchsprobleme hat. In anderen Wissenschaftsdisziplinen werden Promotionskandidaten zu hundert Prozent bezahlt und schreiben ihre Dissertation auch während der Arbeitszeit. Ich nicht. Deshalb ist es für mich auch keine Option, länger an der Universität zu bleiben.

Stattdessen werde ich mich nach Auslaufen meines Vertrags arbeitslos melden, um meine Dissertation fertig zu schreiben. Im Anschluss möchte ich praktisch als Tierärztin arbeiten – obwohl ich, zumal mit einer Dissertation, in der Wissenschaft wahrscheinlich ein höheres Gehalt bekommen würde. Aber von der wissenschaftlichen Realität bin ich sehr enttäuscht.  

Ausbildung: Nach meinem Abitur habe ich verschiedene Praktika absolviert. Sie haben mich darin bestärkt, dass Tiermedizin das richtige Studienfach ist. Ich bin mit Tieren aufgewachsen und konnte mir schon immer eine enge Arbeit mit Tieren und ihren Besitzerinnen und Besitzern gut vorstellen. Nach der Praktikumsphase habe ich direkt begonnen, zu studieren. Inzwischen denke ich, dass mir ein Jahr Pause gutgetan hätte. Mehr Freiheit und außerschulische Eindrücke, zum Beispiel während eines Work-and-travel-Jahres, hätten mir in der Übergangsphase zum Erwachsenenalter mit Sicherheit gutgetan. So habe ich das Gefühl, niemals aus dem Schulsystem herausgekommen zu sein. Das Studium der Tiermedizin ist sehr verschult und bietet kaum Freiräume, den Studienalltag frei zu gestalten. Ich konnte meine Kurse nicht nach den eigenen Interessen wählen. Auch die Klausurtermine konnte ich nicht individuell planen, eine Prüfung nachzuholen oder vorzuziehen war somit schwer möglich. 

Die elf Semester inklusive des praktischen Jahres habe ich in einem Rutsch durchstudiert. Währenddessen habe ich auch Einblicke in die Bereiche Arzneimittel- und Antibiotikaresistenzen bekommen. Anschließend habe ich das tatsächlich als Alternative für meine Berufswahl in Betracht gezogen. Die meisten, die von dem Beruf Tierärztin hören, denken an Hunde und Katzen. Tatsächlich arbeiten viele ausgebildete Tiermediziner in den Laboren der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Das Studium an sich bereue ich nicht. Wenn ich gewusst hätte, was langfristig auf mich zukommt, hätte ich mich allerdings für einen anderen Karriereweg entschieden.

Arbeitszeit: Doktorandinnenstellen wie meine sind üblicherweise als 65-Prozent-Stellen ausgeschrieben. Ich bekomme also kein volles Gehalt und sollte laut Vertrag eigentlich auch nur fünf Stunden am Tag arbeiten. Mit der Realität hat das aber nichts zu tun, da komme ich meist auf eine 40-Stunden-Woche. Rechnet man Wochenenddienste und die Versorgung unserer Forschungstiere dazu, kann das auch deutlich mehr sein.

 

Meine Einnahmen

Bruttoeinkommen: Zu Beginn der Coronapandemie habe ich drei Monate lang Arbeitslosengeld II bezogen und mich in dieser Zeit in ganz Deutschland beworben, bis ich an meine aktuelle Stelle gekommen bin. Brutto verdiene ich auf meine 65-Prozent-Stelle rund 2.800 Euro pro Monat. Rechnet man das bisschen Weihnachtsgeld mit dazu, das ich bekomme, lande ich bei 2.900 Euro. 

Nettoeinkommen: Netto bleiben davon 1.980 Euro übrig. Davon kann ich ganz gut leben. Mein Partner arbeitet als Selbstständiger in der Automobilindustrie und hat ein Jahreseinkommen im sechsstelligen Bereich. Sein hoher Verdienst ermöglicht mir noch mehr finanziellen Spielraum.

Wie mich die Inflation betrifft: Am stärksten spüre ich die gestiegenen Preise beim Essen. Ich achte auf gute Qualität, die ist sowieso schon teuer. Aber ich gebe das Geld dafür gern aus.

 

Meine Ausgaben

Da mein Partner signifikant mehr verdient als ich, haben wir berechnet, wer sich in welchem Umfang an den anfallenden Kosten beteiligt. In meinem Fall sind das 36,5 Prozent. Darüber haben wir länger diskutiert: Er hatte vorgeschlagen, 70 Prozent der Kosten zu tragen und ich 30 Prozent. Ich wollte nicht, dass er viel mehr zahlt als ich. 50:50 wäre mir lieber gewesen, weil ich nicht abhängig sein will. Am Ende haben wir so lange verhandelt, bis wir auf die 36,5 Prozent gekommen sind. Ich rechne es ihm sehr hoch an, dass er finanziell gerade so viel stemmt.

Wohnen: Zusammen wohnen wir in einer 80 Quadratmeter großen Genossenschaftswohnung mit drei Zimmern und Balkon. Weil mein Partner größtenteils aus dem Homeoffice arbeitet, nutzt er dafür ein Zimmer als Büroraum innerhalb der Wohnung. Deshalb zählt ein Teil unserer Wohnungskosten zu seinen Betriebskosten; die zahlt er selbst.

Weil es sich um eine Genossenschaftswohnung handelt, ist sie relativ günstig. Insgesamt beträgt unsere Kaltmiete 620 Euro. Abzüglich der Firmenkosten bleiben 413 Euro übrig. Ich bezahle davon meine 36,5 Prozent, das macht dann 151 Euro pro Monat. Hinzu kommen für mich jeweils 28 Euro für Strom und Gas. So komme ich auf 207 Euro.

Außerdem haben wir eine Reinigungskraft. Sie kommt einmal in der Woche, weil wir beide sehr viel arbeiten. Sie wollten wir fair entlohnen, deshalb ist das ein nicht geringer Posten. Mein Anteil beträgt 44 Euro, sodass ich insgesamt 251 Euro fürs Wohnen ausgebe. 

Lebensmittel: Gemeinsam geben mein Partner und ich 380 Euro monatlich für Lebensmittel aus. Wir kaufen, wann immer möglich, regional und bio ein. Und wir gehen gern in Restaurants, geben dafür im Monat etwa 300 Euro aus. Von diesen insgesamt 680 Euro übernehme ich rund 248 Euro pro Monat.

Außerdem zahle ich mein Mittagessen bei der Arbeit selbst. Die Mensa der Universität, in der wir essen könnten, nutze ich kaum. Lange gab es hier Läden, die für wenig Geld ein gutes Mittagessen angeboten haben. Mittlerweile gibt es die nicht mehr und ich gehe seltener auswärts essen. Entweder bringe ich Essen von zu Hause mit oder hole mir etwas in der Umgebung. Beim Bäcker, zum Beispiel.

Außerdem gehe ich gelegentlich mit Freunden Kaffee trinken oder treffe mich auf ein Feierabendbier. Das macht noch einmal 30 Euro zusätzlich. So komme ich auf Gesamtausgaben für Lebensmittel in Höhe von 430 Euro im Monat.

Hygieneprodukte: Für Toilettenpapier, Putzmittel und so weiter geben wir gemeinsam rund 20 Euro aus. Für mich persönlich kommen dann noch einmal zehn bis 15 Euro dazu, wenn ich ein besonderes Shampoo oder etwas anderes brauche. Zum Friseur gehe ich eigentlich nur einmal im Jahr, sodass das keine wirklich relevanten Kosten sind. Insgesamt komme ich so auf Ausgaben für Hygieneprodukte in Höhe von rund 20 Euro monatlich.

Telefon und Internet: Mein Anteil an unserem gemeinsamen Telefon- und Internetvertrag beträgt 15 Euro. Zudem habe ich einen Prepaidvertrag bei einem großen Discounter, der mich 7,99 Euro kostet. Gerundet lande ich dann bei 23 Euro pro Monat.

Abonnements: Diesen Posten habe ich in der letzten Zeit deutlich reduziert. Ich habe keinen Netflix-Account mehr, sondern nur noch einen Amazon Prime-Zugang, den ich mir mit meinem Bruder teile. Für den gebe ich pro Monat 3,75 Euro aus. Außerdem teile ich mir mit drei verschiedenen Leuten einen Spotify-Familien-Account. Der kostet mich 2,60 Euro im Monat. Und ich beteilige mich mit 7,30 Euro am Rundfunkbeitrag.

Andere Medien-Abonnements habe ich wieder abgeschafft, weil ich sie zu selten genutzt habe. Manchmal geht es auch anders: Ich kann beispielsweise einen ZEIT ONLINE-Zugang nutzen, den ich aber nicht selbst zahle. So lande ich bei Abo-Kosten in Höhe von rund 14 Euro.

Kleidung: Ich habe eine Antipathie gegen Shopping. Mit Fast Fashion kann ich nicht viel anfangen und auch am Schaufensterbummel habe ich wenig Freude. Für mich ist das eher Zeitverschwendung. Deshalb würde ich zehn Euro für Kleidung ansetzen. Aus Bequemlichkeitsgründen kaufe ich vor allem Sportklamotten. Sie halten länger und sind zeitloser als die heutige Fast Fashion. Meine Kleidung trage ich insgesamt sehr lange.

Mobilität: Ich habe ein eigenes Auto. Das ist zwar eigentlich nicht teuer, aber die laufenden Kosten summieren sich dann doch. Für Benzin, Kfz-Steuer und Versicherung zahle ich auf den Monat gerechnet 104 Euro. Den ADAC-Beitrag übernimmt derzeit noch mein Vater. Außerdem habe ich eine Bahncard50, die mich monatlich 5,50 Euro kostet. Für Tickets kommen im Schnitt noch einmal 100 Euro im Monat obendrauf. Außerdem könnte man den Semesterbeitrag dazurechnen, weil der neben Verwaltungskosten mein ÖPNV-Ticket ausmacht. Das sind noch mal 24,30 Euro pro Monat. Zusammengerechnet ergibt das Mobilitätskosten von 233,80 Euro im Monat. 

Freizeit: In meiner Freizeit gehe ich häufig Bouldern. Drei Abende in der Woche verbringe ich damit. Deshalb habe ich eine Monatskarte für die Boulderhalle, die 48 Euro kostet. Für das Hallen-Klettern kommen noch einmal zehn bis 20 Euro dazu; abhängig davon, wie oft ich dazu komme. Auch die Kosten für Kleidung und Equipment spielen eine Rolle. Beispielsweise kosten mich allein die Boulderschuhe im Schnitt 20 Euro pro Monat. Gelegentlich gehe ich ins Kino – weil das aber nur unregelmäßig der Fall ist, macht das durchschnittlich vielleicht fünf Euro aus, sodass ich meine Freizeitkosten mit rund 90 Euro beziffern würde.

Reisen: Mit meinem Partner bin ich fast jedes Wochenende irgendwo unterwegs. Wir fahren zum Wandern und machen Städtetrips. Letztes Jahr war ich in Indien. Ich komme also wirklich viel rum. In einem Job, in dem ich konstant unter Stress stehe, ermöglicht mir der räumliche Abstand, runterzufahren und abzuschalten. Sich außerhalb der eigenen Komfortzone zu bewegen, birgt Potenzial für neue Perspektiven. Wenn ich die Ausgaben überschlage, lande ich pro Monat bei rund 300 Euro.

Versicherungen: Ich habe eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die auf Ärztinnen und Ärzte zugeschnitten ist; Mediziner müssen spezielle Körperteile wie ihre Hände mitversichern. Dafür zahle ich 55 Euro im Monat. Sollte ich mich während der Arbeit schwer verletzen, bin ich damit jedoch nur bedingt abgesichert. Die BU muss ich dringend aufstocken. Zusätzlich habe ich noch eine private Haftpflichtversicherung, die mich monatlich drei Euro kostet. Somit liegen meine Ausgaben für Versicherungen bei 58 Euro pro Monat.

Sparen und Investitionen: Aktuell lege ich kein Geld für später zurück. Ich überlege aber, langfristig Geld in ETFs zu investieren, um mir eine Altersvorsorge aufzubauen. Dazu fehlen mir aber noch Informationen. Wenn ich Geld investiere, möchte ich mich vorher ausreichend informieren, deshalb warte ich damit noch etwas.

 

Was am Ende übrig bleibt

Dass ich kein Geld investiere, hat auch damit zu tun, dass ich demnächst weniger Einkommen zur Verfügung haben werde. Sobald ich mich arbeitslos melde, beziehe ich nur noch einen Teil meines jetzigen 65-Prozent-Gehalts. Dann könnte ich mögliche Investments gar nicht mehr stemmen.

Aktuell ist das noch entspannter: Im Durchschnitt bleiben mit 550 Euro pro Monat übrig. Zumindest dann, wenn keine größeren Ausgaben hinzukommen. Mal muss das Auto repariert werden, dann sind Umzugskosten angefallen oder wir haben uns eine neue Küche zugelegt. Durch diese Extraposten bleibt weniger Geld übrig, als es mir lieb wäre. Aber etwas ist es schon, was mir als kleiner Rückhalt bleibt.  

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