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Berater: "Meinen Porsche habe ich bar bezahlt"

In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie in Zeiten hoher Inflation zurücklegen können. Hier berichtet der 42-jährige Henrik Bessin*, der als Geschäftsführer arbeitet. 


Beruf: Ich bin Geschäftsführer eines Unternehmens, das andere Firmen im Bereich digitale Workflows berät. Das sind oft Kommunen oder mittelständische Unternehmen, die organisch gewachsen sind. Irgendwann sind sie zu groß, um mit Excel-Tabellen und Post-its organisiert zu werden. Oft zeigt sich das daran, dass beispielsweise die Marketingabteilung oder die Buchhaltung nicht an Informationen aus einer anderen Abteilung kommt. Dann finden wir Lösungen, um die Abteilungen zu verknüpfen. Meine Aufgabe besteht darin, diese einzelnen Projekte zu organisieren. Ich vermittle zwischen dem, was die Kunden wollen, und dem, was meine Informatiker umsetzen können. Das macht rund 60 Prozent meiner Arbeitszeit aus, der Rest besteht aus Kundenakquise, Buchhaltung und Konzeptarbeit. Meine Softwareentwickler arbeiten aber auch unabhängig von der Beratung und entwickeln beispielsweise digitale Lösungen für die Immobilienverwaltung von Kommunen.


Ausbildung: Seit meiner Schülerzeit wollte ich mich selbstständig machen, ursprünglich als Architekt. Bei einem Schulpraktikum und einem Ferienjob habe ich festgestellt, dass der kreative Anteil der Arbeit gefühlt fünf Prozent ausmacht. In einem Schulprojekt habe ich mit Freunden ein Firmenkonzept entwickelt, mit 16 Jahren haben wir unser eigenes Unternehmen gegründet. Das war Ende der Neunzigerjahre, wir haben Websites für Autohäuser und kleine Handwerksbetriebe entwickelt. Ich komme also ursprünglich aus der Werbung. Nach dem Projekt haben wir zu dritt das Unternehmen weitergeführt, das hat mir damals meinen ersten gebrauchten VW Golf finanziert. Nach Abitur und Zivildienst habe ich die Firma allein geführt, meine Mitgründer haben im Gegensatz zu mir ein Studium begonnen. Ich bin Geschäftsführer, habe aber weder Berufsausbildung noch Studienabschluss. Meine Eltern waren damit lange unglücklich, haben mittlerweile aber ihren Frieden damit gemacht. Vielleicht hole ich mein Studium im Seniorenalter nach, Mathematik würde mich reizen. 2001 habe ich eine andere Agentur übernommen und mich finanziell bis an die Grenzen belastet. Das ging gerade so gut, aber ich war mit Anfang 20 fast pleite. Im Jahr 2007 habe ich eine weitere Agentur übernommen und im Jahr 2009 folgte die Fusion mit einer etwa gleich großen Werbeagentur. 2017 haben wir das Unternehmen aufgeteilt in eine klassische Werbeagentur und meine jetzige Beratungsfirma. 


Arbeitszeit: Der Vorteil der Selbstständigkeit ist, dass ich Familie und Beruf gut vereinen kann. Ich muss nicht im Schichtdienst arbeiten und mir kann niemand meine Arbeitszeit vorschreiben. Ich kann morgens mein Kind in die Kita bringen und danach ins Büro gehen. Ich arbeite meist bis 18.30 Uhr. Wenn meine Frau anruft und ihr Termin länger dauert, habe ich die Flexibilität, früher zu gehen. Abends, wenn das Kind im Bett ist, setze ich mich oft noch zwei Stunden an den Laptop. Sonntags kümmere ich mich in der Regel um die Buchhaltung. Nur der Samstag ist für mich ein reiner Familientag. Ich erledige den Wocheneinkauf, unternehme etwas mit der Familie oder setze mich auch einfach mal mit einem Buch oder einer Zeitung in ein Café. An meinen sechs Arbeitstagen komme ich auf 50 bis 60 Arbeitsstunden. Früher waren es eher 80 Stunden. Mittlerweile ist das anders. Durch die Familie lernt man zu schätzen, einfach mal in Ruhe Lego zu spielen.


Meine Einnahmen

Bruttoeinkommen: Für die Arbeit als Geschäftsführer bekomme ich ein Bruttogehalt in Höhe von 5.760 Euro pro Monat. Alle weiteren Gewinne, die das Unternehmen erwirtschaftet, bleiben im Unternehmen. Ich ziehe bewusst weniger Geld aus der Firma, als ich könnte, und investiere den Rest oder behalte ihn als Kapitaldecke im Unternehmen. Mir ist wichtig, dass Lieferanten sofort bezahlt werden und nicht sechs Wochen warten müssen. Darüber hinaus hat es den Vorteil, dass meine Firma keine offenen Kredite hat. Investitionen kann ich selbst stemmen und auch meinen Porsche habe ich als Firmenwagen bar bezahlt.


Nettoeinkommen: Zieht man die Kosten für die private Nutzung meines Firmenwagens ab, bleiben mir netto rund 4.247 Euro übrig. Hinzu kommen Steuerrückerstattung, Dividenden und Zuschüsse zur Krankenversicherung. Wenn ich die Zahlen aus dem letzten Jahr heranziehe, habe ich ein geschätztes Monatseinkommen von 5.055 Euro. Mehr Geld brauche ich einfach nicht. Ich könnte mir problemlos 1.000 oder 2.000 Euro mehr auszahlen, aber davon habe ich auch nichts. Ich bin nicht sonderlich konsumorientiert. Ich habe kein Bedürfnis, so viel wie möglich zu verdienen. 


Wie mich die Inflation betrifft: Wenn die Stadtwerke schreiben, dass sie den Abschlag erhöhen, dann ist das so. Dann hefte ich das ab und zahle etwas mehr, egal. Unsere Lebensmittelkosten sind nicht stark gestiegen, weil wir viele Bioprodukte kaufen und deren Preise gefühlt weniger gestiegen sind als die der Produkte im Discounter. Wir haben den Luxus, uns auch während der Inflation nicht einschränken zu müssen. 


Meine Ausgaben

Wohnen: Zusammen mit meiner Frau und meinem Kind wohne ich in einer 81 Quadratmeter großen Eigentumswohnung in Innenstadtnähe. Diese Wohnung ist bewusst nicht größer. Seitdem ich mit meinem Unternehmen mit Anfang 20 fast pleitegegangen wäre, bin ich vorsichtig bei Krediten. Ich sehe in meinem Umfeld, dass selbst Gutverdiener auf ihre Ausgaben achten müssen, weil sie sich ein 280 Quadratmeter großes Haus gekauft haben. Das will ich nicht. Vielleicht ziehen wir auch irgendwann in ein Haus um, dann könnte ich meine Wohnung vermieten. Die Tilgung der Kredite kostet mich 366 Euro im Monat. Die Nebenkosten teile ich mir mit meiner Frau, dabei orientieren wir uns an den Bruttogehältern. Meine Frau ist stellvertretende Geschäftsführerin eines sozialen Trägers. Sie verdient etwas weniger als ich, sodass ich rund 60 Prozent unserer gemeinsamen Kosten übernehme. Da die Wohnung mir gehört, zahle ich die Kredite und die Grundsteuer in Höhe von 15 Euro allein. Darüber hinaus liegt mein Anteil für Strom bei 45 Euro, für Fernwärme, Warmwasser, Hausmeisterkosten und unsere Haushaltshilfe kommen noch einmal 407 Euro dazu. Insgesamt komme ich so auf Ausgaben in Höhe von 833 Euro monatlich.


Lebensmittel: Ich koche gerne und viel. Das letzte Mal im Restaurant waren wir im Urlaub. Auf Reisen lassen wir es gerne krachen und gehen dann für 200 Euro essen. Das ist aber eine Ausnahme. Unser Alltag ist anders: Andere gehen ins Fitnessstudio, um sich zu entspannen. Ich komme nach Hause und fange an zu kochen. Das mache ich auch gerne mit der Familie: Mit dem Kind Nudeln zu machen, ist ein Riesenspaß. Das Kind muss danach in die Wanne und die Küche muss renoviert werden, aber diese Kocherlebnisse finde ich super. An den besagten Familiensamstagen können daraus auch mal drei oder vier Gänge werden. Viele Lebensmittel kaufe ich im Bioladen ein. Das hat seinen Preis, aber die Qualität ist es mir wert. Rund 400 Euro gebe ich allein dafür pro Monat aus. Hinzu kommt hin und wieder eine gute Flasche Wein, so lande ich bei 460 Euro monatlich. 


Hygieneprodukte: Toilettenpapier und Shampoo nehme ich im Supermarkt mit. Hinzu kommen Parfüm, Rasierklingen und Kosten für den Friseur. Das war es eigentlich. Insgesamt belaufen sich meine Ausgaben hierfür auf 42 Euro im Monat. 


Kleidung: Ich muss weder bestimmte Marken haben noch jedem neuen Modetrend hinterherlaufen. Meine Anzüge sind maßgeschneidert. Einer kostet rund 600 Euro, dafür hält er lange. Ich habe eine Vorliebe für Krawatten und Einstecktücher, aber die kosten nicht viel. Außerdem habe ich 20 Hemden, Jeans und T-Shirts, die ich online bestelle. Das war's. Relativ viel gebe ich für Schuhe aus, weil ich viel zu Fuß gehe. Ich bringe meine Lederschuhe und sogar meine Sportschuhe zum Schuster. Drei- bis fünfmal pro Jahr brauche ich neue Sohlen, das kostet dann jedes Mal 50 Euro. Trotzdem ist mir die Nachhaltigkeit wichtig. Insgesamt gebe ich für Kleidung im Monat durchschnittlich 100 Euro aus. 

Telefon und Internet: Für unseren Festnetzanschluss samt Anschluss fürs Kabelfernsehen zahle ich einen Anteil von 38 Euro. Ein privates Handy habe ich nicht, das läuft alles über mein Firmenhandy. 


Abonnements: Wir haben ein Abo bei Netflix und Amazon Prime. Das kostet mich 18 Euro pro Monat. Dazu kommt der Rundfunkbeitrag, mein Anteil beträgt 11,50 Euro. Außerdem beteilige ich mich am ZEIT-Abo meiner Mutter. Sie hat ein Kombiabo aus Print und Digital, ich übernehme die Kosten für das Digitalabo. Das sind noch einmal 36 Euro, sodass ich auf Abokosten in Höhe von 65,50 Euro komme.


Mobilität: Ich habe meinen Porsche als Dienstwagen. Weil der mit seinen zwei Sitzplätzen aber nicht familientauglich ist, habe ich noch einen alten Saab. Dieses Auto wird aber kaum bewegt. Den Saab nutzen wir, wenn wir in den Urlaub fahren oder einen Familienausflug unternehmen. Wenn ich die Kosten für Benzin, Versicherung, Steuer, Werkstatt und Reinigung zusammenzähle, komme ich auf 170 Euro im Monat.


Freizeit: Mitglied bin ich in einem Golfclub. Ich spiele schon ewig, aber schlecht. Der Monatsbeitrag dafür beläuft sich auf 150 Euro. Letztes Jahr war ich bei den Rolling Stones in München und auf anderen Konzerten. Dafür gebe ich im Schnitt 20 Euro monatlich aus. Man könnte für Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke noch einmal 50 Euro dazurechnen. Und für Cafébesuche und sonstigen Kleinkram, den ich mir kaufe, vielleicht noch einmal 100 Euro. So komme ich auf Gesamtausgaben in Höhe von 320 Euro. 


Reisen: Meine Familie besitzt ein Ferienhaus in Süddeutschland. Dort fahren wir meist einmal im Jahr hin, zahlen aber nichts für die Unterkunft. Im vergangenen Sommer waren wir in Österreich, dort hatten wir eine schöne Ferienwohnung gemietet. Sie hat zwar 2.000 Euro die Woche gekostet, aber das war es uns wert. Meine Frau und ich arbeiten viel, dann will ich mich im Urlaub nicht über ein schlechtes Hotel ärgern müssen. Einmal im Jahr machen wir zudem allein Urlaub. Wir genießen es, richtig abzuschalten und uns frei bewegen zu können. Meine Frau fährt meist mit dem Kind zu ihrer Familie. Früher bin ich oft in die USA geflogen und habe es mir gut gehen lassen. Weil ich in diesem Jahr keine passenden Flüge gefunden habe, werde ich stattdessen nach England reisen. Im Monatsdurchschnitt kostet mich das rund 355 Euro.  


Versicherungen: Ich bin privat krankenversichert. Weil ich von Geburt an in der privaten Krankenversicherung war, sind meine Beiträge mit 438 Euro monatlich relativ günstig. Fast alle meine Arztrechnungen zahle ich selbst. Die Beitragsrückerstattung lege ich in Aktien an, um später einmal abzufedern, dass meine Beiträge im Alter steigen. Für Brillengläser, Zahnarztbesuche und Vorsorgen wie den Scan der Muttermale kommen pro Monat noch einmal 38 Euro dazu. Weil meine Frau gesetzlich versichert ist, ich aber mehr verdiene, ist auch mein Kind privatversichert. Die Kosten in Höhe von 177 Euro zahle ich. Als unser Kind auf die Welt kam, haben meine Frau und ich eine Risikolebensversicherung abgeschlossen, damit wir im schlimmsten Fall gut versorgt sind. Eine weitere Risikolebensversicherung gibt es, um die Kredite für die Wohnung abzusichern. Zusammengezählt sind das ungefähr 25 Euro pro Monat. Zudem habe ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die mich monatlich 89 Euro kostet, und eine Hausratversicherung für neun Euro. Insgesamt ergibt das dann Ausgaben in Höhe von 776 Euro. 


Sparen und Investitionen: Weil ich nicht sozialversichert bin, zahle ich den Teil, den ich normalerweise an den Staat zahlen müsste, in entsprechende Vorsorgeprodukte ein. Das sind monatlich rund 532 Euro. Darüber hinaus habe ich eine weitere Lebensversicherung, die als Rentenversicherung gedacht ist, die monatlich 189 Euro kostet. Hinzu kommen ein Bausparvertrag und Rücklagen für die Wohnung. Das sind zusammen noch einmal 450 Euro. Für mein Kind investiere ich monatlich 25 Euro in Aktien. Zusammengerechnet sind das knapp 1.200 Euro.   


Was am Ende übrig bleibt: Wenn ich alle Ausgaben von meinem Einkommen abziehe, bleiben mir pro Monat rund 690 Euro übrig. Dieses Geld geht an eine Vermögensverwaltung und wird größtenteils in Aktien investiert. Der Rest ist schneller verfügbar angelegt. Mit dieser Mischung habe ich etwas mehr als 260.000 Euro auf der hohen Kante. Ein Teil davon ist allerdings zur Absicherung der Darlehen für die Wohnung hinterlegt. Trotzdem bleibt mehr als genug übrig. Wir müssen nicht wirklich aufs Geld schauen. Mir ist bewusst, dass wir dadurch in einer sehr privilegierten Situation leben. Das ist etwas, was ich an mein Kind weitergeben möchte: Unser Lebensstil ist nicht normal. Es sieht zwar, dass sich der Papa abends noch mal hinsetzt und arbeitet, aber die Zusammenhänge möchte ich ihm gerne deutlich machen. Auch ich wurde so erzogen und möchte das gerne weitergeben. 

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