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Zollbeamtin: "Wir finden immer häufiger nicht registrierte Waffen"

In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie in Zeiten hoher Inflation zurücklegen können. Hier berichtet die 45-jährige Carolin Feiersinger*, die in Dortmund beim Zoll arbeitet.

Mein Job

Beruf: Ich arbeite beim Zoll in der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Dort kämpfe ich vor allem gegen die organisierten Formen der illegalen Beschäftigung. Das betrifft besonders den Reinigungssektor, Paketdienste, Schlachthöfe, die Transport- und natürlich die Baubranche. Es kommt durchaus vor, dass ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen eine Baustelle abriegle und dann kontrolliere, ob die Angestellten dort legal beschäftigt sind.

Immer mehr Firmen arbeiten mit Subunternehmern zusammen: Die großen Unternehmen bauen nicht mehr selber, sondern geben einzelne Aufgabenbereiche weiter an andere. Diese Firmen vergeben wieder Aufgaben weiter und am Ende hat niemand mehr den Überblick. Für den Mindestlohn arbeiten dann nur noch wenige und dem Staat entgehen Sozialversicherungsbeiträge. Dagegen arbeiten meine Kollegen und ich an.

Zu großen Teilen besteht meine Aufgabe darin, Akten durchzuarbeiten. Zudem bin ich Teamleiterin, sichte alle reinkommende Fälle, entscheide über deren Verteilung und nehme an Gesprächen mit Staatsanwaltschaften teil. Ungefähr zweimal pro Monat findet eine sogenannte strafprozessuale Maßnahme in einem Unternehmen statt. Die sind lange im Voraus geplant: Wir sammeln Hinweise, beantragen Durchsuchungsbeschlüsse und bereiten alles Notwendige vor. Manchmal gehen wir auch nachts los und durchsuchen mit einem Beschluss zum Beispiel die Wohnung eines Beschuldigten. Dann nehmen wir Geschäftsunterlagen, Handys und Computer mit und werten sie anschließend aus.

Das kann durchaus gefährlich sein, deshalb bin ich Waffenträgerin. Regelmäßig nehme ich zudem an Trainings zur waffenlosen Selbstverteidigung teil. Das ist auch notwendig: Immer häufiger finden wir nicht registrierte Waffen und wenn Beschuldigte einen gewissen Ruf haben, müssen wir entsprechend vorbereitet sein. Bei meinen eigenen Einsätzen ist glücklicherweise noch nichts passiert, aber ein wenig ängstlich fühle ich mich trotzdem immer. Wenn wir fündig werden, übergeben wir unsere Ermittlungsergebnisse an die Staatsanwaltschaft. Dann wird der Beschuldigte vor Gericht gebracht. Dort gebe ich meine Zeugenaussage ab, dann ist die Sache für mich abgeschlossen. Manchmal melden sich auch die Anwälte bei uns und wollen eine außergerichtliche Einigung erreichen. Dann müssen wir hart verhandeln.

Ausbildung: Nach dem Abitur habe ich mich bei der Verwaltung einer größeren deutschen Stadt für die Beamtenlaufbahn beworben und bin genommen worden. Das war eine duale Ausbildung aus Fachhochschulstudium und Praxisteil. Nach drei Jahren war ich fertig und habe anschließend für die Ausländerbehörde gearbeitet. Nach einigen Jahren hat der Zoll neue Mitarbeiter gesucht. Da mir der Außendienst immer Spaß gemacht hat, habe ich mich beworben. Der Wechsel war problemlos möglich: Alles, was ich für die Arbeit beim Zoll wissen musste, habe ich in mehreren Lehrgängen vermittelt bekommen. Beim Zoll bin ich anschließend mit einem festen Partner Streife gefahren, bis ich ein Kind bekommen habe. Dann konnte ich nicht mehr im Schichtdienst arbeiten. Seit gut zehn Jahren habe ich meine jetzige Stelle.

Arbeitszeit: Offiziell habe ich eine etwas reduzierte Arbeitswoche und arbeite von Montag bis Freitag insgesamt 35 Stunden. Länger möchte ich eigentlich nicht arbeiten, um Zeit mit meiner Tochter verbringen zu können. Der tatsächliche Arbeitsaufwand kommt aber an eine Vollzeitstelle heran. Ständig sammeln sich Überstunden an, ich nehme Akten mit nach Hause, um sie am Wochenende zu lesen. Anders komme ich mit meinen Fällen gar nicht zurande. Eigentlich möchte ich das nicht, aber was soll ich machen? Der Zoll hat in der heutigen Arbeitswelt viel zu tun.

Meine Einnahmen

Brutto: Für meine Arbeit beim Zoll bekomme ich ein Bruttogehalt in Höhe von rund 4.840 Euro.

Netto: Netto bleiben davon circa 3.920 Euro übrig. Als Beamtin muss ich aber meine Krankenversicherung selbst bezahlen.

Sonstiges

Als alleinerziehende Mutter bekomme ich 350 Euro an Unterhaltszahlungen. Außerdem bekomme ich noch 250 Euro Kindergeld. Und dann unterstützen uns meine Eltern aktuell mit ziemlich viel Geld, das für meine Tochter gedacht ist. Beide gehen auf die 80 zu und wenn die mal in ein Heim umziehen müssen, gehen alle Ersparnisse schnell drauf. Deshalb geben sie es jetzt schon an uns weiter, weil sie das später vielleicht nicht mehr können. Diese Zahlungen variieren, im Schnitt sind es monatlich circa 200 Euro, schätze ich. So kommen noch einmal 800 Euro an weiteren Einnahmen hinzu, sodass unser Haushaltseinkommen bei rund 4.720 Euro liegt.

Wie mich die Inflation betrifft

Die Antwort auf diese Frage ist mir fast schon ein bisschen peinlich: Ehrlicherweise spüre ich die Inflation kaum. Ich verdiene gut, meine Ausgaben sind im Rahmen. Aus Prinzip habe ich seit Beginn des Ukraine-Kriegs das Thermostat in meiner Wohnung auf 17 Grad eingestellt. Natürlich zahle ich für manche Produkte mehr, aber dadurch muss ich mich nicht einschränken. Wenn ich mich mit manchen Menschen vergleiche, mit denen ich beruflich zu tun habe, habe ich kein Recht, mich zu beklagen.

Meine Ausgaben

Wohnen: Ich wohne in einer 75 Quadratmeter großen Altbauwohnung in einem mittlerweile durchgentrifizierten Viertel. Allerdings bin ich dort eingezogen, bevor diese Entwicklung angefangen hat. Ich wohne direkt unterm Dach: Im Winter ist es kalt, im Sommer wird man langsam gegart. Weil ich schon lange dort lebe, zahle ich eine Kaltmiete von 513 Euro. Das ist eigentlich ein Witz. Hinzu kommen aktuell 190 Euro für Gas und 111 Euro für Strom. So ergeben sich monatliche Gesamtkosten in Höhe von 814 Euro.

Lebensmittel: Es ist schwer zu schätzen, aber ich würde sagen, wir geben im Monat rund 600 Euro für Lebensmittel aus. Mein ehemaliger Dozent für Beamtenrecht hat mal gesagt: "Bei euch Beamten muss es für mindestens eine warme Mahlzeit am Tag reichen!" Und bei mir ist das auch so. Wir kochen fast jeden Abend zu Hause warm. Seitdem ich gesehen habe, wie Tiere in Schlachthöfen gequält werden, ernähre ich mich nur noch vegetarisch. Ich achte auch darauf, gute Produkte zu kaufen, aber das hat seinen Preis. Das war schon vor den Preissteigerungen so, und jetzt umso mehr. Obendrauf würde ich im Monat circa 100 Euro für Restaurantbesuche und Take-away-Essen veranschlagen. Wir haben einen guten Burrito-Laden direkt um die Ecke, da gönnen wir uns einmal die Woche etwas. Insgesamt komme ich so auf 700 Euro monatlich.

Hygieneprodukte/Wellness: Für mein Kind und mich gebe ich etwa 150 Euro im Monat für Hygieneprodukte aus. Rechnet man Friseurbesuche, Shampoo, Deo und Make-up zusammen, kommt man schnell auf eine solche Summe. 

 Kleidung: Hier kaufe ich sehr anlassbezogen ein. Die meisten Kleidungsstücke besorge ich mir gebraucht über eine Secondhandplattform. Ich versuche, vor allem hochwertige Kleidung zu kaufen, dafür aber weniger. Im Winter habe ich einen Damenmantel gekauft, der neu sicherlich mehrere Hundert Euro gekostet hätte. Ich habe ihn für 80 Euro bekommen, obwohl er keine Macken hat. Neu würde ich ihn nicht kaufen, das sprengt dann auch meine Mittel. So lande ich bei 100 Euro pro Monat für Kleidung für uns beide. 

Telefon und Internet: Für Telefon und Internet zahle ich 70 Euro pro Monat. 30 Euro entfallen davon auf den Festnetzanschluss samt Internet. Die restlichen 40 Euro sind Mobilfunkkosten. Ich habe einen Vertrag, meinem Kind lade ich alle paar Monate Geld auf seine Prepaidkarte. 

Abonnements: Ich bekomme die ZEIT in gedruckter Form, das sind circa 25 Euro im Monat. In der Arbeit sitze ich den ganzen Tag vor dem Bildschirm, da freue ich mich, morgens die Zeitung anfassen zu können. Außerdem haben wir zusammen einen Spotify-Account mit zwei Konten, das macht 13 Euro im Monat. Hinzu kommen der Rundfunkbeitrag für rund 18 Euro und die Kosten für meine Büchereikarte, monatlich sind das noch einmal drei Euro. Insgesamt lande ich so bei 59 Euro im Monat.

Transport/Mobilität: Ich besitze ein Auto, das ich vor allem für die Fahrt zur Arbeit, zum Kieferorthopäden oder zum Sport nutze. Wenn man das auf den Monat herunterrechnet, gebe ich für Benzin und Versicherung etwa 100 Euro aus. Alle weiteren Wege lassen sich zu Fuß oder per Fahrrad erledigen und verursachen keine Kosten.

Freizeit: Für mein Kind gebe ich 70 Euro pro Monat für die Mittagsbetreuung aus. Ab nächstem Schuljahr fällt das aber weg, mein Kind geht dort sowieso kaum noch hin. Andere Hobbys sind einfach spannender. Diese Aktivitäten kosten uns jeden Monat 65 Euro. Außerdem entfallen 10 Euro im Monat auf das Taschengeld. Ich selbst gehe zweimal in der Woche zum Bouldern in eine Kletterhalle. Auf den Monat gerechnet kostet mich der Eintritt rund 100 Euro. Außerdem mache ich Kickboxen, dort zahle ich 35 Euro Mitgliedsbeitrag fürs Studio. Neben dem Sport versuche ich regelmäßig ins Theater zu gehen, sodass noch einmal 50 Euro dazu kommen. Zudem habe ich einen Bücherfimmel: Ich lese und besitze gerne Bücher, deshalb kaufe ich regelmäßig neue. 100 Euro im Monat gebe ich dafür sicherlich aus. Insgesamt ergibt das aktuell Kosten in Höhe von 430 Euro.   

Reisen: Ich reise sehr gerne. Mein Herz hängt am Balkan, dort war ich schon in vielen Ländern. Die politische Lage ist zwar brisant, aber die Menschen sind einfach toll. In den Osterferien geht es aber diesmal etwas weiter weg: Mit meinem Kind bin ich zwei Wochen in Jordanien. Dort machen wir eine Wandergruppenreise: Eine Woche sind wir im Land unterwegs und eine Woche mit dem Zelt in der Wüste. Weil ich im Beruf viel Verantwortung trage und auch im Alltag als alleinerziehende Mutter, gebe ich im Urlaub gerne die Verantwortung ab. Deshalb liegen mir diese Gruppenreisen, weil ich nichts organisieren muss. Dadurch ist dieser Urlaub aber auch teurer als unsere sonstigen Reisen. Für uns beide zusammen kostet er 5.000 Euro. Sonst ist es eher die Hälfte gewesen. Heruntergebrochen auf den Monat sind das rund 415 Euro.

Versicherungen: Als Beamtin bin ich privat krankenversichert. Dafür zahle ich ziemlich genau 400 Euro im Monat, mein Kind ist dabei schon mitversichert. Außerdem habe ich einen Kombitarif aus Hausrat- und Haftpflichtversicherung, für den ich monatlich 30 Euro zahle. Zusätzlich habe ich noch eine sehr alte Lebensversicherung, die mich 80 Euro kostet. So komme ich auf 510 Euro monatlich.

Sparen und Investitionen: Ich habe einen Riester-Vertrag, den ich aber auf ruhend gestellt habe. Aktuell investiere ich 100 Euro pro Monat in einen ETF-Sparplan. Außerdem bekomme ich vermögenswirksame Leistungen, die ich aus eigener Tasche um 40 Euro aufstocke, aufsummiert sind das also 140 Euro. Dieses Geld geht in einen Aktienfonds. Als Beamtin bekomme ich später meine Pension, aber man weiß nie, wie sicher das alles ist.

Wertschätzung/Spenden: Bei einer Organisation habe ich die Patenschaft für ein Kind übernommen. Dafür zahle ich monatlich 28 Euro. Zudem spende ich jeden Monat 30 Euro an die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" und unregelmäßig an den afghanischen Frauenverein. Letztes Jahr waren das 500 Euro. In diesem Jahr habe ich mich für die Erdbebenhilfe in der Türkei und Syrien entschieden und 300 Euro überwiesen. Insgesamt sind das also noch einmal rund 90 Euro pro Monat, die ich spende. 

Was am Ende übrig bleibt

Am Monatsende bleiben mir aktuell mehr als 1.000 übrig. Das ist eine Menge, das ist mir bewusst. Ich habe wirklich Dusel gehabt, das geht vielen anderen Menschen nicht so. Dass alle Kinder die gleichen Chancen haben, stimmt überhaupt nicht. Ich kann meinem Kind ganz andere Möglichkeiten bieten als jemand, der beispielsweise neun Stunden am Tag Haltestellen putzt oder Pakete ausfährt. Diese Menschen gehen nicht abends ins Kindertheater, die sind dann platt. Dieses Bewusstsein versuche ich auch an mein Kind weiterzugeben. 

Das übrige Geld geht auf ein zweites Konto, von dem ich größere Ausgaben zahlen kann. Bis vor Kurzem lagen dort 7.000 Euro, jetzt habe ich den Jordanien-Urlaub gezahlt, sodass diese Summe deutlich geschrumpft ist. Ich möchte aber, dass es wieder mehr wird. Das Ersparte gibt mir ein beruhigendes Gefühl.

*Der Name der Protagonistin wurde geändert, ist der Redaktion aber bekannt.

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