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Remote arbeiten: "Auf Teneriffa muss ich nicht heizen"

Heizen ist in diesem Winter richtig teuer. Um den hohen Kosten zu entfliehen, locken einige Reiseveranstalter Menschen mit speziellen Angeboten, nach dem Motto: dort arbeiten, wo man keine Heizung braucht. Workation nennt sich das - und hat noch weitere Vorteile. Auch Gisa Göldner, Philipp Alexander und Linda Bauer* arbeiten vom Ausland aus.


"Ich habe in einer Co-Living-Villa mit Pool gelebt"

Philipp Alexander, 46 Jahre, Onlinemarketing-Manager aus Hamburg, lebte von Oktober bis November auf Teneriffa.

Ich arbeite im Onlinemarketing. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die richtigen Menschen auf unsere Website kommen und sich dort über Baufinanzierungen beraten lassen. Ich optimiere also ständig unsere Seite und unseren Auftritt in den Suchmaschinen, dadurch hat meine Arbeit kein Ende.

Mein Unternehmen hatte schon immer eine Homeoffice-Kultur, deshalb war zu Beginn der Pandemie schnell klar, dass wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause bleiben sollen, wann immer es geht. Um doch ins Büro zu gehen, musste man sich testen lassen. Ich habe das selten gemacht und bei meinen Kolleginnen und Kollegen war es scheinbar ähnlich, weil das Büro so leer war. Es war fast etwas geisterhaft, wenn du in einem Riesengebäude bist und kaum jemand ist da.

Es wurde ohne den direkten Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen etwas einsamer, trotzdem kam ich gut im Homeoffice zurecht. Ich lebe in einem Haus mit Garten, konnte im Sommer also auch draußen arbeiten. Doch im wird es in Hamburg schnell dunkel. Jetzt im Herbst hat mir davor ein wenig gegraut. Deshalb habe ich in einer ziemlich spontanen Aktion nach Flügen und Unterkünften gesucht und auch gleich gebucht.

Ich wollte an einen Ort reisen, der nicht so teuer ist und wo ich Spanisch sprechen kann. So kam ich auf Teneriffa. Die Insel kannte ich schon von einem vorherigen Besuch. Sie gefiel mir gut, tolle Natur und eine sehr angenehme Art zu leben. Mein Plan war, einen Monat insgesamt weg zu sein, davon zwei Wochen zu arbeiten und zwei zu reisen. Dazu habe ich bei Google Maps nur "Co-" eingeben müssen, dann sieht man, wie groß das Angebot an Co-Working und Co-Living auf der Insel ist. Das scheint hier ein ganz eigener Wirtschaftszweig zu sein.

Gelebt habe ich in einer Co-Living-Villa mit Pool und vier anderen Personen, die meisten bleiben für einige Wochen. Diese Unterkunft hatte gute Bewertungen und schöne Fotos, das hat mich überzeugt. Und es war auch wirklich so toll wie beschrieben. Das Haus ist wie ein großes Schullandheim, meine Mitbewohner und ich haben viel zusammen unternommen: Unser Gastgeber organisierte Improvisationstheater, Grillabende, Brunch und Ausflüge für uns. Wenn etwas Spannendes anstand, habe ich früher Feierabend gemacht. Es sollte ja eben nicht nur Arbeit, sondern auch Urlaub sein.

Wir hatten alle unser eigenes Zimmer, zusätzlich gab es Gemeinschaftsräume und auch Arbeitsplätze mit Steckdose und gutem Licht. Durch die anderen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner wurde ich ans Arbeiten erinnert, es ist keine reine Freizeitanlage. Außerdem motivierte mich der Meerblick zusätzlich.

Einfach am Strand arbeiten könnte ich allerdings nicht. Da würde ich nur auf die Wellen schauen und mich ablenken lassen, ich brauche diese Arbeitsatmosphäre. Stattdessen saß ich in T-Shirt und Shorts in der Villa am Schreibtisch, dafür war es auch im November warm genug.

Meinem Arbeitgeber habe ich diesen Ausflug übrigens nicht groß angekündigt. Zwei Kollegen waren auch schon auf Workation, das hat immer gut geklappt. Da kam nur ein "Glückwunsch" zurück. Es ist ja sowieso fast niemand im Büro, dann ist der Arbeitsort auch egal. Einzige Einschränkung meines Arbeitgebers ist: So ein Auslandsaufenthalt sollte maximal zwei Monate lang sein. Und der Aufenthalt sollte im europäischen Ausland sein. Das hat steuerliche Gründe, weil der Ort sonst als Niederlassung gelten würde.

Insgesamt habe ich in dem Monat definitiv weniger gearbeitet als zu Hause. Das muss ich schon ehrlich zugeben. Ich bin ein ziemliches Gewohnheitstier, wenn der zweite Bildschirm plötzlich links statt rechts steht oder ich keine externe Tastatur habe, fällt mir das sofort auf. Es irritiert mich, ich bin dann nicht so produktiv. Weil ich in den letzten Jahren mehr als üblich geleistet habe, war es für mich auch in Ordnung, mal etwas weniger zu arbeiten.

Finanziell musste ich für die vier Wochen mehr ausgeben, als ich es in Hamburg getan hätte. Das Haus dort kostete ja noch weiter. Es unterzuvermieten hat auch wenig Sinn gemacht für die paar Wochen. Für mein Zimmer auf Teneriffa, den Flug und Verpflegung, zahlte ich zusätzlich rund 1.600 Euro. Das ist quasi eine zweite Miete. Dafür musste ich auf der Insel nicht heizen.

Mittlerweile bin ich wieder zurück in Hamburg. Ich freue mich, dass ich diese Erfahrung gemacht habe. Allerdings könnte ich mir nicht vorstellen, mehrere Monate zu bleiben. Das würde ich nur wollen, wenn ich statt in einem Co-Living in einer spanischen WG wohnen würde. Dann hätte ich mehr Kontakt mit den Menschen vor Ort, wir waren dort in einer Art Parallelgesellschaft. Fast alle meiner Mitbewohner dort sprachen Deutsch oder wir unterhielten uns auf Englisch. Manchmal hat es sich etwas unwirklich angefühlt, wie in einer Blase.

"Nur die Zeitverschiebung sollte nicht zu groß sein"

Gisa Göldner, 49, Beraterin und Coachin für Zeitmanagement und Workation aus Bonn, arbeitet diesen Winter in der Nähe von Kapstadt


Kurz vor der Pandemie habe ich mich selbstständig gemacht, seitdem gebe ich Workshops und Seminare zum Thema Zeitmanagement. Vorher war ich rund zwanzig Jahre Salesmanagerin in mehreren Konzernen. Für internationale Kundinnen und Kunden habe ich strategische Entscheidungen getroffen und bin dadurch schon immer viel gereist. Ich habe es geliebt. In einem Sabbatjahr entschied ich mich, mich selbstständig zu machen – aber ich wollte weiterhin viel reisen.

Meine ersten Erfahrungen mit Workation habe ich vor zwei Jahren an der Nordsee und auf der Kanareninsel La Gomera gemacht. Da war ich jeweils ein paar Wochen, um dem Pandemiealltag in meiner Heimatstadt zu entfliehen. Ich verstehe unter Workation, an einem anderen Ort meine Freizeit mit meiner Arbeit zu kombinieren. Für mich ist es sehr veraltet, wenn man Urlaub und Arbeit trennt. Wenn man beides miteinander verknüpft, entspannt man sich, bekommt neue Impulse und ist kreativer. Alles zusammen. Mein Mann arbeitet in derselben Branche wie ich, er kann also auch viel unterwegs arbeiten. 

Für eine Workation waren er und ich im Jahr 2021 in Südafrika, das war perfekt für uns: Es gab kaum Zeitverschiebung, während in Deutschland Winter war, hatten wir Sommer und die Heizkosten konnten wir auch noch sparen. Da besonders der letzte Punkt jetzt noch relevanter geworden ist, sind wir Anfang November noch einmal dorthin geflogen – wieder für drei Monate. Das Touristenvisum gilt für 90 Tage. Im Frühjahr möchten wir auf die Kanaren weiterziehen.

Im Moment wohnen wir in einem gemieteten Haus in der Nähe von Kapstadt. Flug und Unterkunft haben wir online gesucht und gefunden. Mal nutzen wir dafür Airbnb, mal Booking.com und manchmal hilft auch ein lokaler Anbieter weiter. Dort gibt es manchmal bessere Angebote als auf anderen Seiten. Wenn wir buchen, achten wir besonders auf eine stabile Internetverbindung. Wir lassen uns dann auch die Downloadgeschwindigkeit als Nachweis zu schicken. Als Back-up haben wir lokale SIM-Karten, um im Notfall einen Hotspot mit dem Smartphone aufzubauen. In einem Co-Working-Space waren wir bisher noch nicht.

Für das Haus in Südafrika zahlen wir ungefähr 1.600 Euro monatlich – das liegt eher im unteren Bereich. Hinzu kommen die Kosten für Flug und Lebensmittel. Aber wir verdienen ja auch während der Workation Geld, zusätzlich haben wir unsere Wohnung in Bonn untervermietet. Die Mieter zahlen uns dafür einen Pauschalbetrag. Sollten die Energiekosten weiter steigen, müssen wir ihn anpassen. Insgesamt haben wir mit den Untermietern sehr gute Erfahrungen gemacht. Private Dinge kommen auf den Dachboden, dann habe ich kein Problem, fremde Menschen in meine Wohnung zu lassen. Und insgesamt kommen wir so in etwa bei null raus, was die Kosten anbelangt.

Mit meinen Kundinnen und Kunden arbeite ich größtenteils digital. Die Workshops und Seminare sind fast ausschließlich online, anders kenne ich das gar nicht. Perfekt wäre für mich zwar ein Mix, denn bei der Videoarbeit ist das Zwischenmenschliche und der Small Talk reduziert, aber sie bietet natürlich auch Vorteile.

Dass ich vom Ausland aus arbeite, verheimliche ich meinen Kundinnen und Kunden nicht. Solange die Zeitverschiebung klein ist, fällt es kaum auf. Ich habe auch schon über eine Reise nach Australien nachgedacht, dann müsste ich meine Coachings am Nachmittag oder Abend geben. Das ginge sicher auch, ich müsste mich nur gut mit den Kundinnen und Kunden abstimmen. 

Unsere Freunde und Familie haben unsere Workationpläne unterstützt. Sie sind es mittlerweile gewöhnt, wir sind ja zwischen drei und fünf Monate im Jahr unterwegs. Dieses Jahr waren wir auch über Weihnachten im Ausland, das war kein Problem, die Feiertage sind für uns keine große Familienangelegenheit mehr.

Unser Lebensstil macht es sicherlich nicht einfach, traditionelle Freundschaften zu pflegen – er verändert sie. Aber auch wenn man sich nicht jede Woche persönlich treffen kann, halten wir per Telefon und Laptop Kontakt. Manchmal musste ich erklären, dass die Zeitverschiebung gar nicht so groß ist. Zwischen Südafrika und Deutschland beträgt sie nur eine Stunde. Es ist also möglich, zu einer ähnlichen Zeit zu telefonieren, auch wenn ich dann Strandwetter habe und es in Deutschland Winter ist. Mit manchen Freundinnen telefoniere ich mehrmals in der Woche.

Was mir wichtig ist: Dass wir auch was von dem Land sehen, wenn wir dort sind. Wir haben deshalb innerhalb unserer Reisen Zeiten nur zum Urlauben eingeplant, an denen wir nicht arbeiten. Den Kopf freibekommen und abschalten ist immens wichtig für die eigenen Kraftreserven. Doch ständig an immer andere Orte zu reisen, wäre nichts für mich. Nur wenn man an einem Ort bleibt, lernt man neue Leute richtig kennen. Gerade in Südafrika sind die Menschen sehr kommunikativ und offen, da klappt das gut. In Asien ist das unter Umständen anders, da fällt es mir schwerer, in Kontakt mit Einheimischen zu kommen. Solche Aspekte berücksichtigen wir durchaus, wenn wir ein neues Reiseland suchen. Will ich eher Anschluss an andere oder meine Ruhe haben? 


"Man arbeitet bei Sonnenschein viel entspannter"

Linda Bauer*, 33 Jahre, Human-Resources- und Recruitment-Spezialistin aus Hamburg, arbeitet in diesem Winter auf Teneriffa. 

Meine Firma ist darauf spezialisiert, Fachkräfte im Digitalbereich zu vermitteln. Ich betreue mehrere Unternehmen und helfe ihnen dabei, die richtigen Kandidatinnen und Kandidaten für ausgeschriebene Stellen zu finden.

Während der Pandemie habe ich fast ausschließlich von zu Hause aus gearbeitet. Jetzt würde ich es eher als hybrides Arbeiten beschreiben. Wir haben ein schönes Büro in Hamburg, das ich weiterhin nutze. Die Arbeit aus dem Homeoffice bietet viel Positives, trotzdem fehlt mir mein Team, sodass ich zwei Tage die Woche im Büro bin. Das ist aber jedem von uns selbst überlassen, wir haben hundertprozentige Flexibilität. Deshalb hatte ich die Idee, Workation zu machen. Ich finde, man ist viel gelöster und entspannter, wenn man in der Sonne ist. Im Vergleich zu Hamburg, wo das Wetter in den Wintermonaten oft eher gedrückt ist, bin ich an anderen Orten viel motivierter, um morgens aufzustehen.

Vor Kurzem war ich im Urlaub auf Teneriffa und der ging viel zu schnell vorbei. Ich wollte nicht Ende September zurück nach Hamburg in den Regen kommen und die nächsten sechs Monate dort bleiben. Außerdem habe ich mich gefragt: Warum soll ich in Deutschland die hohen Energiekosten zahlen und trotzdem in der Kälte arbeiten, wenn es Alternativen gibt? Dieses Geld kann ich auch in einen Flug und eine Unterkunft in der Sonne investieren. Das wird meine Workationkosten nicht ausgleichen, aber sie zumindest etwas drücken.

Aus diesen Gründen habe ich mich dazu entschlossen, noch einmal nach Teneriffa zurückzufliegen und ein paar Wochen dort zu leben und zu arbeiten. Ich wollte mit einem flexiblen Rückflugticket reisen und so lange bleiben, wie es mir gefällt.

Bevor man so etwas startet, sollte man sich aber fragen: Will ich alleine sein oder die Zeit mit einer Gruppe verbringen? Manche Reiseunternehmen bieten eine gemeinsame Unterkunft mit Arbeitsräumen an. Das schafft sicherlich mehr Gruppengefühl. Ich habe mich dafür entschieden, eine Wohnung nur für mich zu buchen. Das hatte zwei Hauptgründe: Einmal wollte ich erleben, wie es ist, alleine irgendwo hinzufahren. Und zum anderen verbringe ich achtzig Prozent meiner Arbeitszeit am Telefon oder in Videocalls. Das hätte andere in einem Gemeinschaftsbüro wahrscheinlich gestört. Außerdem kommuniziere ich tagsüber beruflich so viel, dass ich abends froh bin über etwas Ruhe.

Es ist aber auch für niemanden ein Problem, dass ich im Ausland arbeite, denke ich. Im Gegenteil, viele Kolleginnen und Kollegen haben sich gefragt, warum sie das nicht schon selbst gemacht haben. Auch meine Vorgesetzte hat schon einmal darüber nachgedacht. Mein privates Umfeld hat ganz ähnlich reagiert. Viele meiner Freundinnen und Freunde wohnen weiter weg. Deshalb treffen wir uns auch jetzt nicht jede Woche persönlich, stattdessen machen wir ab und zu einen digitalen Kinoabend mit einem Glas Rotwein. Auch meine Familie fand die Idee gut.

Den Flug buchte ich selbst, im November ging es los. Die Wohnung fand ich bei Airbnb, sie liegt direkt am Strand. Meine Wohnung in Hamburg steht nun erst mal leer. Ich bin kein großer Fan davon, Wohnungen an andere zu vermieten. Ich möchte keine Menschen in meinen Privaträumen unterbringen. Weil das keine Option für mich ist, muss ich mit dem finanziellen Nachteil leben. Flug und Unterkunft sind nicht ganz billig, für die erste Zeit zahle ich gut 1.000 Euro. Aber diesen Luxus gönne ich mir einfach. Dafür sind die Lebenshaltungskosten auf den Kanaren günstiger als in Deutschland. Wenn man nicht am Strand einkauft, sondern auf lokale Märkte geht, holt man etwas Geld wieder rein und bekommt mehr von der Kultur mit.

Auch wenn ich ein strukturierter Mensch bin und viel vorgeplant habe, wusste ich natürlich trotzdem nicht, wie genau meine Workation ablaufen wird. Doch ich war positiv überrascht. Die Kombination aus Arbeit und Urlaub hat für mich super funktioniert. Ein Grund war die Zeitverschiebung: Das ist zwar nur eine Stunde, aber ich konnte mit meinem Team in Deutschland morgens um 6.30 Uhr oder um 7 Uhr kanarischer Zeit starten und hatte dafür um 16 Uhr Feierabend. An vielen Nachmittagen konnte ich deshalb einfach entspannen.

Das Highlight meines Arbeitstages war zudem die Mittagspause: Laptop zu und eine ganze Stunde an den Pool zum Sonnenbaden. Ich arbeite sehr diszipliniert und meine Projekte mussten ja weiter vorangetrieben werden, auch wenn ich nicht im Büro war. Deshalb war die Zeit in der Sonne meine Belohnung. Weil ich mich aber gut an meine Pläne gehalten habe, hatte ich während der Workation sogar eine Viertagewoche und konnte meine Überstunden an den Freitagen abbummeln.

Weil das alles so gut geklappt hat, bin ich länger geblieben. Ursprünglich hatte ich die Workation eher als Testlauf gedacht, der nur zwei Wochen dauern sollte. Am Ende bin ich erst im Dezember zurückgekommen und habe vor, im neuen Jahr noch einmal eine Workation zu machen. Im Herbst soll es losgehen. Aktuell überlege ich, wo es hingehen soll. Die Inseln La Palma und Lanzarote sind am wahrscheinlichsten.

*Der Name der Protagonistin wurde geändert, da sie berufliche Nachteile fürchtet.

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