In der Serie Kontoauszug stellen wir Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet der 42-jährige Kilian Jacobs*, der als Flugbegleiter arbeitet.
Beruf: Ich arbeite als Purser für eine große deutsche Airline - man kann es auch Flugbegleiter mit Leitungsfunktion nennen. Ich bin zu etwa gleichen Teilen auf der Lang- und auf der Kurzstrecke unterwegs. Auf Letzterer geht es morgens zum Beispiel von Frankfurt nach Paris, wieder zurück und dann nach London. Wenn einen der Dienstplan nicht wieder nach Hause schickt, bleibt man manchmal eine Nacht dort im Hotel. Üblicherweise stehen drei bis fünf solcher Kurzstreckenflüge an einem Tag an.
Die Crew wird bei jedem Flug neu gemischt - es sollen sich keine Routinen ergeben, die auf Kosten der Sicherheit gehen könnten. Als Purser bin ich auf der Kurzstrecke der Kabinenchef und habe die Verantwortung. Zusammen überprüft die Crew die Ladung, wir machen Sicherheitschecks und bereiten von der Verpflegung über Malstifte für Kinder bis zur Spucktüte alles vor. Dann kommen die Gäste: Wir verstauen das Gepäck, geben eine Sicherheitseinweisung und machen den Service. Nach der Landung geht das Ganze für den nächsten Flug von vorne los.
Auf der Langstrecke läuft es anders: Etwa zwei Stunden vor dem Abflug gibt es die erste Lagebesprechung mit der ganzen Crew, das sind je nach Flugzeuggröße und Anzahl der Passagiere zehn bis 18 Leute. Dann treffe ich mich mit der Senior-Kabinenchefin oder dem Senior-Kabinenchef, auf der Langstrecke bin ich der Stellvertreter. Wir besprechen, was wann zu machen ist und verteilen die Aufgaben: Die meisten von uns bevorzugen die direkte Arbeit mit den Gästen im Kabinenteil, aber auch die Küche muss jemand übernehmen - beides braucht Vorbereitung, zum Beispiel den Servierwagen ausstatten und die Kabine nach Gegenständen absuchen, die dort nicht hingehören. Dann gibt es wieder einen Sicherheitscheck, danach kommen die Gäste. Auf der Langstrecke vergehen bis zu drei Stunden, bis wir allen etwas zu essen und zu trinken angeboten haben. Für uns selbst bleibt meist nur Zeit für einen schnellen Snack zwischendurch. Gesund geht anders, aber an Bord gehen die Gäste vor. Nach der Betreuung der Passagiere haben wir meist eine Pause von ein bis zwei Stunden, dann darf sich der eine Teil der Crew erholen, bevor wir wechseln. Unsere Ruheräume sehen aus wie in einem U-Boot: kleine Betten an den Seiten, in denen man für ein paar Minuten schlafen kann. Das ist auch nötig, je nachdem wohin es geht. Buenos Aires ist unser längster Flug, das sind über 13 Flugstunden. Dafür sind dann auch die Aufenthalte zwischen den Flügen länger: Von Anreise bis zur Abreise sind das je nach Entfernung manchmal 48 Stunden, da kann man richtig was unternehmen und sich ein paar Sehenswürdigkeiten anschauen.
Der Service macht mir am meisten Spaß, ich genieße es, Gastgeber zu sein. Die Klassiker aus Filmen, also Geburten in der Luft oder sogar Notlandungen auf dem Wasser, kommen extrem selten vor. Ich habe das noch nie erlebt. Häufiger haben wir es mit betrunkenen oder zugedröhnten Gästen zu tun: Ein wohl unter Drogen stehender Passagier versuchte einmal, während des Flugs ins Cockpit einzudringen - das ist ihm aber nicht geglückt. Wir haben ihn fesseln können und der Polizei überstellt. Was die Passagiere oft vergessen: In erster Linie ist die Crew für die Sicherheit an Bord zuständig. Es gibt Grenzen, die nicht übertreten werden dürfen, Beleidigungen gegenüber anderen Gästen und der Crew zum Beispiel, oder auch das Rauchverbot in der Kabine. Diskussionen gibt es zwar selten, aber immer wieder - mit der Maskenpflicht wurde das gewiss nicht weniger.
Trotzdem gefällt mir der Job bis heute. Es ist immer wieder toll, ein paar Stunden zu fliegen und dann an einem ganz anderen Ort auf der Welt zu landen. Ich habe Städte und Gegenden bereist, die andere Menschen wahrscheinlich nie sehen, Almaty in Kasachstan zum Beispiel oder Luanda in Angola. Der schönste Ort auf der Welt ist für mich Johannesburg.
Ausbildung: Ich habe mal Jura studiert, weil mich Arbeitsrecht sehr interessiert hat. Ich habe sogar ein Referendariat gemacht, aber nach dem zweiten Staatsexamen brauchte ich eine Pause und bin ein halbes Jahr durch Australien gereist. Danach war mir klar, dass ich nicht mein ganzes Leben am Schreibtisch verbringen will. Zu dieser Zeit, ich war Ende 20, habe ich den Tipp bekommen, es mit dem Fliegen zu probieren - vor allem, um was zu erleben und Zeit zu haben, mich neu zu orientieren. Ich habe mich bei meinem heutigen Arbeitgeber beworben, wurde genommen und habe eine achtwöchige Ausbildung mit Serviceschulungen und Notfallübungen durchlaufen. Dann bin ich wie so viele in meiner Branche nicht mehr davon losgekommen. Meine Kolleginnen und Kollegen kommen oft aus den verschiedensten Berufen: In einer Crew ist von der Krankenschwester über den Architekten bis zum Pfarrer alles dabei. Nach ein paar Jahren bin ich zum Purser aufgestiegen, insgesamt bin ich seit mehr als zehn Jahren dabei. Seitdem habe ich gemerkt, wie sich der Beruf verändert hat: Die Bestuhlung in den Flugzeugen wird immer enger, es fliegen immer mehr Menschen, so kommt es zu mehr Konflikten. Trotzdem macht mir mein Beruf weiter großen Spaß. Die Juristerei habe ich nie vermisst. Das Fliegen macht mich einfach glücklicher - auch wenn in damit vielleicht weniger verdiene."
"Nur wenn sich das Flugzeug bewegt, werde ich bezahlt." Kilian Jacobs, PurserArbeitszeit: Ein typischer Monat sieht so aus: Ich habe insgesamt zehn komplette Tage frei, alle anderen bin ich unterwegs, dabei kommen vielleicht 80 reine Flugstunden zusammen. Bei uns zählt allein die Flugzeit: Nur wenn sich das Flugzeug bewegt, werde ich bezahlt. Wenn die Leute ein- oder aussteigen oder wir zum Flugzeug gefahren werden, bekommen wir keine Flugstunden angerechnet. Wenn wir morgens im Hotel losfahren und zwölf oder vierzehn Stunden später woanders einchecken, war das Flugzeug möglicherweise trotzdem nur sechs Stunden lang in Bewegung - dann bekomme ich für einen vierzehnstündigen Arbeitstag nur sechs Stunden bezahlt. Fair ist das nicht gerade, aber historisch so gewachsen. Wir finden uns damit ab.
Brutto: Während der Pandemie ist mein Bruttojahresgehalt um fast 10.000 Euro gesunken - von rund 49.000 Euro im Jahr 2019 auf etwa 40.000 Euro im vergangenen Jahr. Davon waren 32.000 Euro Kurzarbeitergeld. Wie viele andere Kolleginnen und Kollegen wurde ich während der Pandemie weniger eingesetzt - es waren ja deutlich weniger Flugzeuge in der Luft. Manche von uns saßen zwei Jahre lang zu Hause. Ich hatte zumindest das Glück, weiter arbeiten zu können, wenn auch mit weniger Stunden. Ohne die pandemiebedingten Einschränkungen verdiene ich auf meiner Position jetzt wieder rund 4.250 Euro brutto im Monat, damit sind es im Jahr mittlerweile etwas mehr als 50.000 Euro. Es schwankt immer etwas, je nachdem wie viele Überstunden wir fliegen.
Netto: Wenn man einen groben Durchschnitt der Monate heranzieht, lande ich jetzt wieder zwischen 2.500 und 2.600 Euro netto. Das ist allerdings ohne Spesen gerechnet, die ich zum Beispiel für Verpflegung bekomme - sie schwanken zwischen 100 und maximal 450 Euro im Monat. Mein Nettogesamtverdienst liegt deshalb im Schnitt bei rund 2.900 Euro monatlich.
Weiteres: Von meinen Großeltern habe ich einen größeren Betrag geerbt und damit in Aktien und ETFs investiert. Als Dividende bekomme ich so etwa 1.000 Euro im Jahr zusätzlich ausgezahlt.
Meine Ausgaben
Wohnen: Ich lebe in einer Partnerschaft, wir teilen alle gemeinsamen Ausgaben. Wir verdienen in etwa gleich viel, deshalb kommt das für uns gut hin. Die Miete für unsere Wohnung in der Stadt übernehmen wir zusammen. Wir wohnen hier schon sehr lange und zahlen 750 Euro warm, dazu kommt ein kleines Büro für 450 Euro, damit haben wir also insgesamt Mietkosten in Höhe von 1.200 Euro. Hinzu kommen 60 Euro für Gas und noch einmal so viel für Strom. Zusammen sind es also 1.320 Euro, von denen ich 660 Euro zahle.
Mobilität: Mein Arbeitgeber zahlt mir ein Jobticket für den öffentlichen Nahverkehr. Trotzdem haben wir ein kleines altes Auto, das wir aber nur selten nutzen. Das ist vor allem mein persönlicher Luxus, weil ich dann um halb fünf Uhr morgens schneller zum Flughafen komme oder nach einem 13-Stunden-Flug nicht dicht gedrängt in der S-Bahn fahren muss. Pro Jahr zahlen wir 300 Euro für die Autokaskoversicherung. Zusammen mit regelmäßigen Check-ups und gelegentlichen Ersatzteilen schätze ich die jährlichen Kosten auf etwa 1.200 Euro. Dazu kommen noch Gebühren fürs Carsharing, das kostet uns etwa 40 Euro monatlich, wenn wir mal spontan wegfahren. Alles in allem sind es monatlich 140 Euro, von denen ich 70 Euro übernehme.
Lebensmittel: Wenn ich arbeite, esse ich zu oft weder gesund noch regelmäßig. Das ist ein großes Problem in meinem Beruf: Zeitdruck, wechselnde Zeitzonen, Müdigkeit – das macht das Essen schwierig. Wenn ich zu Hause bin, achte ich deshalb besonders auf gute Lebensmittel. Ich kaufe oft vegetarische Biolebensmittel ein und auf dem Wochenmarkt regionale Sachen. Rechnet man das für uns beide zusammen, kommen wir monatlich auf etwa 500 Euro. Wir gönnen uns aber auch gerne mal ein Mittagessen, das wir uns holen, und gehen einmal pro Woche abends essen. So dürften für Lebensmittel insgesamt 900 Euro im Monat zusammenkommen, also 450 Euro für mich.
Handy/Internet: Wir haben einen günstigen Handyvertrag. Für zwei Personen zahlen wir 30 Euro im Monat. Ich habe einen Zusatzvertrag für 20 Euro, der das Telefonieren im nicht-europäischen Ausland günstiger macht. Hinzu kommt unser Internet für zu Hause, das sind noch einmal 25 Euro. Gesamtkosten: 75 Euro, davon zahle ich rund 38 Euro.
Körperpflege: Alle vier Wochen gehe ich zum Friseur, dafür gebe ich 25 Euro aus. Im Drogeriemarkt hole ich keine teuren Parfüms oder Cremes, sondern kaufe meist Standardprodukte. Selbst wenn man den Friseur miteinrechnet, gebe ich nicht mehr als 50 Euro monatlich aus.
Kleidung: Ich schätze, ich zahle maximal 300 Euro im Jahr für Kleidung. Ein paar T-Shirts, mal neue Schuhe – mehr ist das bei mir nicht. Ich habe zudem den Vorteil, dass ich meine private Kleidung nicht beruflich nutze: Es gibt ein Firmenkonto, von dem ich meine Uniform gelegentlich erneuern und neue Hemden kaufen kann. So bleibt es bei 25 Euro, die ich monatlich für Kleidung ausgebe.
Freizeit: Ich bin großer Kinofan, zwei- bis dreimal pro Monat findet man mich dort. Von Marvel über Science-Fiction und James Bond bis zu guten Arthousefilmen ist alles dabei. Das kostet mich etwa 50 Euro. Zu Hause haben wir einen Apple-One-Account, für den ich 30 Euro im Monat zahle. Außerdem haben wir Netflix und Disney+ für zusammen 25 Euro monatlich, das zahle ich zur Hälfte. Auch für Videospiele geben wir Geld aus, zum Beispiel für unsere Playstation. Aber das hält sich in Grenzen: Mehr als 10 Euro pro Monat kostet das nicht, ich kann mich mit einem Spiel lange beschäftigten. Hinzu kommen ein paar Konzerte im Jahr, das sind durchschnittlich 20 Euro pro Monat. DIE ZEIT habe ich als Print- und Onlineausgabe abonniert, das sind circa 30 Euro im Monat. 20 Euro pro Monat gebe ich für Bücher aus, meistens Sachbücher zu politischen und gesellschaftskritischen Themen. Mein letztes war Kleinste gemeinsame Wirklichkeit von Mai Nguyen-Kim. Rechne ich das alles zusammen, komme ich auf Ausgaben von etwa 160 Euro monatlich. Was mich nichts kostet, aber auch Freizeit ist: Ich gehe einmal im Monat ins Repair-Café, um Sachen zu reparieren, zum Beispiel Fahrräder oder kaputte Controller für eine Spielekonsole. Dieses Getüftel macht mir einfach Spaß.
Reisen: Auch privat reise ich viel: Eine bis zwei Fernreisen im Jahr sind normal. Auch wenn ich günstiger fliege, ist das natürlich teuer. Für ein Stand-by-Ticket zahle etwa 50 Prozent des normalen Ticketpreises, aber die Gebühren zahlen wir wie alle anderen Passagiere und für den Rabatt fallen Steuern an. Selbst Fluggast zu sein ist interessant – ich bin ein dankbarer, zurückhaltender, aber auch kritischer Passagier. Manchmal schaue ich mir auch ab, was andere Kolleginnen und Kollegen super managen oder wie sie Probleme mit Passagieren lösen. Meistens bringt man eine Kleinigkeit für die Crew mit, Schokolade oder Gummibärchen, als Dankeschön.
Innerhalb Deutschlands nutze ich aber fast immer die Bahn, auch nach Paris und Amsterdam klappt das gut. Ich schätze, einmal im Monat fahren wir übers Wochenende irgendwo hin, auch mal mit dem Auto. Auf den Monat heruntergebrochen zahle ich sicherlich 250 Euro für Reisen. Um andere Gegenden zu sehen, ist es mir das aber wert.
Versicherungen: 55 Euro für eine Berufsunfähigkeitsversicherung werden monatlich direkt vom Gehalt abgezogen. Außerdem haben wir eine Rechtsschutzversicherung für 30 Euro im Monat. 65 Euro jährlich zahlen wir für unsere gemeinsame Haftpflichtversicherung. Zwölf Euro pro Jahr kommen für meine Auslandskrankenversicherung dazu. Und dann habe ich mein Fahrrad für 100 Euro im Jahr versichert. Rechnet man das auf, zahle ich im Monat ohne die bereits abgezogene Berufsunfähigkeitsversicherung insgesamt circa 45 Euro.
Sparen und Investments: 230 Euro gehen von meinem Bruttogehalt direkt in eine Pensionskasse ab. Neben dieser betrieblichen Altersvorsorge haben ich weder Riester- noch sonstige Verträge. Stattdessen schaue ich meist am Monatsende, wie viel Geld noch übrig ist und versuche, das sinnvoll in mein Aktiendepot zu investieren. Das geschieht aber nicht regelmäßig. Ich möchte einfach, dass mein Geld auch in Inflationszeiten nicht an Wert verliert. Pro Jahr investiere ich etwa 8.000 Euro, das sind im Durchschnitt 660 Euro im Monat. Mein Depot und meine Rücklagen liegen insgesamt bei etwa 150.000 Euro. Das meiste davon habe ich von meiner Großmutter geerbt.
Was am Ende übrig bleibt
Ich versuche, immer ein Monatsgehalt auf dem Konto liegen zu haben, das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Was dann noch übrigbleibt, kann ich zusätzlich investieren. Aktuell müssen wir uns finanziell keine besonders großen Sorgen machen. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass besonders meine Branche vor großen Veränderungen steht. Viele jüngere Kolleginnen und Kollegen merken das jetzt schon, was das Gehalt angeht. Meine Firma wird es auch in Zukunft geben und auch mein Job ist wahrscheinlich sicher. Ich fürchte aber, dass sich die Gesamtkonditionen in der Flugbranche verschlechtern werden.
*Der Name des Protagonisten wurde geändert, weil er berufliche Nachteile vermeiden möchte. Sein Name ist der Redaktion aber bekannt.
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