Das Coronavirus verändert für viele Menschen, wie und wo sie arbeiten. Und auch, wie viel Geld sie verdienen. Wer Glück hat, arbeitet im Homeoffice. Für Freiberufler aber brechen Aufträge weg, sie wissen nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, andere haben keine Probleme. In der Serie "Kontoauszug" stellen wir Menschen vor, die genau davon erzählen: Was heißt Corona für meine Arbeit - und für mein Konto? Hier berichtet der 30-jährige Jan Schuster*, der als Finanzanalyst in München arbeitet.
Mein Job
Beruf: Ich arbeite als angestellter Finanzanalyst im Bereich Data Management bei einem der weltweit größten Asset-Manager, also bei einem Vermögensverwalter im institutionellen Bereich, der Kapitalanlagen für Unternehmen, Banken und Versicherungen organisiert. Mein Team ist für die Verarbeitung der Daten von Aktien, Anleihen und Derivaten verantwortlich, wir analysieren also die Wertpapiere, die Händler für unsere Fonds kaufen und verkaufen.
Ausbildung: Nach dem Abitur habe ich ein freiwilliges soziales Jahr in Asien absolviert. Im Jahr 2012 fing ich in München an, Volkswirtschaftslehre zu studieren. Das Thema Börse hat mich schon in der Schule interessiert, deshalb habe ich mich an der Uni für VWL eingeschrieben, um die makroökonomischen Hintergründe und Zusammenhänge zu verstehen. Schon damals war für mich klar, dass ich später mal an der Börse arbeiten will. Ich hab erst einen Bachelor gemacht, dann im Jahr 2018 meinen Master abgeschlossen. Zwischendurch war ich für zwei Semester im Ausland. Schon während meines Studiums habe ich als Werkstudent im Finanzbereich gearbeitet. Nach dem Abschluss habe ich sechs Monate in Frankfurt gelebt und dort ein Praktikum bei einem Asset-Manager gemacht - allerdings im Bereich Sales und Vertrieb. Weil ich mich mehr für Portfolio-Management interessierte, bin ich zurück nach München gezogen, um dort noch ein weiteres dreimonatiges Praktikum in diesem Bereich zu machen. Bei dieser Firma gab es leider keine freien Stellen, sodass ich im Anschluss nicht übernommen wurde. Diese Erfahrungen haben aber die Grundlagen für die Anstellung bei meinem jetzigen Arbeitgeber gelegt.
"Ich bilde mich fort, um Portfolio-Manager sein zu können." Jan Schuster, 30, Finanzanalyst
Weil ich im Studium aber relativ wenig über das Thema Investment gelernt habe, denke ich gerade darüber nach, jetzt noch einen sogenannten CFA zu machen. Das ist ein Abschluss zum Chartered Financial Analyst, in dem man vertieft alles zum Thema Asset-Management lernt. Darauf bereitet man sich selbstständig vor, die meisten lernen abends zu Hause. Anschließend muss man drei Prüfungen bestehen, die man an Instituten auf der ganzen Welt ablegen kann. Damit würde ich meine Chancen auf eine Anstellung als Portfolio-Manager noch einmal erheblich verbessern.
Arbeitszeit: Offiziell arbeite ich 40 Stunden pro Woche - aktuell bin ich im Homeoffice. Weil wir an die weltweiten Finanzmärkte gebunden sind, arbeitet ein Team in mehreren Schichten, allerdings nur unter der Woche, weil die Börsen am Wochenende geschlossen haben. Meine tägliche Arbeitszeit kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen, da unsere Arbeit eng mit dem Tagesgeschäft verknüpft ist und wir erst heimgehen können, wenn das Arbeitsaufkommen des Tages erledigt ist. Praktisch heißt das: An manchen Tagen muss ich länger bleiben, an anderen kann ich früher gehen.
"Die Aktienkurse sind zusammengebrochen." Jan Schuster, 30, Finanzanalyst
Was mir derzeit Sorgen bereitet: Die Aktienkurse sind im Frühling zusammengebrochen, Unternehmen haben weniger Anleihen auf den Markt gebracht und die Investitionen gingen zurück. Mittlerweile hat sich das etwas normalisiert, trotzdem spürt man die Veränderung. Auch in meiner Firma gibt es Umstrukturierungen. Es wurde ein neues Büro im Ausland eröffnet und ich hatte die Möglichkeit, dorthin zu wechseln. Wegen meiner Lebensgefährtin möchte ich aber aktuell gerne in München bleiben, deshalb habe ich abgelehnt. Allzu große Sorgen mache ich mir bisher trotzdem nicht.
Brutto-Einkommen: Aktuell verdiene ich 4.583,33 Euro brutto. Hinzu kommen 40 Euro vermögenswirksame Leistungen. Damit unterstützt der Arbeitgeber seine Angestellten beim Kapitalaufbau, das heißt, dieses zusätzliche Geld bekomme ich nur, wenn ich es auch investiere. In der Finanzindustrie sind Boni sehr üblich, auch bei uns. Da können in guten Jahren schon mal 10.000 Euro obendrauf kommen. Ob es aber in diesem Jahr einen Bonus geben wird, kann ich noch nicht sagen.
Netto-Einkommen: Von meinem Bruttogehalt bleiben mir netto 2.865,15 Euro übrig.
Meine Ausgaben
Wohnen: Weil mein Arbeitsvertrag derzeit befristet ist, wohne ich seit meiner Rückkehr aus Frankfurt wieder bei meinen Eltern. Solange ich keine Verlängerung bekomme, wollte ich nicht in eine teure Wohnung ziehen – es ist ja bekannt, dass der Münchner Wohnungsmarkt schwierig ist. Außerdem liegt die Wohnung meiner Eltern in unmittelbarer Nähe meines Arbeitgebers, das war ein weiterer Pluspunkt. Somit habe ich aktuell den Vorteil, dass ich keine Miete zahlen muss und auch sonst keine Fixkosten durch meine Wohnsituation. Ich wollte mich schon länger zumindest an den Nebenkosten beteiligen, aber mein Vater lässt mich nicht. Weil meine Eltern oft lange arbeiten, übernehme ich im Gegenzug einen Großteil des Haushalts: Ich putze, kaufe ein und koche. Manchmal sehe ich sie kaum, dann ist es fast so, als würde ich alleine wohnen. Meine Eltern haben kein Problem mit der Situation. Im Gegenteil, eher bin ich genervt davon, noch daheim zu wohnen: Mehr Entscheidungsfreiheit und Privatsphäre wären manchmal schon schön. Deshalb will ich ausziehen, sobald es mir möglich ist.
"Ich gebe kaum mehr als 250 Euro monatlich für Lebensmittel aus." Jan Schuster, 30, Finanzanalyst
Lebensmittel: Für das Essen in der Kantine meiner Firma habe ich vor Corona geschätzt 80 bis 100 Euro monatlich ausgegeben und war zusätzlich ein paar Mal pro Monat auswärts essen oder abends etwas trinken. Das fällt durch die neuen Corona-Beschränkungen und das Homeoffice alles weg. Selbst den Kaffee mit den Kollegen mache ich mir jetzt zu Hause, das alles spart Geld. Aktuell würde ich deshalb sagen, ich gebe kaum mehr als 250 Euro monatlich für Lebensmittel aus. Darin enthalten sind die Einkäufe im Supermarkt genauso wie ein schneller Snack vom Bäcker in der Homeoffice-Mittagspause.
Telefon und Internet: Was das Telefonieren angeht, verursacht mein Handy die einzigen Kosten. Das sind rund 15 Euro im Monat, mehr nicht. Ich habe noch ein Prepaid-Handy mit mobilem Datenvolumen und 300 kostenlosen Gesprächsminuten, dabei telefoniere ich fast nie. Weder privat noch für die Arbeit ist das notwendig, hier läuft alles über den Computer. Das einzige, was ich regelmäßig genutzt habe, ist das Datenvolumen, deshalb habe ich vor Corona ungefähr einmal monatlich Volumen nachgekauft. Durch Corona bin ich aber nicht viel unterwegs und verbrauche somit weniger. Von meinen drei Gigabyte Daten habe ich letzten Monat nur 200 MB verbraucht, weil ich zu Hause das WLAN nutze. Und: Festnetztelefon und Internet dort lässt mich mein Vater ja nicht mitzahlen.
"Ich habe keinerlei freiwillige Versicherungen abgeschlossen." Jan Schuster, 30, Finanzanalyst
Versicherungen: Ich habe derzeit keinerlei freiwillige Versicherungen abgeschlossen. Die verpflichtende Krankenversicherung ist über meinen Arbeitsvertrag geregelt. Und sonst habe ich weder Berufsunfähigkeitsversicherung noch Lebensversicherung, nicht mal eine Haftpflicht. Ausgaben: Null Euro.
Mobilität/Transport: Meistens fahre ich mit dem Rad in die Arbeit, deshalb nutze ich den öffentlichen Nahverkehr nur selten. Mehr als ein paar Tickets im Jahr kommen da nicht zusammen. Einmal im Jahr bringe ich mein Fahrrad zum Durchchecken in den Fahrradladen: Service und Ersatzteile machen dann vielleicht 100 Euro aus. Rechnet man die ÖPNV-Tickets auf den Monat runter, komme ich auf kaum über zehn Euro. Ich habe weder Abos noch eine Bahncard oder ein Auto. Wenn ich eines brauche, nutze ich das Auto meines Vaters mit und beteilige mich am Benzin. Das habe ich öfter gemacht, als meine Freundin noch nicht in München gewohnt hat und ich sie am Wochenende besucht habe..
Abos: Eine Zeit lang hatte ich ein Spotify-Abo, aber seit ich im Homeoffice bin, höre ich Musik nur noch über YouTube. Mit einem Adblocker habe ich die Werbung blockiert, deshalb brauche ich kein YouTube Premium. Und auch sonst bin ich ein Abomuffel: Ich habe keine Magazine abonniert, kein Theaterabo und auch keine Dauerkarte fürs Fußballstadion. Nachrichten lese ich kostenlos im Internet oder ich blättere in der SZ meines Vaters, wenn sie auf unserem Wohnzimmertisch liegt. Wenn mich eine Netflix-Serie interessiert, leiste ich mir ein Monatsabo. Danach bestelle ich das aber meist wieder ab. Über das Jahr gerechnet lande ich bei fünf Euro monatlich.
"Für die Arbeit habe ich mir einen Anzug gekauft, dazu Schuhe und Hosen für 1.500 Euro." Jan Schuster, 30, Finanzanalyst
Kleidung: Ich kaufe mir Kleidung nur dann, wenn ich wirklich etwas brauche, also weder aus Spaß noch aus Langeweile. Für die Arbeit habe ich mir einen mehrteiligen Anzug gekauft, dazu Schuhe und einige zusätzliche Hosen, die ich damit kombinieren konnte. Das waren natürlich höhere Ausgaben, die aber auch nicht regelmäßig anfallen. Zusammen habe ich sicher 1.500 Euro ausgegeben. Gleichzeitig kaufe ich mir aber auch monatelang keine Kleidung, einfach weil ich außer dem Nötigsten nichts brauche – dann ordere ich Unterhosen bei Zalando. Dabei bestelle ich eigentlich Kleidung ungern online, weil ich es nicht mag, sie zurückschicken zu müssen, wenn etwas nicht passt. Wenn ich diese ungleichen Ausgaben also auf den Monat herunterrechne, würde ich deshalb sagen, 100 Euro sind im Schnitt realistisch.
"Eine klassische private Altersvorsorge habe ich nicht"
Sport: Mein Fitnessstudio kostet 16,80 Euro. Dort trainiere ich zweimal pro Woche. Früher war das deutlich mehr: Ich bin sechsmal pro Woche ins Fitnessstudio gegangen, quasi jeden Tag. Zu dieser Zeit habe ich auch regelmäßig Eiweißshakes getrunken, für die ich zusätzlich jeden Monat 50 Euro ausgegeben habe. Als ich zwischenzeitlich nach Frankfurt gezogen bin, habe ich aber sehr viel weniger Sport gemacht und auch kein zusätzliches Eiweiß mehr zu mir genommen. Motivation und Energie nach einem anstrengenden Arbeitstag haben da einfach nicht mehr gereicht, ich habe schrittweise immer weniger trainiert. Und das ist bis heute so.
Freizeit: Ich produziere hobbymäßig elektronische Musik. Dafür habe ich mir letztens einmalig recht viel Equipment zugelegt: Lautsprecher, Schaumstoffschalldämmer für die Wände, diverse Programme und Plug-ins für den Computer. Zusammengerechnet habe ich noch einmal über 1.500 Euro investiert. Aber auch das ist eine einmalige Ausgabe gewesen.
"Ich war dieses Jahr zweimal im Urlaub." Jan Schuster, 30, Finanzanalyst
Urlaub und Reisen:
Ich war dieses Jahr zweimal im Urlaub: Vor dem zweiten Lockdown, als es
noch keine Reisebeschränkungen gab, bin ich nach Asien geflogen und
habe im Sommer eine zweiwöchige Italienreise unternommen. Elf Tage war
ich im mittleren Orient, Flug und Unterkunft zusammen haben rund 1.200
Euro gekostet. Für die Italienreise hätte ich 500 Euro veranschlagt.
Zusammen komme ich also 1.700 Euro. Das ist für meine Verhältnisse
relativ viel. Rechnet man ein paar Tagesausflüge dazu, lande ich bei
1.800 Euro für 2020. Ob noch etwas dazukommt in der Corona-Zeit, ist ja
aktuell eher fraglich. Es bleiben also rund 150 Euro pro Monat.
Friseur und Kosmetik: Ich
leiste mir keine Massagen oder ähnliches, sondern kaufe nur das
Nötigste: Shampoo, Zahnpasta, Deo. Meinen Bart trimme ich, brauche also
keinen Rasierschaum oder ähnliches. Zum Friseur gehe ich, wenn mir die
Haare zu lang werden, manchmal nur alle zwei oder sogar alle drei
Monate. Ich bin kein regelmäßiger Kunde, und wenn, dann gehe ich in den
kleinen Salon an der Ecke. Für Kosmetika und Körperpflege zusammen sind
das vielleicht 30 Euro im Monat, mehr wohl nicht.
Altersvorsorge und Zukunftsinvestitionen: Eine klassische private Altersvorsorge habe ich nicht, ich habe weder Riester-Verträge noch sonstige Modelle. Stattdessen investiere ich selbst einen Teil meines Gehalts und spare den Rest an. Über mein Gehalt zahle ich in die gesetzliche Rentenkasse ein, zusätzlich geht ein Teil in die Betriebsrente, genauer gesagt 137,52 Euro in meinem Fall. Zusätzlich investiere ich die vorher angesprochenen vermögenswirksamen Leistungen: Das sind 40 Euro, die ich freiwillig um 60 Euro ergänzt habe. Diese 100 Euro habe ich in einen aktiven Fond investiert. Weitere 300 Euro habe ich in Sparpläne investiert, die ich selber ausgewählt habe. Das sind zwei ETFs: 200 Euro habe ich in den MSCI World, einen Standard-ETF großer Unternehmen, investiert und 100 Euro in "Emerging Markets". Damit decke ich zusätzlich Schwellenländer und so einen breiteren Teil des Gesamtmarktes ab, weil der MSCI World nur Firmen aus Industrienationen enthält.
"Zusammengerechnet lege ich jeden Monat 537 Euro fix an." Jan Schuster, 30, Finanzanalyst
Das heißt, zusammengerechnet lege ich jeden Monat 537,52 Euro fix an. Aktuell habe ich dadurch noch keine sonderlich großen Ausschüttungen, weil diese direkt wieder investiert werden. Voraussichtlich ändert sich das aber bald. Ich investiere jetzt, um später Geld zu haben. Mir geht es aber nicht nur um die Aufbesserung der Rente. Mein Ziel sind hohe Ausschüttungen. Ich investiere also mein Gehalt, um später nicht mehr Vollzeit arbeiten zu müssen.
Spenden: Seit zwei Monaten spende ich 50 Euro monatlich an die UN-Flüchtlingshilfe. Erst lief das über PayPal, dort werden aber Gebühren fällig. Jetzt spende ich per Bankeinzug direkt an das Programm, damit möglichst viel davon direkt an die Flüchtlingshilfe geht.
Das bleibt am Ende übrig
In der Regel bleiben von meinem Nettogehalt zwischen 1.500 und 1.700 Euro übrig, also ein recht hoher Anteil. Das ist mein großer Vorteil im Moment, da ich kaum Fixkosten habe: Mein Kontostand wächst stetig. Alles, was übrig bleibt, spare ich, um es punktuell zu investieren. Das sind aber keine regelmäßigen Investitionen. Beispielsweise habe ich gerade in das Mitarbeiter-Share-Purchase-Programm investiert und damit Aktien unseres Mutterkonzerns gekauft, rund 4.400 Euro waren das. Ein paar Monate zuvor habe ich in einen ausschüttenden ETF investiert, auch das waren mehrere Tausend Euro. Mein Plan ist, dass diese Ausschüttungen irgendwann so hoch sind, dass sie mein monatliches Einkommen generieren.
*Der Name des Protagonisten wurde geändert. Der echte Name ist der Redaktion bekannt.
Wenn Sie uns auch erzählen möchten, was Sie beruflich machen, wie viel Sie verdienen und was die Corona-Krise für Sie verändert hat, schreiben Sie uns an kontoauszug@zeit.de.
Original