Mehr als 1/3 unseres Biomülls landet im Restmüll – und geht so als wertvoller Rohstoff verloren. Würmer könnten helfen, dieses Problem zu lösen.
Genüsslich saugen sie an Salatblättern und einem Apfel. Hunderte der dicken rosafarbenen Leiber schlängeln sich zwischen Karotten, Sellerie und der halben Zwiebel vom Vortag hindurch. Mit ausreichend Futter fühlen sich Würmer in der eigenen Küche wie im Paradies und vermehren sich prächtig.
Für die einen klingt das nach dem Ekelalbtraum schlechthin. Doch David Witzeneder findet: Wir alle sollten über Würmer in den eigenen 4 Wänden nachdenken, denn sie können unseren Biomüll in wertvolle Erde verwandeln. Mit seinem Start-up Wurmkiste.at schickt Witzender deshalb seit 2015 Kompostwürmer durch halb Europa.
Deutschland, das Land der selbsternannten Mülltrennungsweltmeister:innen, hat nämlich ein Problem: Mehr als 1/3 aller Bioabfälle werden in der Restmülltonne entsorgt, das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Analyse des Umweltbundesamts. Allein in einer Stadt wie München sind es laut dem Abfallwirtschaftsbetrieb München mehr als 20 Tonnen pro Jahr. 20 Tonnen, die weiterverwertet werden könnten, in Biogasanlagen oder auf Komposthaufen.
»Bioabfälle in der Restmülltonne sind verschwendete Ressourcen. Dort enden sie nur in der Müllverbrennung«, sagt auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze zum Start der »Aktionswoche Biotonne Deutschland« im September. Bioabfälle könnten mehr, so Schulze: »Jeder Gemüseputz, jede Kartoffelschale, jede verwelkte Blume hilft uns beim Klima- und Ressourcenschutz und bei der emissionsarmen Energieerzeugung.«
Doch weil ebenjene verwelkten Blumen und Kartoffelschalen leicht schimmeln und Fliegen anlocken, weil es in engen Stadtwohnungen keine Komposthaufen gibt und mancherorts noch nicht einmal eine Biotonne angeboten wird, bleiben die Ressourcen ungenutzt. Und genau hier kommen Wurmkomposter ins Spiel. Sie heißen WormUp, Vermibuk oder Wurmkiste – und wer handwerklich begabt ist, kann sie auch selbst bauen und sich einen eigenen Namen ausdenken.
Wie beim Fallschirm, dem Klettverschluss oder der Flugweise des Hubschraubers hat sich der Mensch auch beim Wurmkomposter die Natur zum Vorbild genommen: Im Waldboden werden durch Wurmarbeit seit Jahrtausenden Pflanzenreste in nährstoffreiche Erde verwandelt, auch Humus genannt.
Die Wurmkomposter versprechen jetzt auch dem Stadtmenschen Humus der Marke Eigenanbau. Rund 2.000 Kompostwürmer sind in einer funktionierenden Wurmkiste damit beschäftigt, Biomüll zu zersetzen und in Nährboden umzuwandeln.
Knapp die Hälfte seines Körpergewichts verdaut ein Kompostwurm – pro Tag. Die Menge an Biomüll, die pro Kiste verwertet wird, steigt also, je mehr Würmer darin leben und je besser die Bedingungen für sie sind. 500 Gramm sind für die Bewohner einer normalgroßen Wurmkiste kein Problem – die Familienwurmkiste oder der gastrogeeignete »Urban Worm Bag« schaffen bis zu 2 Kilo täglich. Und wird sie gut gepflegt, entweichen der Kiste weder Würmer noch unangenehme Gerüche oder Fruchtfliegen. Für die normale Biomülltonne also der perfekte Ersatz – oder eben eine Alternative für alle in den Gemeinden, in denen die Bioabfallsammlung noch nicht richtig funktioniert.
Statt die natürlichen Ressourcen der Bioabfälle per Müllabfuhr an andere abzugeben, können sie mit einem Wurmkomposter selbst genutzt werden. Da sich ein Großteil der Würmer immer in Richtung Frischfutter bewegt, sammeln sich die Tiere im oberen Teil der Kistenfüllung, während sich der Wurmkompost im unteren Teil sammelt und dort »geerntet« werden kann. Der Nährstoffgehalt dieser Humusschicht liegt deutlich über dem von üblichem Kompost und eignet sich ideal zum Düngen von Pflanzen. Die Würmer in der Kiste produzieren davon bis zu 30 Liter im Jahr, nach 6 Monaten ist der Wurmhumus voll durchgereift.
Allein in Wien, dem Ausgangspunkt des Witzender-Wurmkisten-Start-ups, konnten die Gründer schon 2.500 Haushalte davon überzeugen, dass Würmer hervorragende Mitbewohner sind. Mittlerweile werden mehr als die Hälfte der Wurmkisten nach Deutschland verkauft, teilt Wurmkiste.at mit. 7.000 stehen aktuell in deutschen Küchen – und wandeln dort jedes Jahr Apfelreste, Salat und Karottenschalen in rund 700 Tonnen Wurmhumus um.