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Der Schlaf der Anderen

Die sogenannten Parklets auf der Schwanthalerhöhe werfen eine zentrale Frage des städtischen Zusammenlebens auf: Müssen Anwohner Ruhestörungen erdulden, wenn eine Idee viele Menschen begeistert? Zwischenfazit eines Pilotprojekts.

In Großstädten wie München sind die Straßen oft zugeparkt und es ist stickig – besonders im Sommer. Deshalb fällt es schwer, eine Idee zu kritisieren, die genau dieses Problem angeht. Auf der Schwanthalerhöhe wurden in diesem Sommer acht Parkplätze zu „Parklets“ umfunktioniert: Erweiterte Bürgersteige mit Sitzgelegenheiten, Pflanzen oder Fahrradstellplätzen. Mehr öffentlicher Raum für mehr Lebensqualität in der Stadt.

Fast immer sitzen Menschen in den Parklets an der Tulbeckstraße und der Parkstraße. Die Beete an der Ecke Schwanthaler-/Parkstraße werden gehegt und gepflegt, die Fahrradständer sind voll. Der Verein Green City, der das Parklet-Pilotprojekt leitet, ist zufrieden. Es hätte „zahlreiche bestärkende Rückmeldungen“ gegeben. Und auch die Stadtpolitik feiert die Idee. OB-Kandidatin Katrin Habenschaden von den Grünen räkelt sich auf einem Liegestuhl in der Stadtoase und twittert: „Öffentlicher Raum gehört den Menschen im Viertel!“

Also ein voller Erfolg? Fast. Obwohl die Parklets viele Fans haben, gibt es auch Kritik. Die kommt nicht von den Besuchern, die die Politiker am Nachmittag treffen oder die sich von Zeitungen sonntags interviewen lassen. Sondern von Anwohnern, vor deren Schlafzimmerfenstern die Parklets aufgebaut wurden. Und die klagen, dass sie deshalb kaum noch Schlaf fänden. Sie fragen: Ist es gerecht, wenn mehr Lebensqualität für viele auf Kosten weniger Menschen geht?

„Ich hab mich bisher noch nie beschwert, nicht über Kneipen und nicht über das Oktoberfest“, berichtet eine langjährige Bewohnerin des Viertels, die direkt neben einem Parklet wohnt. Aber jetzt sei es genug: Musik bis vier Uhr nachts. Hinterhöfe, die als Toiletten benutzt werden. Und wer sich beschwert, werde beschimpft und bedroht, berichtet sie. Die Polizei zu rufen, sei oft das einzig wirksame Mittel.

Von Green City heißt es, man sei offen für Diskussionen über das Projekt. Die gab es im Vorfeld, denn die Anwohner hatten sowohl bei Bezirksausschusssitzungen als auch bei Infotreffen von Green City auf die möglichen Lärmprobleme hingewiesen. Gebaut wurden die Parklets trotzdem, frei nach dem Motto „Man muss es halt ausprobieren“. So wurden die befürchteten Probleme teilweise Realität. Von Vereinsseite heißt es dennoch: „In bisherigen Gesprächen mit den Nachbarn und Nachbarinnen konnten wir die Schwierigkeiten besprechen und im Anschluss beheben“, so die Parklet-Beauftragte Katharina Frese.

Konkret bedeutet das: Das Parklet an der Parkstaße 18 wird jetzt nachts abgesperrt – übrigens eine Idee, die die Anwohner vor Baubeginn vorgetragen hatten. Die Antwort damals: Das sei gar nicht möglich.

Hinzu kommen Holzleisten, weil nächtliche Parklet-Besucher statt durch den versperrten Eingang über die Blumenkästen ins Parklet kletterten. Dazu „Pssst“-Schilder, die an die Nachtruhe der Anwohner erinnern sollen – verbunden mit dem Hinweis, dass das Pilotprojekt sonst abgebrochen werden müsse. Quasi eine Drohung als letztes Mittel und ein „reichlich hilfloser Versuch“, finden die Anwohner.

Im Bezirksausschuss zeigt man sich selbstkritisch. „Ich glaube, dass sowohl wir im BA als auch Green City und die Stadt zu sehr auf den gesunden Menschenverstand gesetzt haben und darauf, dass man sich nicht nachts mit Musik hinsetzt und Gaudi macht“, sagte Florian Kraus (Grüne). Ansatzpunkte, dass genau das passieren könnte, gab es genug, schließlich ist die Gegend um die Park- und die Schwanthalerstraße schon länger als Problemzone bekannt (wir berichteten).

Von einem Scheitern des Pilotversuchs möchte trotzdem niemand sprechen. Stattdessen merkte Kraus an: „Von den sechs Parklets im Viertel sind fünf völlig unproblematisch.“ Das allerdings klingt nach Schönfärberei, wenn man bedenkt: Vier der sechs Parklets haben gar keine Sitzplätze. Und von den restlichen beiden macht eines so große Probleme, dass man es nachts sogar absperren muss.