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Datensammlung in Schweden: Das verbotene Roma-Register der schwedischen Polizei

In Südschweden sammelte die Polizei Daten von mehr als 4.000 Roma, allein wegen ihrer Herkunft. Der Grund sind seit Langem bestehende Vorurteile.

Als die Tageszeitung Dagens Nyheter am vergangenen Montag schrieb, dass die Polizei in Skåne die Adressdaten und Ausweisnummern von mehr 4.000 Roma sammelte, wollte Bengt Svenson es erst einmal nicht glauben. Der Chef der obersten schwedischen Polizeibehörde ( Rikspolisstyrelsen) musste sich zunächst bei seinen Kollegen in Südschweden rückversichern. Die bestätigten die Existenz der Tabelle auf ihren Servern. Svenson war entsetzt und blamiert: Von dem Skandal in der schwedischen Polizei erfuhr der Polizeichef aus den Medien.

Nicht nur die Polizei in Skåne, auch andere Provinzen sowie die landesweite Kriminalpolizei konnte auf die Datei zugreifen. Zwar steht nicht "Roma" neben den Namen der Erfassten, doch die sind entweder Roma oder mit Roma verheiratet. Darunter sind Söhne und Töchter derer, die unter der Nazi-Herrschaft starben. Ihre Daten sind jetzt erfasst, ebenso die all ihrer Verwandten, darunter auch rund 1.000 Kinder. Dass es sich um ein biologisches Register handelt, ist schwer abzustreiten. Die sind seit den Neunzigern in Schweden verboten.

Die Kriterien für legale Datensammlung durch die Polizei beschränken sich auf die Vorbeugung von Kriminalität, auf Aufklärung von bereits begangenen Straftaten sowie darauf, Verpflichtungen aus internationalen Abkommen nachzukommen. Auf den Großteil der erfassten Roma trifft keiner dieser Gründe zu. Die Polizei in Skåne in den Großstädten Lund und Malmö setzte sie dennoch auf die Liste - weil sie Roma sind.

Die Geschichte staatlicher Verfolgung der Roma reicht Jahrhunderte zurück und bis in die Mitte der 1950er Jahre. Bis dahin durften Roma nicht in Schweden einreisen und um "den schwedischen Volksstamm reinzuhalten", wurden sie zwangssterilisiert. Erst seit 1959 haben Roma in Schweden das Recht auf Unterkunft und Schulunterricht.

Selektive Wahrnehmung

Vorurteile bestehen aber noch immer. Die meisten Roma leben in Skåne, weshalb dort wohl besonders viele Ressentiments bestehen. Janne Flyghed ist Kriminologie-Professor an der Universität Stockholm. Er sagt: "Es besteht das Gerücht, dass Roma krimineller sind als der Durchschnitt. Doch sie werden vor allem häufiger erwischt, weil sie unter strenger Beobachtung stehen." Jeder anderen Gruppe, die so gründlich kontrolliert würde, würde es genauso gehen.

Rolf Granér, Polizeiausbilder aus Göteborg, sagt, dass Polizisten Roma auch deshalb als krimineller wahrnähmen, weil sie selten mit nicht-kriminellen Roma in Berührung kämen. Polizisten, die Roma sind, gibt es kaum. Möglicherweise wollte die Polizei in Skåne durch die Datei den gefühlten Kontrollverlust abfedern. Granér sagt: "In der Polizei gibt es konservative Tendenzen, die teilweise mit Blindheit verbunden sind, zum Beispiel für sensible Angelegenheiten wie die Sammlung von Daten bestimmter Gruppen."

Diese Annahme bestätigt das Interview, das ein ehemaliger leitender Beamter der Polizei Lund anonym der Boulevardzeitung Aftonbladet gegeben hat. Das Romaregister mit dem Titel "Kringresande" existiere bereits seit 2005, sagte er. Kringresande bedeutet "Herumreisende" und ist laut Aftonbladet so zu verstehen, dass die Menschen in der Datei potentiell an einem anderen Ort Verbrechen begehen als ihrem Wohnort. Damit habe die Polizei in Lund anderen Provinzen helfen wollen. Wer außer der Polizei in Skåne auf die Datei zugriff, ist noch nicht bekannt.

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