Weil andere dopten, wurde die Kugelstoßerin Nadine Kleinert 13 Mal um einen besseren Platz betrogen. Jetzt beendet das selbst ernannte "Doping-Opfer" seine Karriere.
Der sechste Versuch. Nadine Kleinert stößt die Kugel zum letzten Mal bei einem großen Wettbewerb. Aber die Kameras beim Istaf im Berliner Olympiastadion sind auf den Speerwurfwettkampf gerichtet, der zehn Minuten vor dem Kugelstoßen direkt nebenan begonnen hat. Eine russische Athletin hat den Speer auf Weltjahresbestleitung geworfen. Kleinerts Kugel landet bei 17,69 Metern. Ihr letzter Stoß geht im Getöse unter.
Auf Leichtathleten strahlt das Scheinwerferlicht vor allem bei Olympischen Spielen und, mit weniger Watt, bei Welt- und Europameisterschaften. Dann kennen Millionen Zuschauer die Namen derjenigen, die Medaillen gewinnen. Nadine Kleinert ist eine von ihnen. Sie nahm viermal an Olympischen Spielen und siebenmal an Freiluft-Weltmeisterschaften teil. Als ihren größten Erfolg bezeichnet sie die Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft in Berlin 2009 mit persönlicher Bestleistung und die Silbermedaille von Olympia 2004 in Athen. 2012 wurde sie Europameisterin.
Ihren Abschied nutzt sie an diesem Sonntag, um öffentlich mitzuteilen, was ihrer Meinung nach im System Leichtathletik schiefläuft, am Beispiel der eigenen Person. Viele Male verpasste Kleinert Platzierungen, weil andere vor ihr gedopt waren. Dadurch entgingen ihr Medaillen und Preisgelder in einer Höhe, die ihr, wie sie sagt, Tränen in die Augen getrieben hat.
Weitere Medaillen stehen ausInsgesamt wurde sie 13 Mal nachträglich hochgestuft, immer weil Konkurrentinnen gedopt waren. Silber statt Bronze wurde ihr in Athen zugesprochen, bei der Hallen-WM 2004 bekam sie die Bronzemedaille nachträglich. Je eine weitere Silber- und Bronzemedaille stehen noch aus, sollte die Weißrussin Nadeschda Ostaptschuk lebenslang gesperrt werden. Das gilt als wahrscheinlich.
Auf dem Papier wird Kleinert am Ende ihrer Karriere mehr Medaillen gesammelt haben als auf dem Sportfeld. Doch wie viel sind die Erfolge wert? Das Gefühl, auf dem Siegertreppchen zu stehen, kann niemand nachreichen.
Damit es jüngeren Athleten, die nicht dopen, nicht so geht wie ihr, wünscht sich Kleinert ein Anti-Doping-Gesetz. Solch ein Gesetz gibt es in Deutschland nicht, anders als in Frankreich, Spanien, Österreich oder Italien. Noch nicht. Der Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellt das Anti-Doping-Gesetz jetzt erstmals in Aussicht, das zusätzlich zu den Sperren der Sportsgerichtbarkeit strafrechtliche Folgen für gedopte Sportler hätte.