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US-Wahlen 2012: Neues Duell auf altem Boden

Gettysburg im US-Bundesstaat Pennsylvania ist ein kleines verschlafenes Städtchen, knapp anderthalb Stunden entfernt von Washington D.C., dem politischen Zentrum der USA. Aber obwohl Gettysburg nur rund 7.600 Einwohner zählt, wurde es schon oft zum Schauplatz von historischen Ereignissen. 1863 fand rund um den Ort die wohl alles entscheidende Schlacht im Amerikanischen Bürgerkrieg statt. Eine tiefe wirtschaftliche, soziale und politische Spaltung zwischen Nord- und Südstaaten hatte einige Jahre vorher zum Kriegsausbruch geführt. Heute noch können die Schlachtfelder in der Umgebung besichtigt werden.

So könnte sich auch jetzt wieder etwas durchaus Historisches ereignet haben. Rick Santorum, der ehemalige Gouverneur von Pennsylvania, gab eben dort bekannt, dass er aus dem Rennen um den Posten des republikanischen Präsidentschaftskandidaten aussteigen wird. Dies bringt voraussichtlich die finale Entscheidung und der große Gewinner von Gettysburg 2012 wird allem Vernehmen nach Mitt Romney sein, der von Beginn an die besten Chancen hatte, größter Widersacher des amtierenden US-Amerikanischen Präsidenten Barack Obama zu werden.


Kampf um ein tief gespaltenes Land

Wieder einmal heißt es Blau gegen Rot. Nur diesmal nicht Nord gegen Süd, sondern Demokraten gegen Republikaner. Das Land ist wieder einmal tief gespalten. Die Wirtschaftskrise bedroht immer noch das Land, Obamas Gesundheitsreform stößt besonders bei den Republikanern auf Ablehnung und die Parteien blockieren ihre Entscheidungen auf bundesstaatlicher Ebene gerne gegenseitig. Santorum wollte dies ändern. Eigentlich. Doch am Wochenende entschied er sich gemeinsam mit seiner Familie für ein vorzeitiges Ende seines Wahlkampfes.


Als Grund gab er an, dass seine dreijährige Tochter Bella ins Krankenhaus eingeliefert wurde und es nun Zeit sei, sich um die Familie zu kümmern. Seiner Tochter geht es zwar mittlerweile besser, aber Santorum steht zu seiner Entscheidung. „Vielleicht hat er die diesjährige Kampagne auch nur zum Warmlaufen genutzt und wird dann in vier Jahren wieder angreifen. Romney hat das vor vier Jahren ja auch gemacht. Und sehen Sie, wo er jetzt steht", so der Radiosendermanager Rick McCauslin, der in Gettysburg wohnt, im Gespräch mit f1rstlife.


Rückzug aus Angst vor Schmach?

In den USA muss man sich als Wähler einer bestimmten Partei registrieren lassen, ehe man seine Stimme abgeben darf. McCauslin gehört zu den unabhängigen Wählern, kann also erst am Wahltag entscheiden, wen er wählen möchte. Er glaubt, dass es noch einen anderen Grund für Santorums Rücktritt gibt. „Die nächste große Wahl findet in Pennsylvania statt. Santorum kommt hier her, war hier Gouverneur, aber die letzten Umfragen haben gezeigt, dass die Wähler Romney bevorzugen. Wahrscheinlich wollte sich Santorum der möglichen Schmach entziehen." Was aber immer Santorums Problem war: Verglichen mit Romney sogar für viele Republikaner zu konservativ.


In Gettysburg hat man aber auch noch eine andere Erklärung für Santorums Rückzug. „Mitt Romney hat viel mehr Geld, das er in seine Kampagne investieren kann. Santorum hingegen hat sich mit seiner Kampagne verschuldet. Wahrscheinlich wollte er nicht noch mehr Geld in etwas investieren, das eh schon verloren ist", erzählt die Lehrerin einer Highschool unserem Magazin. Führende Republikaner, wie Ralph Reed, dürften ziemlich froh über die Entscheidung Santorums sein, jetzt abzutreten und nicht in einem Showdown zu verlieren. Durch diese „eindrucksvolle Handlung" (Reed) wird wohl auch verhindert, dass die Partei sich selbst zerfleischt und sich in Tumulten lächerlich macht.


Zwar sind auch noch Ron Paul und Newt Gingrich potentielle Präsidentschaftskandidaten, doch keiner von ihnen wurde je zu einem ernstzunehmenden Bewerber. Gemeinsam halten sie gerade einmal knapp 200 Stimmen beim Parteitag der Republikaner. Romney allein hat jedoch schon 657 Stimmen. Zum Gewinnen braucht er knapp das Doppelte. Wähler der Demokraten jedenfalls hätten es zum Teil lieber gesehen, wenn Rick Santorum sich noch nicht aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen hätte. „Ich wollte lange, harte und schmerzliche Vorwahlen für die republikanischen Kandidaten", so Braeden Eastman, Mitarbeiter eines Kongressabgeordneten, gegenüber f1rstlife. „Wäre das passiert, hätte das die Chancen Obamas, wiedergewählt zu werden, gesteigert", glaubt Eastman.


Chancen gut für Obama-Wiederwahl

Obama selbst erklärte vor wenigen Tagen auf einer Spendengala in Florida, dass ihn und Romney genauso viel trenne, wie den Demokraten Lyndon B. Johnson und den Republikaner Barry Goldwater bei der Präsidentenwahl 1964. Damals gewann übrigens Johnson. Der eigentliche Wahlkampf in den USA ist jetzt schon spannend wie selten. Einen Tag vor dem Rückzug Santorums stellten „ABC News" und die „Washington Post" ihre neuste Umfrage zur Präsidentschaftswahl vor. Obama liegt dabei mit 51 Prozent der Stimmen deutlich vor Romney, der momentan auf 44 Prozent kommt.


Rick McCauslin, dessen Ehefrau Touristen über die Schlachtfelder Gettysburgs führt, glaubt, dass Obama im November wiedergewählt wird, „solange nicht etwas wirklich schlimmes in unserem Land passiert." Aber auch mit Romney hätte er kein Problem. „Der hat die Erfahrung, um unsere Wirtschaft zu retten." Ein Pfleger des städtischen Altenheims glaubt, dass sich die Wahl sogar mit der Entwicklung der Wirtschaft in nächster Zeit entscheiden wird. „Sollte sie sich positiv entwickeln, wird Obama gewinnen. Andernfalls ist Romney der Sieger", so der Mittvierziger. Übrigens: Die Schlacht von Gettysburg haben damals die blauen Nordstaaten gewonnen. Die Geschichte könnte sich diesen November wiederholen.

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