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BUNDESTAGSWAHL 2017 Ärger, Trauer, Wut: Ein Nichtwähler bereut.

Einer von 15 Millionen Nichtwählern nach der Wahl: Ernst Tollknaepper mit Lebensgefährtin.

Osnabrück. Zur Bundestagswahl 2017 waren rund 61,5 Millionen Bürger aufgerufen, zu wählen. Knapp 15 Millionen haben nicht gewählt. Einer spricht im Interview mit unserer Redaktion.

Zur Bundestagswahl am 24. September waren laut dem Bundeswahlleiter 61.675.529 Bürger wahlberechtigt. Tatsächlich gewählt haben 46.973.799, also 76,2 Prozent. 14.701.730 Deutsche haben ihre Stimmen nicht abgegeben.

Ernst Tollknaepper ist 57 Jahre alt und gelernter Programmierer. Seit 2013 lebt er mit seiner Lebensgefährtin auf den Straßen Europas. Ihr Wohnmobil ist ihr Zuhause. Sie sind moderne Nomaden.

Ernst Tollknaepper ist einer von knapp 15 Millionen Nichtwählern. Seine Entscheidung, nicht zur Wahl zu gehen, stand bereits Wochen davor fest, auch, wenn es nach eigenen Angaben „nicht wirklich Liebe zur Demokratie bezeugt." Im Interview spricht er nun über sein Motiv, nicht zu wählen.

Herr Tollknaepper, die Bundestagswahl ist nun vorbei. Haben Sie die Ergebnisse erhalten? Was halten Sie davon?

Ehrlich gesagt finde ich das Ergebnis ziemlich gruselig. Ich finde es einen traurigen Tag für Deutschland, dass nun wieder Nazis in erheblicher Anzahl im Bundestag sitzen.

Wie haben Sie sich nach den Hochrechnungen und auch heute Morgen gefühlt?

Eigentlich überwog eine Traurigkeit. Traurig darüber, dass es Millionen von Menschen gibt, die sich blenden ließen. Dann auch schon Verzweiflung.

Würden Sie jetzt wählen, wenn sie es könnten?

Wahrscheinlich ja. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich nicht gewählt habe. Und ich fühle mich tatsächlich nicht wohl dabei.

Das heißt, jetzt ärgern Sie sich?

Ja, schon. Im Nachhinein finde ich meine Entscheidung falsch. Und ich stehe zu meinen Fehlern, daher auch die Einwilligung zum Interview.

Waren Sie immer einer Partei oder einem Spektrum gedanklich treu oder waren Sie ein Wechselwähler?

Eigentlich war ich immer links. Früher allerdings den Grünen zugeneigt. Mittlerweile wohl eher der Linkspartei.

Welches Motiv hatten Sie, nicht zu wählen?

Das Motiv war wohl eher der Frust über die Selbstbedienungsmentalität der Politiker. Es war schon Protest gegen Lobbypolitik und Stillstand. Ich war zwar nie Mitglied einer Partei, aber immer sehr politisch.

Was heißt für Sie „politisch sein"?

Dass ich mich für politisch interessiert und auch informiert halte.

Das heißt im Alltag: Was machen Sie dafür?

In erster Linie Informationen holen. Aus verschiedenen Quellen, TV, Zeitung, Internet. Aber ich gehe auch keiner politischen Diskussion aus dem Weg. Und bin dabei auch streitfähig.

Was würden Sie anderen Bürgern für die kommende Legislaturperiode mit auf den Weg geben wollen?

Ruhe bewahren und sich auf die Provokationen nicht einlassen.

Und was würden Sie anderen Bürgern für die kommende Wahl raten?

Sich genau überlegen, ob eine Protestwahl das Richtige ist. Und wählen gehen.

Was wünschen Sie sich politisch von der Zukunft?

Wir müssen Dinge wie Gier, Nationalismus und Kleinstaatlichkeit überwinden. Ich bin für die Vereinigten Staaten von Europa. Mit weitreichenden Gleichheiten, inklusive Finanz-, Wirtschafts- und Außenpolitik.

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