Passend dazu haben wir uns mit Danger Dan, Koljah und Panik Panzer in Berlin zum Interview getroffen und über Trennungen, das Kiffen, dem Älterwerden und ihr Cover zum Album gesprochen.
Normalerweise beginnt euer Album mit einem Resümee zu der Zeit zwischen dem alten und dem neuen Album. Jetzt geht ihr zurück ins Jahr „2013". War es euch wichtig nochmal an NMZS zu erinnern oder zu zeigen, wie euch das Jahr als Band und Freunde zusammengeschweißt hat?
Koljah: Als wir das Lied gemacht haben, war nicht klar, dass das der erste Song des Albums werden soll. Aber wir haben es damit zum ersten Mal geschafft, diese Geschichte genauso zu erzählen, dass wir uns damit wohlfühlen. Dass es wirklich das erste Lied wurde, hat sich im Albumprozess so ergeben. Denn den typischen programmatischen Einstiegssong hatten wir nicht, aber „2013" ist definitiv so ein programmatischer Song, der sich als ungewöhnlicher Albumanfang anbietet. Gemeinsam mit dem letzten Song "Abraxas" hat das Album so eine Klammer bekommen.
Danger Dan: Wir haben sogar versucht einen typischen Antilopen Gang Einstiegssong für das Album zu machen. Aber das hat sich nicht gut angefühlt und es ist eh ein Fehler, wenn man versucht in alte Schablonen, die man sich selbst geschaffen hat, rein zu passen.
Vielleicht war das auch ein Grund, warum wir länger für das Album gebraucht haben, weil sich vieles anfangs stark daran orientiert hat, was wir davor gemacht haben.
In "Trenn dich" sagt Danger Dan, dass man in Liedern nicht lernt, wie man sich trennt. Euer Song ist aber auch keine Anleitung. Gibt es denn einen guten Weg sich zu trennen?
Danger Dan: Den gibt es und den muss es auch geben. Aber es ist schwierig und da gibt es keine pauschale Lösung.
Panik Panzer: Abgesehen davon sind wir auch keine Erklärbär-Band, die Leuten erklärt, wie sie sich zu trennen hätten.
Danger Dan: Aber ich würde das gerne den Leuten erklären, wenn ich wüsste, wie man sich am besten trennt.
Koljah: Jede Beziehung funktioniert auch anders, deshalb wird es nicht diesen einen Weg geben, wie man sich trennen kann. Der Punkt bei dem Song war es auch eher, darauf hinzuweisen, dass Trennungen auch was gutes sein können. Denn manchmal ergibt es mehr Sinn sich zu trennen, als krampfhaft an etwas festzuhalten.
Natürlich ist eine Trennung schmerzhaft, aber dieser Schmerz wird auch wieder weggehen und vielleicht guckt man dann nach einer Weile zurück und ist froh über die Trennung.
Im "Lied gegen Kiffer" habt ihr Referenzen zum "Arschficksong" von Sido "Den Leuten fällt es auf ..." und "Grüne Brille" von Samy Deluxe "Alles ist cool solang' ich nie wieder kiffe." War es euch wichtig, die Songs mit reinzuziehen?
Koljah: Die Referenz an den „Arschficksong" war eine Erkenntnis. Die Zeile hatte ich irgendwann mal aufgeschrieben, weil Roe Beardie beim letzten Album "Anarchie und Alltag" im Mixingprozess irgendwann gesagt hat "Ey Leute, ihr redet die ganze Zeit übers Kiffen." Und das stimmte auf jeden Fall.
Es gab wirklich ständig so Kiff-Zeilen. Deshalb stand dann in meiner Notiz-App "Den Leuten fällt es auf, wir reden ständig übers Kiffen." Die Referenz zu "Grüne Brille" bietet sich logischerweise viel mehr an. Für unsere Generation war das der erste Hip Hop-Kiffersong und ich kenne genug Leute, die wegen dem Song auch angefangen haben zu kiffen.
Panik Panzer: Das behaupte ich auf dem Song, aber ganz so einfach ist es nicht. Klar, ich bin einer der wenigen, die nie gekifft haben, da es mich nie interessiert hat. Alle meine Kifferfreunde meinten dann "Du hast auch drei Brüder, die alle kiffen, die sind bestimmt ein schlechtes Vorbild für dich.", aber ich glaube, das ist zu einfach gedacht.
So wirklich abgeschreckt hat mich das damals nicht und wäre ich in der Lage gewesen zu rauchen, dann hätte ich das vermutlich auch probiert. Aber ich fand rauchen schon so ekelhaft, dass es nie dazu gekommen ist.
Auf "Bang Bang" rappt ihr über euer erstes Mal und dass ihr eher den Druck von Außen gespürt habt, es hinter euch zu bringen. Aber danach habt ihr alle damit angegeben, was ihr für harte Kerle seid. Somit habt ihr den Druck, den ihr gespürt habt, selbst weiter reproduziert? Das ist das Paradebeispiel von toxischer Männlichkeit.
Danger Dan: Das ist es auch. Mir war es auch wichtig, das nochmal zu reflektieren und in meinem Text zu sagen, dass es meine Freundin mit Sicherheit nicht sehr angemacht hat. Der Song thematisiert einfach die Dynamiken, die so entstehen und das geht nicht spurlos an einem vorbei.
Panik Panzer: Ich fand vor allem Koljahs Part sehr beklemmend.
Koljah: Ich auch! Das ist natürlich bewusst so geschrieben, denn ich habe gemerkt, wenn ich das schildern will, dann muss ich das auch genauso machen. Auch wenn es mir selbst kein gutes Gefühl gibt. Aber irgendwie habe ich da eine Dringlichkeit gespürt das zu machen.
Das sind jetzt alles Erlebnisse, die wir mit einer gewissen Distanz erzählen können, da es sehr lange her ist. Aber das war etwas, was einen ja wirklich lange beschäftigt hat und einen auch unter Druck gesetzt hat. Wir sind jetzt selbstbewusst genug das auf einem Song zu erzählen, aber hätte mir jemand damals gesagt, dass ich das mal auf einen Rap-Song packe, dann wäre mir das mega unangenehm gewesen.
Im Part von Panik Panzer habe ich nicht so stark den Druck wahrgenommen, wie in dem Part von Danger Dan und Koljah.
Panik Panzer: So wie du es sagst, habe ich das gar nicht wahrgenommen. Aber mein Part ist eigentlich meine zweite Strophe zu dem Song. Denn als wir damit angefangen haben, habe ich gar nicht damit gerechnet, dass das von den anderen beiden so ernst gemeint war und dass das wirklich ein Song wird.
Deshalb war meine erste Strophe auch sehr absurd und übertrieben. Aber den Druck von Außen habe ich auf jeden Fall auch krass gespürt. Ich habe zu der Zeit sehr viel beobachtet, was um mich herum passiert und mich natürlich gefragt, warum es bei mir nicht passiert. Dadurch hat sich auch nochmal Druck aufgebaut.
Geburtstage sind das Thema von "Keine Party". Habt ihr nur ein Problem mit dem Älterwerden oder mögt ihr euren Geburtstag einfach nicht?
Koljah: (lacht) Ich glaube meine Strophe hört sich ein bisschen nach Midlife Crisis an. Geburtstag haben mir besser gefallen, als noch eine „2" vorne dran stand. Mittlerweile weiß ich oft auch gar nicht, wie alt ich gerade bin und muss selbst kurz überlegen.
Danger Dan: Ich habe kein Problem mit dem Älterwerden.
Du hasst es nur, wenn Leute erwarten, dass du an dem Tag glücklich bist?
Danger Dan: Das sorgt auf jeden Fall auch für Druck von Außen. Panik Panzer und Koljah haben mir auch mal einen Handstaubsauger geschenkt und dann muss man so tun, als ob man sich freut. Aber mein Leben wurde auch erst geil, als ich 30 wurde. Mein Leben davor war eine Kinderkrankheit. Ich will nie mehr 29 sein und finde meine 20er richtig peinlich.
Panik Panzer: Ich finde das Älterwerden auch nicht so schlimm. Ich schäme mich auch nicht dafür älter zu werden, aber ich finde es wichtig nicht stehen zu bleiben und zu denken "So, das ist das wofür ich mich interessiere und das bleibt so."
Danger Dan: Man muss aber auch sagen, umso älter wir werden, desto schöner werden wir. Im Vergleich mit den Pressefotos zu den letzten beiden Alben und den aktuellen Pressefotos, sind wir momentan die schönste Antilopen Gang die es jemals gab.
Anderes Thema: HipHop.de ist für euch der Inbegriff von schlechtem Musikjournalismus. Auf „Wünsch dir nix" und „Smauldo" werden sie negativ erwähnt. Wie ist das gemeint?
Panik Panzer: Als Facebook noch ein großes Ding war, habe ich auf meiner Facebookseite öffentlich wirksam hiphop.de entliked, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Aber das Portal hiphop.de hat sich über die Jahre so verändert und in dem Moment als sie mit Clickbait-Headlines angefangen haben und Videos gepiept haben, um Werbepartner reinzubekommen, habe ich aufgehört das zu verfolgen. Ich glaube auch, dass da mittlerweile vielleicht ein paar gute Leute sitzen.
Koljah: Aber hiphop.de ist dann auch das Portal bei dem sich Kollegah hinsetzen kann und den Holocaust relativieren kann und keiner sagt so wirklich irgendwas dagegen.
Und warum zerreißt ihr dann im Musikvideo zu "Wünsch dir nix" ein rap.de-Logo?
Koljah: Das ist clever, oder? Rap.de nervt halt auch, aber vielleicht geht es mit dem neuen Chefredakteur auch wieder bergauf und dann entschuldige ich mich vielleicht mal.
Ist das Dorf wirklich das "Zentrum des Bösen" und gibt es da auch gute Seiten?
Panik Panzer: Die klare Antwort ist: Nein, es gibt keine guten Seiten am Dorf und das Dorf ist das Zentrum des Bösen.
Koljah: Ich glaube, die Anonymität der Großstadt ist überhaupt die Voraussetzung, etwas entstehen zu lassen, was fortschrittlich ist. Im Dorf hast du die Gemeinschaft, wo es darum geht, dass niemand so richtig ausscheren kann und es gibt Traditionen an die man sich hält. In der Stadt hast du die Gesellschaft, wo du als Individuum erst mal dein Ding machen kannst und versuchen kannst, dein Glück zu finden.
Danger Dan: Man kann sich auch Wahlergebnisse von Dörfern und Städten angucken; und Dörfer hängen da eigentlich immer hinten dran.
Die Cover zu „Aversion" und „Anarchie und Alltag" waren beide utopisch perfekt. Das zu „Abbruch Abbruch" ist dagegen düster und zeigt eine gruselige Antilope in die man mit der Geisterbahn fährt. Warum genau das Motiv und wer hat das überhaupt gemacht?
Panik Panzer: Wir haben da nicht ewig lang ein Konzept erarbeitet, sondern das hat sich so ergeben. Natürlich haben wir zuerst überlegt, ob wir trilogiemäßig optisch an die ersten beiden Alben anknüpfen, aber wir haben keine Lösung gefunden, wie man da gut anknüpfen kann. Aber ich bin jetzt auch ganz froh, dass wir da nicht angeknüpft haben, denn das Album ist auch nochmal was neues im Vergleich zu den anderen beiden.
Wir waren dann auf der Suche nach jemandem, der uns dabei hilft und dessen Stil wir mögen. Dabei sind wir auf Florian Schommer (Instagram) gekommen und sein Stil ist so düster. Die Geisterbahn passt aber als Metapher zu vielem, was da auf dem Album stattfindet.
Danger Dan: Wie Panik Panzer schon gesagt hat, gab es schon Ideen, wie wir an den alten Covern anknüpfen könnten. Bei "Aversion" war es ein Ölgemälde, bei "Anarchie und Alltag" war es diese perfekte, cleane Computer-Welt.
Dann dachten wir, dass wir jetzt ein Foto nehmen, aber wir haben gemerkt, dass wir uns da wiederholen würde, was dem Album nicht gerecht werden würden. Ich mag aber auch die Vorstellung einer Geisterbahn, denn das Album ist genau so: Man fährt da durch und es ist schrecklich und lustig zugleich.
Das Album fühlte sich so beim Anhören auch an. Es finden irgendwie viele Trennungen statt. Egal ob von Beziehungen, vom Kiffen und Kiffer-Freunden, eurer Jungfräulichkeit, dem Dorf, dem Abraxas, etc. aber ihr wertet die nicht wirklich. Man merkt, dass sie wichtig sind für eure Weiterentwicklung.
Panik Panzer: Es geht ganz viel um Abbrüche.
Deshalb auch der Albumtitel? Oder brauchtet ihr nur wieder einen Titel, der mit "A" beginnt?
Panik Panzer: (lacht) Auch.
Danger Dan: Der Albumtitel war irgendwann da und fühlte sich richtig an. Man kann da auch ganz viel hineininterpretieren. "Abbruch Abbruch" beispielsweise als einzige Reaktion auf bestehende Verhältnisse oder auf uns selbst.
Koljah: Wie du schon gesagt hast, es wird ganz viel abgebrochen auf dem Album. Deshalb passt das im Gesamtwerk ganz gut zusammen.
Habt ihr zum Ende noch etwas was ihr loswerden wollt?
Danger Dan: Kommt alle auf die Tour, die wird großartig. Wir spielen auch in jeder Stadt, die gut ist. Wir spielen nicht im Dorf. Und wenn ihr im Dorf wohnt, seht zu, dass ihr da rauskommt und ihr müsst auch eure Freunde mitnehmen.
Aber wenn noch mehr Leute aus den Dörfern ziehen, dann bleiben dort nur noch die Faschos?
Danger Dan: Das ist dann ein Problem das wir mit dem nächsten Album lösen können.