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Der Paketshop direkt an der Haustür

Ein paar Klicks nur, und schon sind die neuen Schuhe oder das neue Handy bestellt. Das ist bequem und spart vermeintlich Zeit. Doch oft wartet abends dann der Zettel im Briefkasten mit der schlichten Information, dass der Paketzusteller den Empfänger leider nicht angetroffen hat und dass das Paket nun irgendwo abgeholt werden muss. Das ist ärgerlich – die Zeit, die eigentlich eingespart werden sollte, wird nun benötigt, um zur Post oder zum Paketshop zu fahren und eventuell lange anzustehen. Am Ende passt der bestellte Artikel dann doch nicht oder gefällt nicht. Das bedeutet einen erneuten Zeitverlust, denn nun muss das Paket in den Paketshop zurückgebracht werden.

Mit Glück hat der freundliche Nachbar, der unten im Haus wohnt, das Päckchen angenommen. Doch dieser ist auch nicht immer zu Hause oder es pocht das schlechte Gewissen, weil er seit Jahren Pakete für fast alle Bewohner des Hauses annimmt. "Bequem geht anders", dachte der Hamburger Unternehmer Reimer Hintzpeter. Seine Familie und er bestellen vieles online, und wenn der Unternehmer nach Hause kommt, sammelt er regelmäßig Pakete bei seinen Nachbarn ein. "Feierabendtörn" nennt Hintzpeter das. Als die Telekom vor zwei Jahren seine Firma Feldsechs anfragte, ob sie das Produktkonzept eines intelligenten Paketannahmesystems übernehmen wollen, sagte Hintzpeter auch aus persönlicher Motivation zu.

Das Produkt, mit dem der Hanseat die Logistikbranche verändern will, sieht auf den ersten Blick recht unscheinbar aus. Zusammengefaltet ist es etwa so groß wie eine Fußmatte und sieht aus wie ein zu dick geratenes Tablett. Dieses legt der Besitzer vor seine Wohnungstür, wenn er ein Paket erwartet. Was wie ein Tablett aussieht, enthält einen stabilen Stoffsack, der aus Kevlar besteht und mit Glasfasern beschichtet ist. Trifft der Paketzusteller den Empfänger nicht an, öffnet er den Paketbutler mit einem PIN-Code oder seinem Handheld und verstaut das Paket in dem Sack. Wenn der Besteller dann nach Hause kommt, öffnet er seinen Paketbutler dann ebenfalls mittels PIN-Code. "Die Logistikbranche verändert sich. Die Entwicklung des DHL-Paketkastens war nur der erste Schritt. Unser Produkt, entwickelt für Mehrfamilienhäuser, wird eine hohe Relevanz haben", so Hintzpeter. "Wir entkoppeln den Zustellprozess von der persönlichen Anwesenheit."

Nach einer fünfmonatigen Pilotphase in 100 Berliner Haushalten will Hintzpeter den Paketbutler Ende des Jahres auf den Markt bringen. "Das ist eine vollkommen neue Produktgeneration, die wir da entwickeln. Deswegen haben wir den Paketbutler lange auf Herz und Nieren getestet ", so Hintzpeter. Der Hamburger Unternehmer ist von seinem Produkt überzeugt: "Bis Ende 2016 sollen 50.000 Paketbutler produziert und auch verkauft werden." Billig wird so ein Paketbutler allerdings nicht – 179 Euro soll er kosten.

Ganz neu ist die grundsätzliche Idee eines Paketannahmesystems direkt an der Wohnungstür jedoch nicht. Im März dieses Jahres "ankerte" die Lockbox in Hamburg. Dabei handelt es sich um Hartplastikkisten, die mit einem Metallseil über einen Anker an der Wohnungstür befestigt werden. "Der Anker ist ein kleines, flaches Metallstück, das so dick wie ein viermal gefaltetes Schreibmaschinenpapier ist", sagt Thomas Alexander Kraker von Schwarzenfeld, Geschäftsführer der Berliner Lockbox GmbH. "Nach der Registrierung bei uns kommt ein Mitarbeiter und passt den Anker an die Wohnungstür an. Die Tür wird dabei nicht beschädigt."

Für Kraker von Schwarzenfeld ist bei seiner Idee neben der Bequemlichkeit der Aspekt der Nachhaltigkeit von großer Bedeutung: "Mein Ziel ist es, ein Mehrwegsystem zu schaffen. Milliarden von Versandkartons wandern nach der einmaligen Benutzung auf den Müll." Aus diesem Grund arbeitet sein Unternehmen mit verschiedenen Partnershops zusammen. "Dann fällt der Verpackungsmüll weg, denn unsere Partner legen ihre Produkte direkt in die Lockbox", so Kraker von Schwarzenfeld. Lieferungen von Nichtpartnern können ebenfalls in der Lockbox geliefert werden. "Der Kunde bekommt nach der Registrierung eine Adresse genannt, die er bei Bestellvorgängen angeben kann. Geht die Ware des Fremdanbieters bis 14 Uhr bei uns ein, erhält der Kunde noch am selben Tag sein Paket in der Lockbox. Es gibt also keinen Laufzeitverlust", sagt Kraker von Schwarzenfeld. 2,90 Euro kostet die Lieferung einer Bestellung bei einem Drittanbieter, der kein Partnershop ist.

In Hamburg hat das Berliner Start-up bislang vier Lebensmittellieferanten als Partner gewonnen. Die Lebensmittel werden in einer Thermobox geliefert und diese wird an den Anker gekettet. Seit eineinhalb Monaten läuft nach einer Testphase in Hamburg der Normalbetrieb. Bis zu zehn Lieferungen werden derzeit pro Tag in Lockboxen in Hamburg verschickt, so der Geschäftsführer – das ist noch überschaubar. Kraker von Schwarzenfeld bleibt aber optimistisch: "Die Hamburger werden unser Angebot schon noch annehmen." Eine neue Idee für den Hamburger Markt gibt es bereits: Von September an wird der Getränkelieferant Trinkkiste auch in Hamburg mit Lockbox liefern. "Die Zeiten, in denen man in der Wohnung auf den Lieferanten warten muss, sind damit vorbei", sagt Kraker von Schwarzenfeld.

Eine Kiste aus Hartplastik und ein Stoffsack – auf den ersten Blick erscheinen beide Systeme nicht wirklich sicher. Kraker von Schwarzenfeld: "Von bisher 3000 Lieferungen ist noch keine Box weggekommen. Der Dieb muss ja auch erst ins Haus kommen, dann die Lockbox finden und sie unbemerkt aufbrechen. Und wofür? Pinke High Heels?"

Für Reimer Hintzpeter war bei der Entwicklung des Paketbutlers die Sicherheitsfrage sehr wichtig. "In den Stoff ist eine Alarmfunktion eingewoben. Salopp formuliert quietscht der Paketbutler, wenn ihn jemand aufschneidet." Außerdem erhalte der Kunde eine Push-Nachricht auf sein Handy, wenn sich jemand am Paketbutler zuschaffen mache. Obwohl Hintzpeters Produkt noch nicht auf dem Markt ist, tritt er selbstbewusst auf: "Die Idee hat großes Potenzial, der Zustellungsprozess wird sich verändern." Angst vor seiner Konkurrenz Lockbox hat der Hanseat nicht. "Das ist ein tolles Start-up und aus meiner Sicht ein spannendes Nischenprodukt. Ich suche nicht nach einer Nische, mein Ziel ist der Massenmarkt", so Hintzpeter.

Martin Grundler, Sprecher der DHL, dem Marktführer in Paketdienstleistungen, glaubt, dass die neuen Paketannahmesysteme Chancen haben, sich zu etablieren. "In Deutschland werden täglich 3,5 Millionen Pakete und Päckchen verschickt, Weihnachten sind es fast doppelt so viele", so Grundler. "Der Gedanke einer Paketbox in Mehrfamilienhäusern ist somit durchaus interessant, weil sie dem Kunden eine größere Flexibilität ermöglicht." Hintzpeter sieht gute Chancen für den Standort Hamburg. "Gerade in den Metropolen, in denen viele Menschen leben, wird auch viel bestellt."

Den Nachbarn im Erdgeschoss würde es wohl freuen.