Mama, Mama, Kind oder Papa, Papa, Baby? Endlich ermöglicht der Beschluss zur Ehe gleichgeschlechtlichen Partnern die Hochzeit - ein weiterer Schritt in Richtung Gleichstellung und mehr Toleranz innerhalb der Gesellschaft. „Es bleibt noch viel zu tun!" meint Stephanie Gerlach aus Sendling-Westpark. Seit Mai berät und betreut sie im Deutschen Regenbogenfamilienzentrum schwule, lesbische und transsexuelle Paare mit Kinderwunsch. Für Gleichberechtigung, Frauenrechte und mehr Akzeptanz setzt sie sich bereits seit Jahrzehnten in der Landeshauptstadt ein. Wie Gerlach, die seit 15 Jahren mit ihrer Frau in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt und eine gemeinsame Tochter im Teenie-Alter hat, zur Ehe für alle steht, wie sie am 15. Juli den Christopher Street Day feiert und den Tag Anfang der 80er-Jahre erlebt hat, verrät sie in Hallo München.
A kzeptanz gibt es noch nicht genug - die Ehe für alle ist aber ein sehr wichtiges politisches Signal.
B ücher: Meine schönste Zuschrift: „Sie haben mir Mut gemacht!" Ich habe mehrere Bücher zum Thema Regenbogenfamilien geschrieben, betreibe einen Blog. „Und was sagen die Kinder dazu?" beschäftigt sich mit den Eindrücken von Kindern lesbischer, schwuler und transsexueller Eltern. Die Bücher haben vielen geholfen, Hemmungen abzulegen und eine eigene Regenbogenfamilie zu gründen.
C SD: Der Münchner Christopher Street Day steht schon immer für Politik und Party - und in diesem Jahr wird natürlich besonders groß gefeiert. Die Entscheidung zur Ehe für alle wird für tolle Stimmung und eine ganz besondere Atmosphäre sorgen. Dieses Jahr steht der CSD unter dem Motto „Gleiche Rechte. Gegen Rechts!" Beim Thema „Gleiche Rechte" sind wir nun wieder ein Stück weitergekommen.
D iskriminierung ist aber leider immer noch gang und gäbe - in jeder Altersklasse. Lesbische, schwule und transgeschlechtliche Jugendliche haben oft mit Mobbing zu kämpfen, Erwachsene mit Vorurteilen und Unverständnis.
E he für alle: Ein toller Schritt - aber längst überfällig! Länder wie Spanien - konservativ, katholisch, bis Ende der 70er-Jahre eine Diktatur - erlauben das schon lange, seit zwölf Jahren. Mit Deutschland sind es nun 23 Länder, die die Ehe für alle anerkennen.
F rauenrechte: 2002 habe ich mit Barbara Stenzel einen Stammtisch für lesbische Frauen mit Wunschkindern und Kinderwunsch gegründet, aus dem „LesMamas" hervorgegangen ist - seit 2014 sind wir ein eingetragener Verein.
G leichberechtigung: Oft noch immer Fehlanzeige. Meine Frau und ich haben im Laufe der Jahre viele Fragen wie „Wer ist denn die richtige Mutter?" oder „Sind Sie die Schwester/Cousine/das Kindermädchen?" beantwortet. Das eigene Familienmodell immer wieder zu erklären, das muss man im Kreuz haben.
H omo/Hetero: Es wäre schön, wenn diese beiden Begriffe irgendwann nicht mehr als Gegensatz gegenüber stünden. Jeder Mensch ist gleichwertig - da spielt es keine Rolle, ob homo oder hetero!
I nklusion: Gemeinsam haben wir schon viel bewirkt. Ich erinnere mich noch an mein erstes Rathaus-Clubbing - ich habe geweint. Ich dachte: „So lange sind wir verachtet worden und jetzt sind wir hier."
J akobsplatz: Die „Regenbogenfamilien-Area" gibt es schon lange beim CSD - bisher immer auf dem Marienhof. Heuer sind wir zum ersten Mal auf dem Sankt-Jakobs-Platz - was ich toll finde, mittendrin und an diesem besonderen Ort.
K inderwunsch: Ist bei gleichgeschlechtlichen Paaren ein großes Thema. Im Regenbogenfamilienzentrum bieten wir umfassende Beratung. Trotz vieler Möglichkeiten haben lesbische Paare es etwas leichter als schwule, denn sie können schwanger werden. Die Leihmutterschaft hingegen ist in Deutschland verboten.
L iebe kennt keine Hautfarbe, Religion oder Alter - und keine Geschlechtsnormen.
M ünchen leuchtet: 2016 habe ich für meinen Einsatz um die Rechte und die Unterstützung homosexueller Frauen die Medaille „München leuchtet" in Silber bekommen - ein tolles Gefühl, dass mein ehrenamtliches Engagement für die Gleichberechtigung und Menschenrechte auf diese Art gewürdigt wurde.
N ormen: „Normal" - für mich ein schrecklicher Begriff. Von „Mama, Mama, Kind" bis Patchwork - das sind alles normale Familien - das muss nur in den Köpfen ankommen.
O uting: Das Coming-Out bietet Schutz! Nur wer zu sich und seiner Sexualität steht, kann diese auch offen leben. Ohne Coming-Out unterstützt man die Stigmatisierung, drückt sich den Stempel „Ich bin anders" bewusst auf.
P arade: Die Parade am Christopher Street Day wird heuer riesig: 118 Gruppen sind angemeldet, 46 Umzugswagen - ein Rekord. Ich weiß noch, wie ich selbst meinen ersten CSD gefeiert habe. 1980, wir waren 30 Lesben, 120 Schwule, keine Musik, viel Polizei.
Q ueer: Das Überkommen von gesellschaftlichen Normen - dafür steht der Begriff „Queer". Die Natur kennt mehr als männlich, weiblich, hetero- und homosexuell, sie ist herrlich bunt und chaotisch: Ob lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender - einfach queer.
R egenbogenfamilienzentrum: Die Fraktion Grüne/Rosa Liste hat das Zentrum erst möglich gemacht - nach Berlin die zweite derartige Einrichtung in Deutschland. Ohne Thomas Niederbühl - seit 1996 als erster offen schwuler Politiker einer schwul-lesbischen Wählergruppe im Stadtrat - und ohne Lydia Dietrich wären wir in München heute nicht da, wo wir jetzt sind.
S amenspende: Ich finde es sehr wichtig, das Thema Samenspende aus der Tabuzone zu holen - die Samenspende ist ein Geschenk, kein Tabuthema.
T oleranz ist wichtig. Ich wünsche mir noch mehr davon. Gerade in Zeiten der Spaltung und Polarisierung müssen wir uns daran erinnern, dass uns alles, was wir erkämpft haben, uns auch wieder genommen werden kann. Deshalb sollten wir Kindern und Jugendlichen in Sachen Toleranz ein gutes Vorbild sein.
U nterschiede können immer eine Bereicherung sein - sie müssen uns nicht ängstigen.
V eränderungen machen vielen Menschen nach wie vor Angst - und bedeuten so oft etwas sehr Gutes.
W ege zum Kind gibt es viele, auch für gleichgeschlechtliche Paare: die (Stiefkind-)Adoption, Insemination oder künstliche Befruchtung oder die Pflegschaft - im Regenbogenfamilienzentrum beraten wir, bieten einen Treffpunkt und die Möglichkeit zum Austausch untereinander.
X-Chromosom: Genetisch bestimmt es das Geschlecht - das persönliche Empfinden und die sexuelle Orienterung unterliegt jedem selbst.
Y es, we can: Wir sagen JA! Mit meiner Partnerin bin ich seit 28 Jahren zusammen, seit 15 Jahren leben wir in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Diese werden wir jetzt natürlich in eine Heiratsurkunde umschreiben. Verheiratet fühle ich mich aber schon immer. Das Gesetz kann zwischen Ehe und Partnerschaft differenzieren - aber keine Gefühle vorschreiben.
Z ukunft: Die Ehe für alle ist ein wichtiger Schritt. Doch jetzt muss es auch weitergehen, mit dem Beschluss allein ist nicht alles getan. Wichtige Forderungen sind der freie Zugang zu Kinderwunschpraxen für alle, die Anerkennung der gemeinsamen Elternschaft ab der Geburt, die Mutterschaftsanerkennung für beide Mütter.
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