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Kündigung nach 30 Jahren: Schreiner aus der Au muss raus

Seit 1988 arbeitet Schreinermeister Michael Schaefer in einer kleinen Hinterhofwerkstatt in der Au. Doch jetzt muss der 59-Jährige ausziehen und steht vor dem Ruin.

Schreinermeister Michael Schaefer ist verzweifelt. Nach fast 30 Jahren muss der 59-Jährige aus seiner Werkstatt im Hinterhof der Eduard-Schmid-Straße 20 (Au) raus. Der neue Eigentümer des Hauses hat ihm überraschend gekündigt. „Am schlimmsten ist die Machtlosigkeit. Bei der Hausverwaltung speist mich nur die Sekretärin ab", sagt er.

Schaefer sitzt in seiner Werkstatt, vor seinen uralten Maschinen im Souterrain. Bretterstapel, Hobelspäne, Hinterhof - man möchte meinen, gleich hüpft der Pumuckl auf die Werkbank und setzt zu einem Gedicht an.

Aber die Sache ist ernst für Schaefer. Im Januar flatterte dem Schreiner der folgenschwere Brief der Hausverwaltung ins Haus: Innerhalb von sechs Monaten muss er die Werkstatt räumen. Einen Grund nannte ihm die Hausverwaltung in dem Schreiben nicht.

Erst auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt die Hausverwaltung, dass Lärm und Schmutz, die vom Gewerbebetrieb ausgehen, die Anwohner beeinträchtigen. Außerdem sollen die Räume, in der sich die Schreinerei befindet, renoviert werden - einen Plan, was danach damit geschehen soll, hat die Hausverwaltung nicht.

Schaefer kann sich nicht so recht vorstellen kann, was mit dem Raum im Souterrain, der regelmäßig vom Hochwasser geflutet wird, geschehen soll. Als das Wasser vor zwei Jahren 80 Zentimeter hoch stand, hat er sich selbst um die Schäden gekümmert. Jetzt, wo er alles selbst in Ordnung gebracht hat, muss der Schreinermeister raus. Rein rechtlich gibt es an der Kündigung nichts zu rütteln: Bei Gewerbemietverträgen gilt kein besonderer Kündigungsschutz wie bei Privatpersonen. Auch ein Kündigungsgrund ist nicht notwendig. Für den Schreinermeister geht es um seine berufliche Existenz.

Eigentlich wollte Schaefer bis zu seiner Rente in sechs Jahren hier bleiben

Als Schaefer die Hinterhofwerkstatt im Januar 1988 vom alten Schreiner übernahm, dachte er, er könnte bis zu seiner Rente bleiben. Mit der Eigentümerin des Hauses, einer älteren Dame, schloss er damals einen Pachtvertrag über 20 Jahre. Nachdem der abgelaufen war, stand nie zur Debatte, dass die alteingesessene Schreinerei gehen muss - schriftlich wurde das aber nie festgehalten. „Wir haben uns vertraut", sagt Schaefer. Er überwies weiterhin die monatliche Miete von 380 Euro - und alles lief wie gehabt.

Die Eigentümerin starb allerdings vor zwei Jahren. Seitdem ist im Haus nichts mehr, wie es war. Der neue Eigentümer hat angefangen, einige Wohnungen zu sanieren. Im verwunschenen Innenhof musste der Baldachin aus Flieder weichen. Der Eigentümer will dort Parkplätze bauen. Die restlichen Mieter sind verunsichert.

Schaefer sagt: „Am meisten werde ich das selbstständige Arbeiten und die zentrale Lage vermissen. In der Werkstatt steckt so viel von mir." Sechs Jahre hat er noch bis zur Rente - aber jetzt? Seine gesamten Ersparnisse würden für den Auszug drauf gehen. „Allein der Transport der tonnenschweren Maschinen wird rund 10 000 Euro kosten", sagt der Schreiner. Bisher weiß er nicht einmal, wohin er die Sachen bringen lassen soll. Eine neue Bleibe ist nicht in Sicht.

Joseph Mandlmeier (81) wohnt seit 53 Jahren im Haus nebenan. Er ist empört, dass der „Michel", wie er den Schreiner nennt, gehen muss: „Das ist nicht recht, das man jemanden rausschmeißt, der es schon so lange in dem Loch ausgehalten hat. Der hat hier nie jemanden gestört." Mandlmeier hat selbst früher als Schreiner gearbeitet und ratschte gerne mit Michael Schaefer. Er versteht nicht, warum dem Eigentümer die Schreinerei plötzlich ein Dorn im Auge ist.

Falls Schaefer in der Umgebung keine Räumlichkeiten findet, muss er aus München weggehen - und seinen mühsam aufgebauten Kundenstamm zurücklassen. Der gelernte Schreiner spielt sogar mit dem Gedanken, die Selbstständigkeit aufzugeben und hat mehrere Bewerbungen an große Möbelhäuser geschickt. Kein einziges antwortete auf die Briefe des 59-Jährigen. „Einen anderen Plan B habe ich nicht", flüstert er und lässt die Schultern sinken.

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