Am liebsten sitzt er oben am Felsenschlag, einem Hochplateau, auf dem Orkan Kyrill vor elf Jahren alles abgeräumt hat. Der weite Blick und die Natur, die sich hier regeneriert, machen den Ort zu seinem Lieblingsplatz im Thüringer Wald: Förster Ronny Eckhardt, 41, ist Revierleiter im Unesco-Biosphärenreservat. Er lebt und arbeitet in einem der grünsten Bundesländer Deutschlands.
Der Freistaat Thüringen besteht zu einem Drittel aus Wald. Das sind so viele Bäume, dass sie Mallorca und Gran Canaria komplett bedecken könnten - und noch locker für Sylt reichen würden. Auf rund 550.000 Hektar wachsen zwischen Harz und Rhön, der Werra und dem Altenburger Land die Thüringer Wälder. Die bedeutendsten Waldgebiete sind der Thüringer Wald, das Thüringer Schiefergebirge und der Nationalpark Hainich. Insgesamt stehen hier 330 Millionen Bäume, wie mathematisch versierte Forscher im Zuge der Bundeswaldinventur ermittelt haben. 40.000 Vollzeitbeschäftigte kümmern sich um Forst und Holz - die grüne Seele des Landes.
Förster "bauen" den Wald der ZukunftRonny Eckhardt ist Förster aus Leidenschaft. Sein Revier seit zehn Jahren: Oberhof Schneekopf, 95 Prozent Fichten, 1.500 Hektar. "Neunzig Prozent davon liegen im Biosphärenreservat", sagt er. Die Hälfte seiner Arbeitszeit verbringt er in der Natur. Manchmal erklärt er Besuchergruppen seine Welt. "Ich möchte den Leuten Verständnis für die Forstwirtschaft vermitteln. Das ist ja nicht nur eine touristische Spielwiese hier, sondern auch ein Forstbetrieb. So wildromantisch wie im Forsthaus Falkenau geht's bei uns nicht zu."
Gerade koordiniert Eckhardt ein Waldumbauprojekt. Eine große Kammlagenfläche soll in einen Bergmischwald umgewandelt werden - zu den Fichten werden sich Buchen und Weißtannen, Bergahornbäume und Ebereschen gesellen. "Was wir jetzt machen, wird erst in etwa fünfzig Jahren spürbar", erklärt der Förster. "In der Forstwirtschaft rechnen wir ja in Baumgenerationen, das sind lange Prozesse. Ich mache das hier mehr für meine Kinder als für mich selbst. Wir bewirtschaften den Wald der Zukunft."
Der Rennsteig führt mitten durch den Thüringer WaldWald ist in. Ratgeber wie Das geheime Leben der Bäume von Peter Wohlleben führen immer wieder die Bestsellerlisten an. Bei einer Umfrage des Deutschen Wanderverbands gaben 69 Prozent der Deutschen an, dass sie wandern gehen. Die drei Hauptgründe: Sie wollen Natur erleben, aktiv sein und etwas für die Gesundheit tun. In Thüringen findet man dafür eine geradezu paradiesische Landschaft vor. Theoretisch könnte man hier fast um die halbe Welt wandern: Nach Angaben der Landesforstanstalt ThüringenForst gibt es 17.143 Kilometer Wanderwege, 8.459 davon im Wald.
Quer durch den Thüringer Wald führt die Hauptader für Wanderer: der Rennsteig, 169 Kilometer lang. Als Deutschlands ältester, bekanntester und beliebtester Höhenwanderweg bekam er sogar ein eigenes Lied. Das Rennsteiglied ("Diesen Weg auf den Höh'n bin ich oft gegangen / Vöglein sangen Lieder ...") wurde für Naturfreunde zur heimlichen Hymne Thüringens. Mehr als 100.000 Wanderer kommen jedes Jahr hierher und gehen auf die "Runst". Der Rennsteigverein erfand das Wort vor mehr als hundert Jahren. Es kommt von "rennen", klingt nur schicker. Viele Wanderer grüßen sich mit "Gut Runst!" - in den Duden hat es der Gruß jedoch noch nicht geschafft.
Der Rennsteig führt auf einer Länge von etwa dreißig Kilometern direkt durchs Biosphärenreservat. Dessen Fläche hat sich gerade auf 337 Quadratkilometer verdoppelt - Ende Juli bekam das älteste Wald-Biosphärenreservat Deutschlands die neue Unesco-Anerkennung. Weiter nördlich gelegen, im Nationalpark Hainich, gehören uralte Buchenwälder zum Unesco-Weltnaturerbe. In den Kernzonen der Schutzgebiete und in anderen Wäldern können Hunderttausende Bäume machen, was sie wollen, jahrzehntelang. Hier entstehen ohne Eingriffe durch den Menschen europäische "Urwälder". Auch Peter Wohlleben, Deutschlands berühmtester Förster, engagiert sich für das In-Ruhe-Lassen alter Buchenwälder.
Von noch mehr "Urwald" hält der Oberhofer Förster Ronny Eckhart hingegen nichts: "Wir vertreten die Philosophie, dass Holz ein nachwachsender Rohstoff ist, den wir nutzen können. Deutschland braucht viel Holz. Und bevor wir es aus dem Ausland holen, wo die Produktionsbedingungen nicht kontrollierbar sind, sollten wir es doch lieber selbst nachhaltig produzieren."