Wenn man sich auf dem globalen Solaratlas der Weltbank die Europakarte ansieht, dann erkennt man, dass Bosnien und Herzegowina ein deutlich größeres Potential hat, Sonnenenergie zu nutzen als etwa Deutschland. Dennoch wird bisher nur ein sehr kleiner Teil der Energie im Land mit Hilfe von Solaranlagen erzeugt. Aus Bosnien berichtet Ulrike Schult.
-----------
Atmo/ Gespräch Heizungskeller
Fikret Alihodžić zeigt auf mehrere große Kessel in seinem Heizungskeller. 46 Grad Celsius zeigt die LED-Anzeige an der Anlage für Warmwasser. Also für das warme Wasser, das dann in den oberen Etagen aus dem Wasserhahn kommt. Alihodžić ist vom Fach, denn er betreibt mit seinen erwachsenen Kindern im bosnischen Tuzla eine Firma für Heizungs- und Klimatechnik. Kein Wunder also, dass das System im Haus seiner Familie auf dem allerneuesten Stand ist:
Fikret Alihodžić
Wir haben eine Fußbodenheizung installiert, die zwei Etagen mit etwa 220 Quadratmeter Fläche beheizt.
Das Haus der Familie Alihodžić ist eines der wenigen in Tuzla, auf denen eine Solarthermie-Anlage installiert ist. Dass das überhaupt möglich wurde, liegt zum Teil an Fördermitteln der Stadt:
Fikret Alihodžić
Die Gemeinde hat für ökologisches Heizen Subventionen vergeben. Und so konnten wir die Solarkollektoren installieren, um damit unser Warmwasser zu produzieren. Und dank weiterer Mittel konnten wir außerdem noch eine Wärmepumpe anschaffen, die auch maximal Energie einspart.
Vor Solarthermie und Wärmepumpe nutzten die Alihodžićs eine Pellet-Heizung. Mit Kohle, Holz oder Holzpellets zu heizen ist in Bosnien und Herzegowina mit seinen etwa dreieinhalb Millionen Einwohnern weit verbreitet. Doch die Preise für Heizmaterial sind in den letzten eineinhalb Jahren enorm angestiegen. Zwar wollen die Kommunen im Land erneuerbare Energiequellen stärker nutzen, doch da gebe es eine Reihe von Hindernissen, sagt Damir Miljević. Der Energieexperte der bosnischen Denkfabrik RESET berät in Bosnien auch Privathaushalte und Kommunen in Sachen Energiewende.
Damir Miljević
Leider gibt es für Bürger, die mit Photovoltaik selbst Strom produzieren wollen keine Förderprogramme. Das liegt daran, dass hier generell viele Fragen ungelöst sind und die gesetzlichen Regelungen für die Einspeisung von Strom ins Netz noch nicht überall fertiggestellt sind. Die Kommunen allerdings sind sehr bestrebt, ihre Bürger zu unterstützen.
Der Staat Bosnien und Herzegowina ist seit dem Krieg Anfang der 1990er Jahre überaus komplex aufgebaut. Die Folge: Vieles im Land geht nur schleppend voran. Bis in mindestens einem der drei Landesteile, nämlich in der Republika Srpska, die ersten privaten Besitzer von Photovoltaikanlagen Strom in die Netze einspeisen können, wird laut Miljević wohl noch etwa ein halbes Jahr vergehen.
Es bräuchte mehr systematische Förderung, damit die Bürger selbst Strom produzieren könnten. EU-Mittel, die das Beitrittsland Bosnien erhält, sind derzeit jedoch wenig auf die Energiewende ausgerichtet. Die staatlichen Energieversorger wiederum bekämen kaum Kredite für große Solar- und Windparks, so Miljević,
Damir Miljević
... denn keine einzige Finanzorganisation ist mehr bereit, das Risiko einzugehen, jemandem Geld zu geben, der so stark von der Kohleproduktion abhängig ist.
40 bis 50 Prozent der gesamten Energieerzeugung beruht in Bosnien auf fossilen Energieträgern. Beim Strom waren es 2021 sogar etwa 60 Prozent, während über 35 Prozent des Stroms in Wasserkraftwerken produziert wurde, die zum großen Teil nach dem Zweiten Weltkrieg im sozialistischen Jugoslawien gebaut wurden. Wind- und Solarkraftwerke lieferten nur etwa 2-3 Prozent des Stroms. Dabei könnte Bosnien seinen Strombedarf allein mittels Wind- und Sonnenenergie mehr als abdecken, so Miljević. Ohnehin hätten viele Privatunternehmen seit dem rapiden Anstieg der Energiepreise bereits angefangen, auf die Kraft der Sonne setzen.
Atmo SB-Autowaschanlage Tuzla
So etwa eine Autowaschanlage in Tuzla, die mit Hilfe von Solarthermie ihre Ausgaben für Erdgas gesenkt hat. Ein Mitarbeiter schätzt die Ersparnis beim Gas auf etwa 30 Prozent. Viele kleine und mittlere Unternehmen in Bosnien haben in letzter Zeit aber auch Photovoltaik auf eigenen Flächen installiert. Und das, obwohl sie den überschüssigen Strom noch nicht ins Netz einspeisen können.
Auch der Installateur Fikret Alihodžić in Tuzla kann sich vorstellen, auf dem Dach seines Hauses auch Strom zu produzieren. So lange die Installation aber praktisch nicht gefördert wird, sei das allerdings für ihn und viele andere Privatleute in Bosnien keine Option.
Original