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Volleyball: Der italienische Entwicklungshelfer der deutschen Frauen

© REUTERS Der Entwicklungshelfer: Giovanni Guidetti

Giovanni Guidetti hat viele Träume. Einer davon war, mit den deutschen Volleyballspielerinnen bei der Europameisterschaft in Polen ins Halbfinale vorzudringen. Das hat der Bundestrainer geschafft. Dass es im Spiel um Platz drei eine 0:3-Niederlage gegen Polen setzte, trübte die Freude nicht. Ein anderer lautete, Titelverteidiger Italien auf dem Weg ins Finale zu schlagen. Diese Vision blieb am Samstagabend in der Lodz vor mehr als 11 800 Fans unerfüllt. Nachdem das deutsche Team bereits im Auftaktspiel bei der EM in Polen gegen die Mannschaft aus dem Volleyballparadies verloren hatte, musste sich Guidettis Auswahl dem Favoriten auch im Semifinale geschlagen geben.

Zwischenzeitlich hatte die deutsche Mannschaft eine furiose Siegesserie gestartet, fünf Spiele nacheinander gewonnen und war dadurch erstmals seit dem Gewinn der Bronzemedaille 2003 wieder in ein EM-Halbfinale eingezogen. Doch der Titelaspirant erwies sich abermals als unüberwindbare Hürde. „Italien spielt auf einem eigenen Level", sagte Guidetti, von 1997 bis 2000 Co-Trainer des italienischen Teams. „Zu Beginn der EM habe ich gesagt, dass die Italienerinnen das Turnier ohne Satzverlust gewinnen - immerhin haben wir es geschafft, sie heute ein wenig ins Schwitzen zu bringen."

„Gegen Giovanni zu spielen ist etwas ganz Besonderes"

Dem italienischen Coach Massimo Barbolini, der genau wie Guidetti aus Modena stammt, war dieses Lob aus dem Munde seines Freundes bei der Pressekonferenz beinahe peinlich. Als schließlich die Sprache auf das Verhältnis der Trainer kam, sagte Barbolini: „In der Tat, gegen Giovanni zu spielen ist etwas ganz Besonderes. Ich kenne ihn schon so lange, sein Vater hat mir Volleyball beigebracht." Und Barbolini war dann wiederum einer der ersten Trainer von Giovanni Guidetti bei den Bambini gewesen. „Modena", sagte der Bundestrainer, „ist die einzige Stadt der Welt, in der die meisten Kinder nicht Fußball, sondern Volleyball spielen."

© dpa Wettbewerbsfähig dank italienischer Entwicklungshilfe

Der Deutsche Volleyballverband (DVV) kann sich glücklich schätzen, einen Trainer aus dieser Volleyball-Hochburg unter Vertrag zu haben. „Giovanni ist ein Glücksgriff für uns", sagt DVV-Sportdirektor Günter Hamel. „Er paart enormes Wissen in Technik und Taktik mit einem hochmotivierenden Umgang mit den Spielerinnen." Dass es die DVV-Auswahl nun dreieinhalb Jahre nach Guidettis Amtsantritt erstmals wieder unter die besten vier in Europa geschafft hat, ist zum Großteil das Verdienst des Italieners.

Erfolgreiche Suche nach Zentimetern

So baute Giudetti das deutsche Team Stück für Stück um. Nach der gescheiterten Olympia-Qualifikation 2008, wo sich Guidetti noch altgedienter Spielerinnen wie Hanka Pachale und Tanja Hart bediente, verordnete der 37 Jahre alte Trainer seiner Mannschaft eine radikale Verjüngungskur. Talente wie Margareta Kozuch (22 Jahre) und Maren Brinker (23) rückten in die Startformation und entwickelten sich unter seiner Führung zu Stammspielerinnen. Bereits nach der EM 2007, die sein Team auf dem sechsten Rang beendet hatte, hatte Guidetti bemängelt, dass der Mannschaft „Zentimeter und Erfahrung" fehlten.

Der Italiener kündigte damals an, Spielerinnen zu finden die beides haben: die entsprechende Größe, um sich gegen die großgewachsenen Blockspielerinnen auf europäischem Topniveau durchzusetzen; und die nötige Mischung aus Aggressivität und Konstanz, um effektiv zu punkten. Dieses schwierige Unterfangen ist geglückt.

2012 reif für den Coup?

Nun sind die deutschen Spielerinnen mit einem Durchschnittsalter von knapp über 25 Jahren eines der jüngsten Topteams in Europa. Anders als die Squadra Azzurra, wo beinahe alle Stammkräfte mehr als 30 Jahre alt sind, hat die deutsche Mannschaft noch jede Menge Steigerungspotential - auch in Hinblick auf Olympia 2012. Dass Guidetti dann noch Trainer jenes Teams ist, dessen Wille, Einsatz und mentale Stärke er in jedem Gespräch aufs Neue betont, ist der Plan aller Beteiligten. Noch in diesem Jahr will der DVV mit Guidetti, der einen Vertrag bis 2010 hat, über die Modalitäten der weiteren Zusammenarbeit beraten und den Kontrakt bis London 2012 fixieren. „Alles andere wäre ja wahnsinnig", sagt Hamel.

Der Plan des DVV sei es sogar, Guidetti mit einer vollen Stelle auszustatten. Bislang kann sich der Verband den Mann auf der Schlüsselposition nur im Sommer leisten, im Winterhalbjahr trainiert er den türkischen Topklub Vakifbank Istanbul. Guidetti selbst ist von der Idee noch nicht so recht begeistert. „Mein Leben ist die Halle", sagt er. „Ich will coachen, gewinnen und verlieren und nicht den ganzen Winter nur Spielerinnen beobachten." Doch er sagt auch: „Wenn der Verband denkt, dass das richtig ist, mache ich das auch."

Übrigens: Kurz bevor Guidetti aus der inzwischen leeren Atlas-Arena in Richtung Mannschaftsbus entschwand, offenbarte er: „Am liebsten würde ich einen Klub in Deutschland trainieren und mit jungen Nationalspielerinnen in der Champions League spielen." Noch so ein Traum von Giovanni Guidetti.

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