3 subscriptions and 1 subscriber
Article

Highspeed und Konfuzius

Ein staunender Blick auf ein traditionsreiches und hypermodernes Land, dessen Präsidentin Park Geun-hye Deutschland ihren ersten Staatsbesuch abstattet Von Tong-Jin Smith

Südkorea zählt zu den Tigerstaaten der ersten Generation. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von über 7 Prozent in der Zeit vom Ende des Koreakriegs 1953 bis 1990 kämpfte sich der einstige Agrarstaat mit staatlichen Investitionen in Industrie und Infrastruktur nach oben. Heute zählt das Land der Morgenstille zu den G-20 und ist gerade von Bloomberg News zur weltweit innovativsten Nation gekürt worden. Bekannt ist Südkorea dabei nicht nur für seine Automarken Kia und Hyundai, sondern auch für technologische Innovationen in der Unterhaltungselektronik und Kommunikationstechnologie. Vor allem LG und Samsung sind heute Global Player, deren Produkte weltweit erfolgreich sind.

Dass sich Südkorea zu einem Technologie- Mekka entwickelt hat, ist auf die gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung zurückzuführen sowie auf die hohe Akzeptanz von digitalen Medien und Dienstleistungen. In keinem Land der Welt sind so viele Smartphones in Gebrauch, über 78 Prozent der Bevölkerung haben eins. Unter den 18- bis 24- Jährigen liegt die Quote laut CNN bei rekordverdächtigen 97,7 Prozent. Dabei chatten Südkoreaner nicht nur konstant über beliebte heimische Apps wie Naver Line und Kakao Talk, sie bezahlen in Geschäften und Restaurants per App oder erledigen mit dem Smartphone auf dem Weg zur Arbeit in einem der 22 virtuellen Homeplus-Supermärkte in U-Bahnstationen den täglichen Einkauf. Dafür scannen sie in den digitalen Regalen die QRCodes der Produkte, die sie sich nach Hause liefern lassen und steigen dann in die U-Bahn. Dort nutzen sie ihre Handys zum Arbeiten - das nennt man Smart Working - oder schauen Livestreams ihrer Lieblingssendungen. Möglich macht das ein ultraschnelles Breitbandnetz.

"Der Mobilfunkstandard LTE wurde 2011 in Südkorea eingeführt und letztes Jahr unter der Bezeichung LTE-A nochmals stark verbessert. Dieser neue Standard ist doppelt so schnell wie LTE und bietet derzeit eine maximale Datentransferrate von 150mbps. Damit ist es 1,5 mal schneller als eine reguläre LAN Kabel- Verbindung und zehnmal so schnell wie 3G", erklärt Jong Hwan Lee, Geschäftsführer der Clauf GmbH, einem koreanischen eSport- Startup in Berlin (siehe Seite 3). "Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Verbreitung und Nutzung von LTE noch relativ gering ist, erreicht diese moderne Datenverbindung in Südkorea bereits eine Netzabdeckung von über 90 Prozent." Die Regierung forciert zudem die Entwicklung eines 5G-Netzwerks mit Investitionen von rund 1 Milliarde Euro. Ziel ist, bis 2020 das Land in ein neues blitzschnelles digitales Zeitalter zu katapultieren, in dem ganze Kinofilme in Sekunden auf ein mobiles Endgerät herunterladbar sind.

Für den großen Erfolg von Computerspielen ist die Netzinfrastruktur ein wesentlicher Grund. In Südkorea sind professionelle eSport-Spieler so berühmt wie Popstars. Die erfolgreichsten koreanischen Startups findet man daher wenig überraschend im e-Sport-Bereich. Darunter die Firma SmileGate, die 2013 mit dem Spiel "CrossFire" - dem erfolgreichsten Free-to-play-Spiel der Welt - einen Umsatz von fast 700 Millionen Euro erwirtschaftete. Unter den Top 10 der beliebtesten kostenlosen Spiele sind außerdem vier des südkoreanischen Entwicklers Nexon. Und Ongamenet, der führende Fernsehsender für Computerspiel- Inhalte, sendet mittlerweile nicht mehr nur auf Koreanisch, sondern für ein zunehmend internationales Publikum auch auf Englisch. Denn das Interesse an eSport wächst weltweit. "Man kann es etwa mit professionellem Fußball vergleichen, bei dem es nicht nur um das tatsächliche Spiel, sondern auch um das Zuschauerspektakel geht", erklärt Lee die Faszination.

Südkoreaner seien in Sachen Technologie generell Early-Adopter. "Man sagt, dass wenn ein neues Produkt im IT-Bereich in Korea gut angenommen wird, es dann auch gute Chancen auf dem globalen Markt hat." So gibt es in Südkorea zahlreiche Onlinedienste, die Senioren dabei unterstützen, ihren Alltag zu bewältigen oder sogar per Webcam eine Ferndiagnose vom Arzt zu erhalten. Und seit 2008 erobern in Pilotprojekten Whiteboards, Tablets und andere Gadgets die Schulen. Ursprünglich sollten bis 2015 alle Bücher durch digitale Medien ersetzt werden. Heute existiert ein Hybridsystem, in dem beides genutzt wird und den Kindern eine individuelle Lernerfahrung bietet. Hierfür gibt es auch Lernspiele, die Augmented Reality nutzen - eine Technologie, die digitale Inhalte mit der Realität mischt.

Als Teil des R-Learning-Programms werden seit 2010 auch Roboter eingesetzt. "Engkey" ist ein Lehr-Robo, der per Bildschirm den Lehrer zeigt, der etwa in Australien sitzt und übers Internet den Englischunterricht erteilt. Ein anderer Robo-Lehrer nutzt Spracherkennungssoftware, um Schülern die korrekte Aussprache beizubringen, während "Genibo", ein niedlicher Robo-Hund, mit Vorschulkindern turnt und tanzt. Als Erzieherersatz ortet "iRobi" Kinder im Klassenraum und fragt sie, wie es ihnen geht. Aber nicht alle Roboter in Südkorea sind nette Helfer, manche arbeiten auch mit einer 3-D-Kamera ausgerüstet als Gefängniswärter und patrolieren durch die Zellenblöcke. Dank komplexer Algorhytmen sind sie in der Lage, gefährliche Situationen zu erkennen und menschliche Hilfe zu rufen. Vorreiter in der Robotikentwicklung ist dabei das Korea Advanced Institut of Science and Technology, das zu den besten technischen Hochschulen der Welt zählt.

Der neueste Trend im Highspeed-Internetland Südkorea ist aber eher voyeuristisch. "Mok-bang", ein Kunstbegriff, bedeutet so viel wie "essen" und "senden". Menschen filmen sich mit der Webcam und schicken die Bilder per Livestream für ein Millionenpublikum ins Internet. Über den Youtube-ähnlichen Videokanal Afreeca TV sehen Zuschauer die Sendungen und können mit den Moderatoren - auch Broadcast Jockeys (BJ) genannt - chatten und ihnen per Mausklick zur Belohnung sogenannte Star Ballons schicken, eine Form von virtueller Währung, die vom BJ in harte Won umgetauscht werden.

Die Stars der Szene verdienen inzwischen Tausende Euro im Monat. Eine junge BJ, die sich The Diva nennt, sitzt täglich ab etwa 20 Uhr mehrere Stunden vor der Webcam. Dabei vertilgt sie Unmengen Pizza, Pasta, Steaks und koreanische Gerichte. In einem Interview sagte sie, sie habe aus Langeweile mit "Mokbang" begonnen. Dass sie durch ihre Ess- Shows schon fast zehn Kilo zugenommen hat, scheint ihr egal. Sie ist ein Star in diesem technologieverliebten Land.

www.welt.de/republik-korea
Original