Neulich schrieb mir A., eine Freundin: Ey, was hältst'n von dem da? - Der da, das war der hier. Und dieser also, Moritz von Uslar, bedurfte zurecht einer wertenden Einordnung. Und das wiederum führte mich dazu, über Popkultur nachzudenken. Was ist Popkultur und warum können wir, liebe A., Moritz von Uslar nur gutfinden, wenn wir ihn als Teil der Popkultur verstehen?
Also erstmal, was macht Moritz von Uslar? Er schreibt Interviewfragen und hofft auf Antworten. Die belanglosesten 99 kommen ins Zeit-Magazin. Das ist erstmal befremdlich. Zum Beispiel, wenn er dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Toni Hofreiter folgende Frage stellt und folgende Antwort erhält:
26 Moritz von Uslar: Gibt es so etwas wie einen Song der Grünen?
Toni Hofreiter: Nein.
Popkultur - das ist auch ein echtes Verständigungsproblem - wird in verschiedenen Zusammenhängen benutzt. Und alle Bedeutungen, finde ich, lassen sich an diesem Beispiel aufzeigen.
Erstens kommt Pop von populär - das lateinische populus. Und das heißt Volk. Also jetzt nicht Volk ohne Raum, sondern mehr Volk ohne Brot und Spiele. Populärkultur ist die Kultur, die scheinbar jeder kann. Und so, denkt sich Moritz von Uslar, kann er auch so eine Frage stellen. Die vielleicht nicht der Politik-Chef von der FAZ gestellt hätte, sondern eher dem sein Sohn. Aber der versteht dafür endlich auch mal was. Und warum nicht? In einer Zeitung, die potentiell jeder kaufen kann? Pop ist, was jede kann. Scheinbar.
Denn zweitens ist es nicht so einfach, Pop zu machen. Man kann nicht einfach sagen: So, jetzt mach ich Pop. Auch Moritz von Uslar konnte das nicht. Auch ein Moritz von Uslar musste erstmal nach Berlin ziehen, sich cool anziehen, sich seine Haare voll zu-Guttenbergmäßig nach hinten gelen (und das in den 90ern!) - und zudem bei einem ziemlich szenigen Popkultur-Blatt (Tempo) arbeiten. Irgendwie muss man Pop auch 'sein' - Moritz von Uslar ist es in vielen Jahren harter Poparbeit geworden. Und mittlerweile heißt es nicht mehr nur, er kann so eine Frage stellen, nein, Er darf es auch. Sogar einem seriösen Politiker wie Anton Hofreiter. Der zu diesem Zweck dann auch echt metalmäßig in die Kamera schaut.
Schließlich hat, drittens, Toni Hofreiter längst gecheckt, dass Moritz von Uslar Pop ist. Und dass ein Popstar auch andere mit seiner magischen Aura zum Popstar machen kann. Ich will da jetzt nicht zu tief in die Misere der Grünen einsteigen, nur so viel: Früher haben die Grünen mal Steine geworfen und coole Musik gehört. Heute kacken sie Korinthen, vermessen Krötentunnel und Bahnsteigneigungen. Vor allem Toni Hofreiter steht für diese (nicht mehr ganz neue) Angekommenheit der Grünen: kompromissbereit, Sauerlach, schwarz-grün.
Aber er hat ja noch diese langen Haare. Und seine Schlagfertigkeit. Damit kann er an sich nix retten, aber er kann sich retten: Auf die Eisscholle der Popkultur. Nur wie? Kurz Ausholen: Steinewerfen war kein Pop. Steinewerfen war eine Straftat und ein schmerzhafter Feierabend für Polizisten. Es ist aber Pop, steinegeworfen zu haben. Weil ja heute eigentlich nur noch das Bild davon da ist, die Geste. Dagegen sein heißt also Steine werfen. Pop heißt, dagegen gewesen zu sein. Und davon noch irgendein Foto zu haben, oder nen Song. Jetzt fragt von Uslar den Hofreiter, ob es „sowas wie nen Song der Grünen gibt". Und natürlich gibt's den. Der ist aber uncool. Das weiß einer wie der Toni Hofreiter auch. Und also überlegt er kurz und denkt sich: Wenn ich keinen Plan von cooler Musik hab und noch dazu bei den Grünen bin, wie lautet eigentlich nochmal der kürzeste Zauberspruch der Popkultur? - Und? - Genau. „Nein." Auf den ersten Blick langweilig, auf den zweiten... Eben.
Tobias Krone, 2. Spetember 14