SPIEGEL ONLINE: Herr Rodriguez, in Deutschland hat der Zentralrat der Juden das aktuelle "Stern"-Titelbild kritisiert, das Trump mit Hitlergruß und eingehüllt in die US-Flagge zeigt, da es die Naziverbrechen verharmlose. Gab es in den USA ähnliche Reaktionen zu Ihrem "Time"-Cover, worauf ein Neonazi in der gleichen Pose ist?
Rodriguez: Keiner hat sich davon angegriffen gefühlt. Ich nehme den Holocaust so ernst, dass ich mir dazu keinen visuellen Gag erlauben würde. Daher habe ich ein Problem mit dem "Stern"-Titelbild, auch wenn ich ein Verfechter der Redefreiheit bin. Ein Hitler-Vergleich geht zu weit. Das erscheint mir respektlos.
SPIEGEL ONLINE: Wie unterscheidet sich Ihre Titel-Illustration davon?
Rodriguez: Mein Titelbild ist eine andere Geschichte. Ich beziehe mich klar auf einen nachrichtlichen Fakt. Ich zeige nicht Trump, sondern einen Neonazi. Und es waren Neonazis, die in US-Flaggen gehüllt in Charlottesville aufmarschiert sind.
SPIEGEL ONLINE: Bereits letztes Jahr haben Sie Trump mit einer Ku-Klux-Klan-Mütze dargestellt. Haben sich Ihre Bedenken seit Charlottesville bestätigt?
Rodriguez: Das Bild habe ich während des Wahlkampfs gemacht, als Trump die muslimische Familie Khan angegriffen hat, deren Sohn im Irak gefallen ist. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Mann Dinge ausspricht, die auch ein Rassist sagt. Das hat sich nur bestätigt.
SPIEGEL ONLINE: Ist Trump ein Rassist?
Rodriguez: Zumindest klingt er wie einer. Er sagt zwar nicht direkt, er würde jemanden hassen, aber er schiebt immer hinterher, das habe ich so nicht gesagt. Das machen alle Rassisten, die ich kenne.
SPIEGEL ONLINE: Ihre Illustrationen beschränken sich nicht auf das Thema Trump. Hat sich Ihre Arbeit seit dem Wahlkampf und Trumps Amtseinführung geändert?
Rodriguez: Die Trump-Illustrationen sind eher ein Hobby. Ich gestalte Buchumschläge und gerade schreibe und illustriere ich meine Memoiren. Da ich immer politisch interessiert war, fing ich dann vor etwa anderthalb Jahren an, Illustrationen zu machen und über Social Media zu teilen. Das sind meine Kommentare zum politischen Geschehen. Ich musste dem Wahnsinn einfach etwas entgegensetzen.
SPIEGEL ONLINE: Trump polarisiert. Auch wenn er verletzende, gefährliche oder verstörende Aussagen macht, hat er Unterstützung in der Bevölkerung. Wie sollte man Trump abbilden?
Rodriguez: Er sollte auf intelligente Art dargestellt werden. Man muss dabei nicht radikal sein. Ich selbst bin nicht radikal. Dass mich die Situation so aufwühlt, zeigt, wie beängstigend es ist. Am Beispiel Venezuelas sieht man, was passiert, wenn Populisten die Macht übernehmen. Das kann auch in den USA passieren.
SPIEGEL ONLINE: Sie stellen Ihre Arbeiten online, sodass Leute sie herunterladen können und zum Beispiel für Demonstrationen nutzen können. Ist nun die Zeit gekommen, in der Künstler politisch Stellung beziehen sollten?
Rodriguez: Ich möchte Menschen, die nur zurückhaltend ihre Sorgen äußern, eine visuelle Waffe in die Hand geben. Es ist jedoch nicht meine Aufgabe, zu sagen, was Künstler machen sollen. Wenn jemand aufwacht und rosa Blümchen malen will, soll er das tun. Ich mag es nicht, Leute zu irgendetwas zu zwingen. Das hängt damit zusammen, dass ich in einer kommunistischen Diktatur groß geworden bin.
SPIEGEL ONLINE: Im Alter von neun Jahren sind Sie und Ihre Familie aus Kuba in die USA geflüchtet. Wie ist die Beziehung zu Kuba unter Trump?
Rodriguez: Ich glaube, die hat sich nicht sehr verändert. Er redet viel mit kämpferischer Attitüde, aber die Gesetze hat er nicht geändert. Das ist eher zynisch denen gegenüber, die so etwas hören wollen. Letztlich ist Trump ein Businessman und ich würde mich nicht wundern, wenn er auch in Kuba Geschäfte machen will.
SPIEGEL ONLINE: Die USA war immer ein Einwandererland. Sehen Sie diese Offenheit in Gefahr?
Rodriguez: Sobald man dieses Thema hochbringt, gibt es einen Effekt. Jeder, der in die USA will, auch legal, ist nun zurückhaltend. Ich habe Freunde in Kanada, die nicht mehr zu Besuch kommen wollen. Das ist, wie wenn man über Zensur spricht und Leute anfangen, sich selbst zu zensieren.
SPIEGEL ONLINE: Würden Sie Plakate für einen Kandidaten für die nächste Wahl entwerfen?
Rodriguez: Ich bin nicht so gut darin, wenn es ums Unterstützen geht. Das geht dann schnell in Richtung Propaganda und das stößt mir auf. Mit einem Kollegen, der in Clintons Wahlkampfteam war, bin ich deshalb aneinandergeraten. Jede Partei ist irgendwie Mist oder hat etwas Problematisches an sich.
(Werke von ihm sind auch Teil der Kollektion vom Smithsonian Museum, NY; konkrete Auszeichungen sind Best Cover Winner, American Society of Magazine Editors, 2016 und Auszeichung vom Art Directors Club für den SPIEGEL-Titel 46/2016)