In Ländern wie Ägypten oder Jordanien haben besonders Gründerinnen mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nicht nur wegen der Bürokratie brauchen sie Ausdauer.
Hala, die Gründerin des Start-ups Hekouky, sitzt in einem Cafe. Es liegt in einem Kairoer Innenhof. Etwa 80 Plätze, fast alle besetzt. Große Ventilatoren versuchen die 38 Grad irgendwie erträglich zu machen. Hier arbeitet Hala jeden Tag zehn Stunden. Allerdings mit Kopfhörern - wegen der Geräuschkulisse.
Die Anfänge ihrer Selbstständigkeit waren holprig, erzählt sie. "Als ich mein Unternehmen anmelden wollte, da hat der Beamte mich angeschaut und gemeint, er brauche ein Dokument, das bestätigt, dass meine Mitgründerin keine Anwältin ist. So ein Dokument gibt es überhaupt nicht." Doch nachdem sie auf der Suche nach den geforderten Papieren tagelang durch die Gegend geirrt und am Ende wieder bei dem Sachbearbeiter im Amt gelandet sei, habe der nur gemeint: "Egal, wegen des ganzen Aufwands gebe ich dir die Erlaubnis jetzt einfach so."
Diese Erfahrung beschreibt auch schon den Kern ihrer Arbeit. Hala hilft anderen Gründern und Gründerinnen dabei, sich durch den ägyptischen Bürokratie-Dschungel zu kämpfen. Dass es eine der anstrengendsten Dinge überhaupt sei, ein eigenes, neues Unternehmen anzumelden, sei einfach nicht normal, sagt sie - und verweist auf sich selbst und ihre Erfahrungen: "Ich bin Anwältin, eigentlich hätte das einfach sein sollen für mich. Trotzdem hat es drei Wochen gedauert, bis mein eigenes Unternehmen angemeldet war." Die 23-Jährige hat ihre Firma vor einem Jahr gegründet. Mit zwei guten Freundinnen betreut sie aktuell neun Kunden. Hekouky, der Name des Start-ups, heißt so viel wie "Mein Recht".
Begrenzte MöglichkeitenDas Unternehmen hat es in die Auswahl des "Accelerator"-Programms von Google geschafft. Mehr als 500 Gründerinnen und Gründer aus dem Nahen und Mittleren Osten hatten sich beworben. Nur zwölf wurden ausgewählt. Der Zuständige beim Google-Konzern für die Region ist Salim Abid. Er sitzt im Libanon. "Wenn man in den Nahen und Mittleren Osten schaut und auf die lokale Ebene geht: Wer kann die Probleme vor Ort lösen? Wir sind überzeugt, dass die lokalen Probleme auch am besten von lokalen Gründern und Gründerinnen angegangen werden können. Sie haben die besten Lösungsansätze", erklärt er die Auswahl von Halas Start-up.
Das Programm fördert Start-ups überall auf der Welt. Mehr als Hundert Experten helfen bei den ersten Schritten - egal, ob bei der Finanzierung oder beim Marketing. "Ich glaube, Start-ups sind überall wichtig", sagt Abid. "Aber die Möglichkeiten im Nahen und Mittleren Osten sind einfach begrenzt. Und Start-ups erhöhen die Chancen für Frauen, Entwicklerinnen und Gründerinnen."
Und Start-ups aus dem Nahen Osten haben es schon weit gebracht. Zwei Beispiele: Souq.com, eine E-Commerce-Plattform, wurde 2017 von Amazon für 580 Millionen US-Dollar gekauft und beschäftigt aktuell rund 3000 Mitarbeitende. Und Careem, eine App, die Taxifahrten vermittelt, wurde 2019 von Uber für rund 3,1 Milliarden US-Dollar gekauft. Beides sind große Erfolge für die Gründer.
Knappe staatliche HilfenDoch auch wenn Start-ups im Nahen und Mittleren Osten sowohl für technischen, wirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen Fortschritt sorgen können - sie stehen vor anderen Herausforderungen als in Europa. Der US-Wirtschaftswissenschaftler Jamil Wyne beschäftigt sich seit Jahren mit jungen Unternehmen. "Nicht alle Regierungen in der Region haben den gleichen Zugang zu Ressourcen oder die selben ethischen Standards", sagt er. "Wenn man sich zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate anschaut: Die können Start-ups nicht nur Geld, sondern auch eine gut ausgebaute Infrastruktur bieten."
Ungleich schwerer hätten es dagegen Gründerinnen und Gründer beispielsweise in Jordanien, so Wyne: "Hier gibt es zwar auch viele kluge Köpfe, aber die staatliche Unterstützung ist schlechter." Auch wenn sich alle Länder der Region einig seien, dass es sich lohne, Start-ups zu unterstützen - das Maß der Unterstützung sei sehr unterschiedlich, sagt der US-Forscher.
"Entwickelt ein dickes Fell"Auch Hala ist sich der Probleme bewusst. Es gebe in Ägypten viel zu wenig finanzielle Unterstützung und gleichzeitig viel zu viel Bürokratie. Und trotzdem: "Mit allem nötigen Respekt - niemand aus dem Westen versteht die Bedürfnisse der Menschen hier", sagt sie. "Sie verstehen weder das System, noch die Menschen, noch die Tausend Kleinigkeiten, die man hier beachten muss."
Und gerade Frauen hätten es nicht leicht. "Ich würde jungen Frauen, die gründen wollen, eines raten: Entwickelt ein dickes Fell. Erwartet von niemandem Lob oder dass ihr fair behandelt werdet. Ihr müsst euch klar machen, dass ihr zehnmal stärker seid, als euch irgendwer einreden will." Aktuell arbeiten Hala und ihre beiden Mitgründerinnen entweder im Café oder von Zuhause aus. Doch sie hoffe auf neue Kunden und einen Investor, sagt sie - und ein eigenes Büro. Das sei das nächste große Ziel.