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Nordisch kombiniert

Die Spitzenstellung Skandinaviens in der digitalen Wirtschaft bietet viele Anknüpfungspunkte für die deutsche Hauptstadtregion.

Deutschland ist bei der Nutzung des Internets im Vergleich mit anderen Industriestaaten Mittelmaß. So haben rund 84 Prozent aller Deutschen Internet-Anschlüsse – das macht Rang 19 im internationalen Vergleich. Spitzenreiter sind die skandinavischen Staaten Island, Norwegen, Dänemark und Schweden mit einer Fast-Vollversorgung jenseits der 93 Prozent.

Skandinavien übernimmt eine Vorreiterrolle in der digitalen Wirtschaft weltweit. In vielen Bereichen, etwa der mobilen Netz-Nutzung oder dem Anteil von Internet über Glasfaser, sind die skandinavischen Staaten führend. Bluetooth wurde in Schweden erfunden und ohne die Technologie des Netzausrüsters Ericsson wäre Mobilfunk, wie wir ihn heute kennen, kaum vorstellbar.

Konsistente, regelmäßig aktualisierte, nationale IKT-Strategien wie „ICT for Everyone - A digital Agenda for Sweden“ und „Productive and inventive Finland – Digital Agenda for 2011-2020“ haben dazu beigetragen, die beiden Länder in die weltweite Top 5 der IKT-Nationen zu führen.

Bei einer Klausur der Bundesregierung in Meseberg wurde im Januar 2014 beschlossen, ebenfalls bis Sommer 2014 eine Digitale Agenda für Deutschland ressortübergreifend zu erarbeiten. 

Grundlage für die überragende Bedeutung der Informations- und Telekommunikationstechnologien, die zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für Effizienz- und Produktivitätssteigerungen in der globalisierten Weltwirtschaft zählen, ist eine skandinavische Aufgeschlossenheit, die sich in vielen Bereichen zeigt und deren Faktoren sich gegenseitig verstärken:

- Internationale Ausrichtung von Anfang an, in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und  gesellschaftlicher Hinsicht;
- Dynamische Innovationskultur mit einer ständigen Modernisierungs-Bereitschaft;
- Starke Akzeptanz neuer Technologien sowohl auf staatlicher, unternehmerischer als auch gesellschaftlicher Ebene;
- Positives Klima für Unternehmensneugründungen;
- Hoch entwickelte Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen.

Mach es neu


Innovation ist in Skandinavien ein gesamtgesellschaftlicher Prozess. Die technophile Gesellschaft, die oft hervorragende elektronische Infrastruktur und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, unterstützen Entdecker und Erfinder in diesem Prozess. In Schweden beispielsweise fließen vier Prozent des Brutto-Inlandsprodukts in Forschung und Entwicklung.  Kreativität und Unternehmergeist haben einen anderen Stellenwert als hierzulande und sind seit 2009 im schwedischen Bildungssystem verankert. Kinder wachsen mit neuen Rollenmodelle und kaum ausgeprägten Hierarchien auf.

Im Ergebnis werden weniger Geschäftsideen kopiert und mehr Neuerungen erfunden als andernorts. Die Tendenz, Technologien neu zu entwickeln und Wertschöpfungsketten neu zu kombinieren, verschafft Wettbewerbsvorteile. Auch nordische Politiker, Clusterorganisationen und Standortentwickler lieben neue, mitunter unkonventionelle Ansätze, frische Ideen und interdisziplinäre, ressort- und branchenübergreifende Herangehensweisen. Kooperation wird auf allen Ebenen groß geschrieben.

ICT Südschweden

Das Digitale Cluster der deutschen Hauptstadtregion profitiert davon, dass schwedischer Erfindungsgeist in der Startup-Szene an Havel und Spree allgegenwärtig ist. Firmen mit schwedischem Background wie Soundcloud, Readmill und Loopcam setzen auf die Attraktivität der Hauptstadt, internationale Arbeitskräfte und geringe Lebenshaltungskosten, Kultur, Partys – und das alles nur eine Flugstunde von Schweden entfernt.

Kontakte nach Schweden bestehen seitens der Netzwerke, wie dem SIBB als Interessensverband für Unternehmen der IT- und Internetwirtschaft in Berlin und Brandenburg und Media.net als branchenübergreifendes Unternehmensbündnis der Medienwirtschaft in der Hauptstadtregion, die auch und gerade mit Unterstützung durch das Clustermanagement zustande gekommen sind. Die südschwedische Region Skåne ist dabei besonders interessant, entwickelt sie sich doch zu einer Drehscheibe in Punkto Vernetzung im Ostseeraum, beispielsweise mit der Region Tampere (Finnland) oder in Richtung des Baltikums.

Skåne als selbsterklärtes Silicon Valley Nordeuropas genießt einen guten Ruf in den digitalen Branchen Medien und IKT, ist ein Zentrum für mobile Kommunikation und die Kombination von Design und Technik. Die Region mit der kompletten Wertschöpfungskette Hardware, Software und Content unterhält ein Büro im Silicon Valley in Kalifornien, forciert regionale Innovations- und Smart Specialization-Strategien, die auch für andere europäische Regionen interessant sind. 

Sowohl die große Anzahl und hohe Dichte an Universitäten als auch die Ansiedlung von weltweit tätigen Konzernen wie Sony Ericsson und Huawei haben zur Folge, dass Forschung und Entwicklung in rasantem Tempo vorangetrieben wird.  Zudem ist die südschwedische Stadt Lund Sitz eine der größten und forschungsstärksten Universitäten Skandinaviens und von Ideon Science Park, einem Forschungspark mit 350 Unternehmen.

Die Region entwickelt sich zu einem Zentrum der Materialforschung, insbesondere durch den Bau des Synchrotronstrahlungslabor MAX IV (Inbetriebnahme 2016) und der Neutronenquelle ESS (European Spallation Source) (Einweihung 2025) in der Nähe von Lund. Sie ist unter Cross Cluster-Gesichtspunkten für viele Partner interessant.[1] 

Öresund-Region mit Kopenhagen

Skånes größte Stadt Malmö hat den wirtschaftlichen Strukturwandel weg vom Schiffbau und hin zur modernen digitalen Wirtschaft, zu Dienstleistungen der Creative Industries und anderer Branchen gemeistert. Die sehr junge, innovative 300.000 Einwohnerstadt ist Heimat der Cluster 55° ICT Öresund und Media Evolution, die die digitalen Branchen Medien und IKT in ganz Skandinavien vernetzen, beispielsweise im Bereich Games und Applikation, bei Visual Effects (VFX) und Animation (vgl. http://nordicgame.com/).

Malmö als eine Art „Vorort“ Kopenhagens, mit der Regionalbahn über die Öresund-Brücke schnell erreichbar, organisierte das Get-Together von Cluster-Akteuren auf der Konferenz „Get smarter together in the Baltic Sea Region – taking innovation and smart specialisation across borders“ im November 2013, an der das Clustermanagement Berlin-Brandenburg genauso teilnahm wie an der Matching-Konferenz „Innovation Express“ des Baltic Sea Region Stars Programm im April 2013 in Kopenhagen.

Eine Nachfolgeveranstaltung „Innovation Express“ als europäischer Ansatz für die Unterstützung der Internationalisierung von KMU durch Cluster-Initiativen könnte im zweiten Halbjahr 2014 in Berlin-Brandenburg stattfinden.  

Konkrete Ergebnisse

Vertreter von Media Evolution aus Schweden und des Animation Hubs aus Dänemark lud die ZukunftsAgentur Brandenburg bereits zu einem Cluster-to-Cluster-Meeting@animago nach Potsdam ein. Durch Vernetzung im Cluster hatte der animago Award & Conference als renommierte Messe für 3D, Visual Effects (VFX) und Interaktive Medien im Jahr 2013 mit dem Fokus „Skandinavien“ zum ersten Mal eine europäische Partnerregion erhalten.

An dem Cluster-to-Cluster-Meeting am 24. Oktober 2013, gefördert vom Projekt CLINT-INNO (Cluster-Internationalisierung im Rahmen der Innovationsstrategie Berlin-Brandenburg (InnoBB)), nahmen auch Unternehmen wie die Chimney Group aus Schweden und Ghost VFX aus Dänemark teil. Organisiert wurde im Rahmen des Clusters ein Zusammentreffen mit Media.net Berlin-Brandenburg und dem Medienboard Berlin-Brandenburg.

Mit der Universität Malmö kooperiert die FH Potsdam in der IT im Bereich Interface Design, das Hasso Plattner Institut blickt in Richtung des Copenhagen Institute of Interaction Design (CIID) und eines skandinavischen Ablegers der HPI school of design thinking.

Durch Cluster-Initiative sind drei „digitale“ Projekte derzeit in Umsetzung:

- Kooperation im Bereich Games
Seitens des Cluster-Akteurs Games.net, einer Sparte des Netzwerks Media.net, wird ein regelmäßiger deutsch-skandinavischer Austausch organisiert, mit wechselseitigen Besuchen im Rahmen der International Games Week Berlin 2014 (Nachfolgerin der Deutschen Gamestage als Deutschlands führende Kommunikations- und Networkingplattform für internationale Spieleentwickler, Investoren und die Medienindustrie) und der Nordicgame-Konferenz in Malmö. Cluster-Akteure aus Skandinavien und der Hauptstadtregion besuchen gemeinsam auch die Digital Dragons-Konferenz 2014 in Krakau als Herzstück der polnischen Games-Szene.

- Business Roaming Agreement

Der Cluster-Akteur SIBB bereitet auf Vermittlung durch das Clustermanagement eine Mitgliedschaft im Business Roaming Agreement des Clusters 55° ICT Öresund vor. Die Hauptstadtregion wäre dann, ebenso wie die starken süddeutschen Cluster, dem Cyberforum, dem Software Cluster sowie der MFG Innovationsagentur aus Baden-Württemberg, in der Champions League internationaler IKT-Clustervernetzung vertreten.  

- Semantic Baltic
Eine konkrete Cluster-to-Cluster-Kooperation ist das EUSBSR Seed Money Facility-Projekt „Semantic Baltic - assessing and developing tools & techniques to process BIG DATA in Baltic Sea Region", das vom Cluster IKT, Medien und Kreativwirtschaft mit angeschoben wurde. Vier europäische Hauptstadtregionen, (a) Kopenhagen/Öresund – (b) Helsinki – (c) Warschau/Masowien (Lead) – (d) Berlin/Brandenburg, haben sich auf den Weg gemacht, ein gemeinsames Big Data-Projekt zu erarbeiten.

Bereits existierende Projekte im Clusterbereich Kreativwirtschaft sind:

- Urban Creative Poles
Das EU-Projekt Urban Creative Poles (vgl. http://www.creativepoles.eu/) beschäftigte sich mit der Förderung und Stärkung der Kreativwirtschaft in Mittelzentren ländlicher Räume des Ostseeraums. Das im Dezember 2013 ausgelaufene Projekt der BTU Cottbus-Senftenberg wurde mit Partnern aus Skandinavien, Polen und dem Baltikum realisiert.

- Creative Capital Conference

Das Projekt der FH Brandenburg (vgl. http://creative2c.info/) zusammen mit  Tillväxtverket, der Schwedischen Agentur für Wirtschaft und Regionalwachstum, und dem Danish Centre for Cultural and Experience Economy (CKO) identifiziert Best-Practice-Beispiele aus Malmö, Kopenhagen und Nord-Italien zur Einbeziehung der Kultur- und Kreativwirtschaft in die Wirtschaftsförderung. Die Abschlusskonferenz findet Ende März 2014 in der Staatskanzlei statt.   

Darüber hinaus ist das Cluster IKT, Medien und Kreativwirtschaft Kooperationspartner bei InVIO geworden. Als Teil der Danish Agency for Science, Technology and Innovation (DASTI) ist InVIO am Aufbau eines transnationalen Cluster-Netzwerkes für die IKT-basierte Experience Economy interessiert und bietet seinen Mitgliedern im Innovation Network Denmark Zugang zu weiteren 22 dänischen Innovations-Netzwerken und drei strategischen Plattformen.

[1] http://www.investinskane.com/skane-developing-innovation-arenas-and-clusters-0 mit folgendem Text (abgerufen am 10.02.2014) zählt diese Innovationsarenen und Cluster auf:

Media Evolution is a media cluster that has attracted considerable attention. It has 350 members, large and small, which are involved in everything from digital games and application development to films and the web. Close by is the building Media Evolution City, which offers offices, conference facilities and meeting places.

The Danish-Swedish Medicon Valley is one of the largest open innovation arenas within life science in Europe. They have more than 350 companies working within biotech, pharmaceuticals and medtech through their member organisation, Medicon Valley Alliance.

Mobile Heights focuses on wireless communication and mobile services. Their aim is to be world-leaders within research, innovation and entrepreneurship in the field of mobile communication. Close by is the Mobile Heights Business Center, which strengthens the entrepreneurs' potential for feedback and coaching.

The Malmö-based Packbridge is working to develop the next generation of packaging solutions. They have 122 member companies within the packaging and logistics sector.

Skåne Food Innovation Network is working to develop the food sector with both members and influential partners. They are involved in training, opinion issues and trainee programmes.

Sustainable Business Hub is Sweden's largest network within cleantech with more than 100 members, and it is working to help environmental companies to start up and to operate.

Resilient Regions Association is a cluster for companies in the field of security. Their aim is to create the market's best adapted solutions within training and exercises in respect of security in society.”