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Start-ups vermieten Bienenvölker an Bauern und Firmen

Imker Thilo Maier hält eine bereits gut gefüllte Wab in den Händen. Foto: Ingo Otto

BOCHUM.   Die Gründerszene hat das Bienen-Mieten für sich entdeckt: Sie vermittelt Imker, die ihre Honigbienen auf Firmendächer oder an Felder stellen.


Ein Schwarm von Bienen bedeckt die eingerahmte Wabe, die Henning Maier sachte aus dem hölzernen Gehäuse herauszieht. Sie lassen sich kaum beirren und arbeiten weiter daran, den Honig in der Wabe einzudicken. Zuvor hat Henning Maier mit einem Smoker einen künstlichen Waldbrand erzeugt, um die Bienen zu beruhigen. „Aber heute sind sie ohnehin in ganz entspannter Stimmung“, sagt Maier, der an diesem sonnigen Vormittag ein schlichtes T-Shirt statt Schutzanzug trägt. Es sei eine gute Zeit für die Honigernte.



Der Bienenstock, an dem der gelernte Imker Maier arbeitet, steht auf dem Gelände der Firma G.U.T. Glaser. 40 solcher Bienenvölker hat der Bochumer Fachgroßhandel für Gebäude- und Umwelttechnik für seine bundesweiten Standorte angemietet. Vermittelt von dem Bremer Start-up Bee-Rent, das sich 2015 gegründet und auf das Leasen von Bienen spezialisiert hat. Junge Unternehmen wie Bee-Rent haben das Bienen-Mieten als Geschäftsidee für sich entdeckt.


Erst Spaßprojekt, dann Hauptberuf


Anfangs als „Spaßprojekt“ gedacht, hat sich Geschäftsführer Dieter Schimanski seit diesem Jahr hauptberuflich darauf eingelassen. „Das Geschäft boomt“, sagt er. Mittlerweile habe Bee-Rent über 200 Vertriebspartner und erhalte immer größere Aufträge wie die von Glaser – üblicherweise mieten die Unternehmen ein bis zwei Völker. 200 Euro kostet es monatlich, ein Bienenvolk zu mieten. Da Imkern allgemein nicht als „sexy“ angesehen wird, sei es für den Bienen-Liebhaber ein höchst nutzbringendes Konzept, um dem weltweiten Bienensterben entgegenzuwirken.


Die Brüder Henning und Thilo Maier arbeiten als Vertriebspartner für das Ruhrgebiet. Die selbstständigen Imker sehen in der Zusammenarbeit mit Bee-Rent eine Möglichkeit, das Ökosystem zu stärken. Bienenvölker an Orte zu bringen, wo sie sonst nicht stehen, habe ökologisch wertvolle Wirkungen, sagt Thilo Maier. „Pflanzen und Tiere in der Umgebung profitieren von dem breiteren Netz an Bestäubung. Die Pflanzen tragen mehr Früchte und das kann als Kettenreaktion zum Beispiel dem Vogelsterben entgegenwirken, weil Vögel dann mehr Nahrung haben.“

Mit dem verhältnismäßig warmen Frühling konnten die Bienen auf dem Glaser-Gelände bereits 40 Kilogramm Honig produzieren. „Für eine Frühjahrsernte ist das ein Traum“, so der Imker. Überhaupt sei die Stadt für Bienen ein sehr geeigneter Lebensraum: Anders als auf dem Land würden hier keine Pestizide gesprüht, betont Henning Maier (34), der ältere von den Brüdern. „Die Pflanzenvielfalt ist höher und das Nahrungsangebot ist besser für die Tiere.“


Thilo Maier bezeichnet das Arbeitskonzept als einen guten „Deal“ – sowohl für ihn als Imker als auch für die Bienen. „Für uns ist es ein gutes zusätzliches Standbein, weil wir durch die Miete nicht abhängig von der Honigernte sind.“ 80 Prozent des verkauften Honigs in Deutschland würden importiert – das drücke die Preise enorm für Berufsimker, die normalerweise vom Honigverkauf abhängig seien. Im Gegenzug erhielten die von ihnen bewirteten Tiere ein „Dach“ und Nahrung. „Bienen können heute kaum noch wild überleben“, sagt der 32-Jährige.


Das Hamburger Start-up Bee-sharing hat ebenfalls das Bienen-Mieten für sich entdeckt. Beesharing verschreibt sich der Vermittlung von Bienenstöckern an Landwirte. Ziel ist es, durch eine gezielte professionelle Bestäubung die Erträge von Obst- und Gemüsebauern zu steigern. Sie vermitteln Bienenvölker, kümmern sich um Transport und erstellen für Landwirte einen auf die „Anbauflächen zugeschnittenen Bestäubungsmix“. Mitsamt Leistungen fangen die Preise bei 80 Euro an.


Experten sind skeptisch


Jochen Unterhansberg vom Buchholz Hof in Mülheim an der Ruhr zweifelt den Sinn der Geschäftsidee an: „Ich arbeite schon lange mit Imkern zusammen, die ich privat kenne.“ Dass Landwirte und Imker sich gegenseitig helfen, sei eine gängige Praxis.

Noch kritischer auf Unternehmen wie Bee-Rent oder Beesharing blickt Monika Harz von der Landwirtschaftskammer. „Das sind raffinierte Geschäftsmodelle, die wenig an den grundlegenden und vielschichtigen Problemen etwas ändern“, sagt die Leiterin der Bienenkunde. Gegen die Bedrohung für einzeln lebende Wildbienen helfe das nicht. „Anstatt 200 Euro für das Leasen auszugeben würde es mehr Sinn machen, den eigenen Garten mit Bienenweiden umzupflanzen.“


>>> Hohe Winterverluste


Laut Erhebungen des Deutschen Imkerbundes haben etwa 150 000 Bienenvölker den Winter nicht überstanden. Der Befall mit der Varroa-Milbe gilt als Hauptursache für die Verluste, weitere Faktoren sind Nahrungsmangel und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

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