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Legendärer Verleger Sulzberger verstorben

Er begann als Reporter und machte später als Verleger die New York Times zu den wichtigsten Zeitung der USA - Ochs Sulzberger. Er verstarb nun im Alter von 86 Jahren.


Von Thomas Schuler


Als Arthur Ochs Sulzberger 1963 zum Verleger der New York Times ernannt wurde, hielten die Journalisten in seiner Redaktion nicht viel von dem damals 37-Jährigen. Zwar hatte der aus einer Verlegerdynastie stammende junge Mann nach seinem Militärdienst und dem Studium an der Columbia Universität (Geschichte und Englisch) selbst als junger Reporter in ihrer Redaktion begonnen. Aber man erzählte sich keine journalistischen Ruhmestaten über ihn, wie der Buchautor Gay Talese in seiner Times-Biografie „The Kingdom and the Power" schreibt.


Einmal sollte der junge Sulzberger über eine Abendveranstaltung berichten. Weil er auf die Toilette musste, verpasste er den Hinweis, dass der angekündigte Redner leider nicht kommen konnte. Sulzberger schrieb auf, was der Ersatzredner sagte, ordnete die Worte aber dem falschen Mann zu. Die Times musste eine Berichtigung drucken, die Redaktion amüsierte sich über Sulzberger, der nicht wie sie von der Leidenschaft nach Geschichten getrieben schien. 1954 schickte ihn die Times als Korrespondent nach London, Paris und Rom. Als er 1955 im französischen Le Mans privat ein Autorennen besuchte, bei dem durch einen Unfall 83 Personen starben, war Sulzberger geschockt. Über den Unfall zu berichten, sei ihm nicht in den Sinn gekommen, schreibt Talese. Er habe die Redaktion nicht mal angerufen. Bis 1963 arbeitete er im Verlag, unter anderem als Finanzchef.


Anerkennung als Verleger

Den Respekt und die Anerkennung, die er als Journalist nicht erhielt, erwarb er sich als Verleger. Sulzbergers publizistisches Erbe und Vermächtnis geht dabei über die Bedeutung der New York Times oder die Zeitungsbranche hinaus. Als er am Sonnabend nach langer Krankheit mit 86 Jahren starb, fasste die Washington Post sein Verdienst so zusammen: Sulzberger habe den amerikanischen Journalismus verändert, indem er die Berichterstattung der Times erweitert, gegen den Widerstand und Druck der Regierung die Pressefreiheit verteidigt und die Times zu einer national verbreiteten Zeitung ausgebaut habe. Präsident Obama würdigte Sulzberger als einen Mann, „der fest an die Bedeutung einer unabhängigen Presse glaubte und keine Angst hatte, die Wahrheit zu sagen und die Mächtigen zur Verantwortung zu ziehen".


Sein Verhältnis zur Regierung zeigt sich in einem Gespräch mit John F. Kennedy. Weil der Times-Korrespondent David Halberstam für den Geschmack des Präsidenten „zu engagiert" über den Krieg in Vietnam berichtete, riet Kennedy, den Reporter nach Paris oder Rom zu versetzen. Sulzberger lehnte das ab. Eigentlich wollte Halberstam damals Urlaub nehmen, aber Sulzberger strich ihm diesen. Kennedy sollte nicht denken, dass er Halberstam ihm zuliebe in den Urlaub geschickt habe.


Als die Washington Post 1971 die geheimen Pentagon-Papiere über den Vietnam-Krieg nicht drucken durfte, entschied Sulzberger, dass die Times sie trotz des Verbots veröffentlicht. Präsident Richard Nixon forderte den sofortigen Stopp der Serie, doch Sulzberger setzte die Veröffentlichung vor dem Obersten Gericht durch. Es war nach Meinung von Historikern sein vielleicht größter Dienst für die Pressefreiheit und ein ähnlich entscheidender Moment für die Unabhängigkeit der Presse in den USA wie hierzulande die Spiegel-Affäre. Die New York Times avancierte zu einer der bestinformierten und einflussreichsten Zeitungen weltweit. Eine Stütze der amerikanischen Demokratie. Präsidenten kommen und gehen. Die Sulzbergers sind seit über 100 Jahren an der Macht.


Nachfolge geregelt

Der 1926 geborene Sulzberger hat drei ältere Schwestern, bei deren Geburt der Vater jedes Mal enttäuscht war, dass er keinen Erben vorweisen konnte. Eine Frau an der Spitze der Zeitung oder des Verlags war damals undenkbar (heute ist mit Jill Abramson eine Frau Chefredakteurin). 34 Jahre stand Sulzberger an der Spitze der Zeitung und des gleichnamigen Verlags, in der Zeit ging das Familienunternehmen an die Börse und wandelte sich die Zeitung von einer gedruckten zur digitalen Times. Die New York Times gewann 31 Pulitzer-Preise unter ihm. Die Geschäfte führt längst sein Sohn Arthur Sulzberger junior, der 1992 die Zeitung und 1997 den gesamten Verlag übernahm.


Sein Großvater Adolph Ochs hatte die Zeitung 1896 gekauft und zur führenden Zeitung New Yorks gemacht. Die Familie Ochsenhorn stammte ursprünglich aus Fürth bei Nürnberg, wo die Vorfahren mit Diamanten handelten. Adolph Ochs verlegte die Chattanooga Times in Tennessee und versuchte seine finanziellen Probleme zu lösen, indem er die Flucht nach vorne antrat und die New York Times erwarb. In seinem ersten Editorial veröffentlichte er sein Programm: Unabhängigkeit. „Without fear or favour", wollte er berichten lassen - ohne Angst vor den Mächtigen und ohne Freunden einen Gefallen zu tun.


Adolph Ochs und sein Schwiegersohn Arthur Hays Sulzberger (auch er Sohn deutscher Juden) hatten beide Angst vor Antisemitismus, wenn sie jüdischen Themen und Anliegen zu sehr Gehör verschafften. Deshalb vermieden sie es, für jüdische Belange einzutreten. Das ging so weit, dass die Times zwar 1200 Artikel über den Mord der Nazis an den Juden brachte. Aber sie versteckte sie im inneren Teil des Blattes, und sie benannte die Opfer nicht als Juden, sondern als Minderheit oder Flüchtlinge. Bei der Eröffnung des Holocaust Memorials in Washington 1993 waren einige der zurückhaltenden Berichte der Times ausgestellt, Arthur Ochs Sulzberger sei beim Besuch der Ausstellung sehr irritiert gewesen, berichtet Arthur Gelb, der ehemalige Managing Editor. Sulzberger und sein Sohn beklagten anschließend das Scheitern und Versagen der Zeitung.


Beitrag zur Pressfreiheit

Sulzberger starb nach Angaben seiner Familie am Samstag nach langer Krankheit in seinem Haus in Southampton im US-Staat New York. Die New York Times veröffentlich einen langen Nachruf auf ihren Verleger online. Sie betont, dass Sulzberger unter anderem mit der Veröffentlichung geheimer Pentagon Berichte - sogenannter Pentagon Papers - seine Unabhängigkeit unter Beweis gestellt hatte.

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