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Das Buch "Die Burdas" konfrontiert den Verlag mit seiner unrühmlichen Rolle im Dritten Reich: "Der Ton unverhohlen begeistert"

Geschichte scheint dem Münchner Verleger Hubert Burda wichtig zu sein. Der Mann an der Spitze des gleichnamigen Medienunternehmens kümmert sich um die Aussöhnung mit Israel. Er hat das Shoa-Projekt des US-Regisseurs Steven Spielberg unterstützt und an der Ben-Gurion-Universität in Israel ein "Hubert Burda Center for Innovative Communication" gestiftet. Dass der Doktor der Kunstgeschichte dort unter dem Motto "Cool People in the Hot Desert" einen Kongress veranstaltet und für sein Engagement einen Professorentitel erhalten hat, berichtet die Presseabteilung des Hauses gern. 


Weniger souverän ist der Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Bisher sah sich das Medienhaus nie gezwungen, sich offen mit seiner Geschichte im Dritten Reich auseinander zu setzen. In ihren Publikationen erscheint die Firma heute seltsam geschichtslos: Die Website bietet keine Chronologie, der Name Franz Burda, Huberts Vater, taucht nicht auf. "Der junge Franz legt mit der Gründung der Radiozeitung Sürag im Jahr 1927 den Grundstein für das Verlagsgeschäft", heißt es im Bilanzbericht 1999 lapidar. "1939-1945 Zweiter Weltkrieg. 1949. Die Produktion der Sürag wird wieder aufgenommen." Dazwischen, so scheint es, gibt es nichts zu berichten. 


In seinen Publikationen erwecke der Verlag den Eindruck, als habe sich Burda nichts vorzuwerfen, sagt der Berliner Journalist Peter Köpf. Am 4. Februar erscheint im Europa-Verlag ein Buch von Köpf über die Erfolgsgeschichte des Hauses, das vor 100 Jahren gegründet wurde. Am heutigen Dienstag stellt Köpf das Buch in München vor. Er nennt Franz Burda, den Vater des jetzigen Firmenchefs Hubert Burda, darin einen "Kriegsgewinnler", weil er dank der Nazis einen jüdischen Betrieb übernehmen konnte und von den Nazis zahlreiche Druckaufträge erhielt. Franz Burda, sagt er, sei nach seinen Recherchen eindeutig "ein Täter im Sinne eines Schreibtischtäters" gewesen. 


Politik der Nazis vertreten


In seiner Programmzeitschrift Sürag, benannt nach der Süddeutschen Rundfunk AG, habe er die Politik der Nazis vertreten. Im April 1933 warnte er in seinem Blatt, die Konkurrenz versuche Leser zu werben mit der Unterstellung, die Sürag sei ein jüdisches Blatt. "Demgegenüber erklären wir, dass sowohl im Verlag, als auch in der Druckerei, weder jüdisches Kapital, noch Angestellte, Arbeiter oder Mitarbeiter tätig sind, und dass die Gesinnung der Unternehmer von jeher kerndeutsch, vaterländisch gewesen ist." Er traf Abmachungen mit den örtlichen Parteistellen und nahm Druckaufträge der Nazis an, etwa zu einer Festschrift der NSDAP-Ortsgruppe Offenburg.


"Die Firma wuchs unter den Nationalsozialisten schneller als je zuvor", schreibt Köpf. "Burda baute mit am Deutschen Reich." Zusammen mit der Gaurundfunkstelle der NSDAP organisierte Burda 1933 eine Reise zur Berliner Funkausstellung und berichtete darüber unter dem Pseudonym F.P. Funk. "Glanzvolle Tage" erlebte er, als er 1933 dem Nürnberger Parteitag lauschte. Mit einer Eigenanzeige machte Franz Burda seine Gesinnung öffentlich: "National und sozialistisch ist das Denken, Wollen und Handeln der Sürag; in ihr lebt der Geist der neuen Zeit!" Im November 1933 titelte das Blatt: "Alles horcht auf - der Führer spricht!" Burda schrieb, Kunst und Musik müssten zurücktreten, "wenn nationalsozialistische Zwecke es erforderten." Köpf schreibt: "Burdas Sürag war weit mehr als ein Programmblatt. Sie war vom ersten Tag an Teil des nationalsozialistischen Systems, der Ton unverhohlen begeistert." Ohne Zwang habe Burda Aufnahmen prominenter Regionalpolitiker der NSDAP auf seine Titel gehoben. Er widerstand aber auch der Forderung der NSDAP, eine Halbjüdin zu entlassen. Er habe nicht die Auszeichnung als "nationalsozialistischer Musterbetrieb" erhalten. Aber er stellte die Tochter des NSDAP-Kreisleiters ein, "ein strammes BDM-Mädel", so Köpf.


Nach dem Krieg beantragte Franz Burda eine neue Lizenz und verharmloste seine Taten. "Im Jahr 1933 war es dann soweit", schrieb er 1968 in einer Festschrift. "Ich hatte in Offenburg viele Freunde, auch solche, die nun plötzlich eine wichtige Rolle spielten und mich aufforderten, doch auch der NSDAP beizutreten. Aber das brachte ich beim besten Willen nicht fertig." Irgendwie landete er doch bei der Partei. "1938 bekam ich die Mitgliedsnummer." 


Als Köpf den Verlag mit seiner Geschichte konfrontierte, habe es geheißen: Alles längst bekannt. Dass Franz Burda 1934 in das paramilitärische NS-Kraftfahrerkorps (NSKK) der Nazis eingetreten ist, stand tatsächlich samt Begründung ("Irgendwo musste man damals ja mitmachen.") auch schon in einem 1990 veröffentlichten Porträt von Hans-Jürgen Jakobs und Uwe Müller in deren Buch "Augstein, Springer & Co". Franz Burda habe als "Vergnügungsreferent" für gute Laune gesorgt, schrieben sie damals. Später sei er "Parteigänger der NSDAP" gewesen. 


Doch viele Details, die Köpf zusammengetragen hat, waren bislang kaum bekannt. Da ist etwa die Übernahme des Mannheimer Tiefdruckbetriebes Bauer. Nach dem Arisierungsgesetz seien die jüdischen Eigentümer auf ihn zugekommen und hätten ihn gebeten, den Betrieb zu übernehmen, berichtete Burda nach dem Krieg. Als Kaufsumme wurden 700 000 Mark vereinbart. Doch später kam es zum Streit. Burda wollte nur einen Teil bezahlen. Erst nach dem Krieg habe er auch die restlichen 200 000 Mark bezahlt. Nicht ganz freiwillig, glaubt Köpf. "Andernfalls hätte er wohl keine Lizenz bekommen." 


Nach dem Krieg habe sich der Verleger fälschlicherweise als Opfer der Nazis dargestellt, sagt Köpf. "Mein Vater wäre möglicherweise 1933 in den Nationalsozialismus reingetaumelt", räumte Hubert Burda gegenüber Köpf ein. "Aber nicht, weil er ein Nazi war, sondern weil er sich als Unternehmer gute Chancen ausgerechnet hat." Seine Frau Aenne dagegen habe früh erkannt, dass die Nationalsozialisten "alles Kriminelle" seien. Bei Adolf Hitlers Besuch in Offenburg soll sie "Dreckschwein, du Idiot" und "Du bist unser Untergang" vor sich hin gemurmelt haben. Das erzählte sie später durchaus glaubhaft ihrem Sohn Hubert. Einmal boten die Nazis ihrem Mann an, alle Druckereien in den besetzten Ostgebieten zu leiten. Er sei begeistert gewesen. Seine Frau riet ihm dagegen dringend ab und setzte sich durch.


Unveröffentlichte Biografie


Autor Peter Köpf behandelt 100 Jahre Firmengeschichte in seinem Buch. Er beschreibt den Streit der drei Gebrüder Franz jr., Frieder und Hubert um ihr Erbe und wie sich der Hubert schließlich gegen Frieder und Franz durchgesetzt hat. Er beschreibt, wie Hubert Burda nach dem Krebstod seines Sohnes Felix, der im Unternehmen für neue Medien zuständig war, im Februar 2001 seine Chefredakteure zu sich rief und ihnen auftrug, das Thema Darmkrebs umzusetzen. Köpf beschreibt, wie Helmut Markwort und Hubert Burda vorsichtig um die Vaterschaft des Erfolgstitels "Focus" wetteifern. Nach kostspieligen Misserfolgen von Forbes und Super war es erst der kommerzielle Erfolg der Illustrierten für die "Info-Elite", die Burda Anerkennung verschafften und ihn aus dem Schatten seines Vaters treten ließen. 


Erst stand der Verlag seiner Bitte um Interviews und Zugang zum Hausarchiv ablehnend gegenüber, erzählt Köpf. Erst als klar war, dass das Buch dadurch nicht zu verhindern ist, sei Hubert Burda gesprächsbereit gewesen. Danach hätten auch ehemalige Mitarbeiter in Offenburg einem Gespräch zugestimmt. Dutzende von Mitarbeitern habe er interviewt, sagt Köpf. Sein ältester Zeitzeuge hat seit 1936 bei Burda gearbeitet. Er hat Focus-Chef Helmut Markwort, Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel und Geschäftsführer Jürgen Todenhöfer befragt. Er hat Franz Burda jr. gesprochen. Und dreimal saß er auf dem weißen Sofa in Hubert Burdas Büro. Auf sein Bitten hin gab ihm der Sohn auch Einsicht in eine Biografie seines Vaters Franz, die aus nicht klar ersichtlichem Grund nie erschienen sei.


100 Jahre deutsche Geschichte // 


Der Autor Peter Köpf, Jahrgang 1960, hat vor 19 Jahren beim "Offenburger Tagblatt" volontiert, später hat er sich mit der Pressepolitik nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Beides habe ihn neugierig auf Burda gemacht, sagt er. Von Januar bis Oktober 2001 hat er an dem Buch gearbeitet. Der Journalist hat u. a. Biografien der Politiker Gerhard Schröder, Kurt Biedenkopf und Edmund Stoiber veröffentlicht.Das Buch "Die Burdas" erscheint am 4. Februar im Europa-Verlag (320 S. , 22,90 ¤). Er schildere "die Erfolgsgeschichte des Hauses", sagt der Autor. Der Konzern, der 2002 sein 100-jähriges Bestehen feiert, verkörpere 100 Jahre deutsche Geschichte.

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