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Sondersitzung will Programm verabschieden: UN Aktionsplan gegen Drogen und Geldwäsche

NEW YORK, 7. Juni 1998. Der illegale Anbau von Kokablättern und Mohn soll bis zum Jahr 2008 völlig beseitigt werden. Dies ist eines der zentralen Ziele eines Anti-Drogen-Aktionsplanes, den Staatschefs und Vertreter von 155 der 185 UN-Mitgliedstaaten ab Montag auf einem Drogengipfel in New York debattieren wollen. Die weltweite Nachfrage nach Kokain, Marihuana und Heroin soll demnach halbiert oder "zumindest erheblich reduziert" werden. Auf der dreitägigen Sondersitzung der UN-Vollversammlung wollen die Spitzenpolitiker zudem wirkungsvollere Maßnahmen gegen Geldwäsche beschließen, die bis zum Jahr 2003 umgesetzt werden sollen.


Zum Auftakt sprechen die Präsidenten der USA und Mexikos, Bill Clinton und Ernesto Zedillo. Die Regierungen beider Länder streiten seit Jahren über die richtige Strategie im Kampf gegen Drogen. Nichtsdestotrotz herrscht bereits zu Konferenzbeginn Einigkeit über nahezu alle Beschlüsse. Neu sei, daß die UN-Mitgliedstaaten nun die Nachfrage "erheblich" verringern wollten, betont Pino Arlacchi, der Leiter des Drogenkontrollprogramms der Vereinten Nationen (UNDCP). Bisher seien vor allem Anbau, Handel und Konsum bekämpft worden. Kindern und Jugendlichen, so unterstreicht Arlacchi, müßten schon in jungen Jahren die Gefahren jeglicher Drogen klargemacht und Alternativen gezeigt werden, Streß und Konkurrenzdruck ohne Drogen zu bewältigen.400 Milliarden Dollar UmsatzTrotz milliardenteurer Strafverfolgungsmaßnahmen hat der Drogenhandel in den vergangenen zehn Jahren weltweit zugenommen. Der entsprechende Umsatz liegt bei rund 400 Milliarden Dollar und ist damit doppelt so hoch wie der Umsatz der legalen Pharmaindustrie. Viele UN-Mitgliedstaaten haben bereits Maßnahmen gegen Geldwäsche beschlossen, doch laut UNDCP werden sie nur von einem Drittel angewandt. Der Mafia-Experte Pino Arlacchi will nun die Definition von Geldwäsche erweitern und für entsprechende Ermittlungen weltweit das Bankgeheimnis abschaffen.Vier Millionen Menschen in Lateinamerika und Asien leben vom Anbau von Kokablättern und Mohn. Unklar ist, wie ihnen eine Alternative geboten werden kann. Immerhin sollen für entsprechende Programme in den nächsten zehn Jahren fünf Milliarden Dollar aufgewandt werden.Nach UN-Schätzungen konsumieren heute rund 190 Millionen Menschen illegale Drogen. Das sind etwa drei bis vier Prozent der Weltbevölkerung: acht Millionen sind heroinabhängig, 13 Millionen konsumieren Kokain und 140 Millionen Cannabis (Marihuana); rund 30 Millionen Menschen nehmen synthetische Drogen. Vor allem in Europa verzeichneten synthetische Drogen die größte Zunahme in den vergangenen Jahren. Grund für die Beliebtheit von Amphetaminen wie "Ecstasy" sei offenbar die falsche Annahme, synthetische Drogen seien harmlos, heißt es in einem Bericht von UNDCP.Teillegalisierung kein ThemaNicht diskutiert wird in New York allerdings eine teilweise Freigabe von Drogen, denn die UN kann nur solche Positionen beraten und beschließen, die von allen Staaten getragen werden. Die US-Behörden lehnen eine teilweise Legalisierung jedoch rigoros ab.Über 600 Prominente aus der internationalen Politik, Kultur und Wirtschaft haben indessen an UNO-Generalsekretär Kofi Annan appelliert, einen breiten Dialog über die Drogenpolitik zu initiieren. In einem Schreiben erklären sie, ein Festhalten an der derzeitigen Drogenpolitik werde nur noch mehr Mißbrauch sowie eine weitere Stärkung des Handels und des daraus resultierenden Leids hervorrufen. Realistische Ansätze im Kampf gegen Drogenkriminalität dürften nicht zugunsten rhetorischer Forderungen nach einer "drogenfreien Gesellschaft" vernachlässigt werden, heißt es in dem Brief. Er wurde von deutscher Seite unter anderem von dem Schriftsteller Günter Grass sowie von der FDP-Politikerin und früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger unterzeichnet.

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