1 subscription and 0 subscribers
Article

Neues Märchen zum Jubiläum: Bertelsmann macht erstmals Verlust, stellt ihn aber als Gewinn dar - Von der Kunst des Weglassens

Fest steht: Bei Bertelsmann nimmt man die Tradition ernst. Man ist stolz darauf, dass der Medienkonzern im Juli sein 175-jähriges Bestehen feiert. Es soll eine große Feier am Firmensitz in Gütersloh geben mit 10.000 Mitarbeitern. Im September will die Bertelsmann AG außerdem mit 1000 prominenten Gästen aus Politik und Gesellschaft in Berlin feiern. 


Aber es gibt Dinge und Entwicklungen, die aus Sicht von Bertelsmann offenbar nicht ins Bild eines solchen Jubiläumsjahres passen.


Schwäche und Macht


Dazu gehört Schwäche. Bertelsmann ist eine Macht - nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern in ganz Europa. Dem führenden Medienkonzern in Europa gehören die Buchverlage Random House, die Fernsehsender von RTL, die Zeitschriften von Gruner+Jahr, die Druckereien und Call Center von Arvato und mit dem Think Tank Bertelsmann Stiftung außerdem eines der einflussreichsten, finanzstärksten und weit vernetzten privaten Politikinstitute in Europa.


Der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sitzt seit 2007 im Kuratorium der Stiftung. Nicht auszudenken, wenn ausgerechnet im Jubiläumsjahr ein Verlust zu vermelden wäre und das erstmals. Aber die Medienkrise hat nun einmal auch Bertelsmann erfasst und deshalb ist genau das eingetreten. In Gütersloh tut man sich schwer mit dieser Erkenntnis. Und so trat auf der Bilanzpressekonferenz der Bertelsmann AG im März, die das Haus in der Berliner Repräsentanz bereits ganz im Zeichen des Jubiläums abhielt, der Vorstandsvorsitzende Hartmut Ostrowski mit einer guten Nachricht vor die Journalisten. Der Medienkonzern habe "die Trendwende geschafft und 2009 mit einem Gewinn abgeschlossen". Man habe eine Milliarde Euro gespart und Schulden reduziert (dafür wurden 4000 Stellen gestrichen). Und dennoch habe Bertelsmann 35 Millionen Euro Gewinn gemacht. Ostrowski versicherte: "In diesem Ergebnis sind bilanzielle Bereinigungen verkraftet." Dass dies nur die halbe Wahrheit ist, verschwieg er.


Gewinne als Rechentrick


Denn die gute Nachricht beruht auf einem Rechentrick. Ostrowski tat durch den Hinweis auf Bereinigungen so, als rede er vom Nettogewinn (was Journalisten prompt so meldeten). Tatsächlich wies auch die Pressemitteilung auf einen solchen Nettogewinn hin. Doch die Gewinnmeldung war entgegen Ostrowskis Beteuerung nicht vollständig bereinigt.

Original