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Im Keller von Cannes

Von Thomas Schuler

Der Darsteller hat die Hauptrolle in einem abendfüllenden Spielfilm und wird dennoch nur einen einzigen Drehtag gebraucht. Auch da muß er nicht mehr tun, als seinen Kopf ruhig zu halten. So lange, bis eine Kamera die Daten seines Gesichtes dreidimensional auf den Bildschirm eines übertragen hat. Den Rest des Films "dreht" der Regisseur mit Hilfe eines Computerprogramms, das "Der geklonte Schauspieler" heißt.


Damit nicht genug. Die französische Firma Medialab, die diese Technik entwickelt hat, kann Darsteller auch von einem fertigen Film "klonen", beliebig vervielfältigen und neu einsetzen. Konsequenz für die Schauspieler: Werden sie schlicht überflüssig werden? Kann das geplante Remake von "Casablanca" nun gar mit den geklonten Originalen produziert werden? Hollywood scheint sich darauf einzustellen: Das Filmmagazin Variety berichtet von Juristen, die sich bereits darauf spezialisieren, besorgten Produzenten im Kampf um die Urheberrechte am Schauspieler beizustehen.


Während der Vorführung dieser neuen Technik auf der Mip-TV (Marché International des Programmes de Television) rührte sich kein Protest. Das mag daran liegen, daß Schauspieler auf der international bedeutendsten Messe für TV-Programme so gut wie nicht anzutreffen sind. Es ist eine Messe für Händler von Senderechten und für Produzenten, eine Messe die nicht viel mit dem der Filmfestspiele zu tun hat. Kein Glamour, statt dessen Sales-people. Mehr als 9000 sind es in diesem Jahr, die sich, mit dem Messepaß um den Hals, dem An- und Verkauf von Film- und Senderechten widmen.


TV-Geräte, wohin man sieht. Auf Yachten, in einem Dutzend Hotelhallen sowie im Palais des Festivals, auch "Tiefgarage" genannt, weil die Ausstellungskabinen dort vornehmlich in den dunklen Kellerräumen eingerichtet sind. Anders als beim Filmfestival gilt das Interesse nicht dem einzelnen künstlerisch wertvollen Werk, sondern der gebündelten "Ware". Man spricht vom "Paket".


Grundy Worldwide aus London, Erfinder der Sat 1-Show "Mann o Mann", meldet den Export seines Konzeptes nach Australien und Skandinavien. Der Produzent des "Musikantenstadels", "starring Karl Moik", sucht internationales Publikum, ebenso Fidel Castros Staatsfernsehen mit einer Dokumentation über "die wahren Hintergründe des Kennedy-Attentates". Das verkauft die "Florida Lady" und den "Stadtindianer" in die Türkei, nach Italien und Frankreich. Südkorea zahlt 3000 Mark für die englische Fassung von "Wetten daß?"; der Materialwert des Bandes beträgt jedoch allein schon 1200 Mark.

Für die früher staatlichen Filmvertriebsfirmen des Ostblocks ist der internationale Handel ein lebenswichtiges, wenn auch risikoreiches Spiel. Marta Körnerovä aus der Tschechischen Republik hat für ihren nur drei oder vier Quadratmeter großen Stand, den kleinsten im Palais, immerhin 12 000 Mark bezahlen müssen. Von Verkäufen kann sie noch nicht berichten. 


"Aber fehlen dürfen wir nicht. Sonst ist unser Platz für immer verloren. Der Andrang ist zu groß." Ihre deutschen Vertriebspartner haben ihr geraten, die Bezeichnung "tschechisch" zu streichen. Das klinge zu östlich, zu negativ. "Prag" dagegen sei ein Zauberwort für den Westen. Deshalb heißt ihre Firma nun "Filmexport Prag". Ob es etwas genützt hat? Man muß sehen, sagt sie. Nach Steven Spielbergs Erfolg mit "Schindlers Liste" hatte sie gehofft, mit Filmen zum Thema Holocaust das Interesse deutscher Sender zu wecken. Aber selbst ein Film wie "Shop on the Mainstreet", der sich mit dem zögerlichen Widerstand gegen den Naziterror in einer slowakischen Kleinstadt befaßt, sei, obwohl mit einem Oscar ausgezeichnet, nur schwer unterzubringen.

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