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Zur Zukunft des Bertelsmann-Konzerns: Reinhard Mohns schwieriges Erbe

Den Tod vor Augen, schrieb Reinhard Mohn einen Abschiedsbrief an seine zweite Ehegattin Liz. Er war adressiert "an die Frau, die mir zur Lebenspartnerin geworden war und deren unverbrüchliche Gemeinschaft mir so viel bedeutete". Mohn glaubte, er hätte nur noch wenige Augenblicke zu leben. Das war in den siebziger Jahren.


Er saß damals in einem Flugzeug über den Schweizer Alpen, der Pilot hatte die Herrschaft über das Flugzeug verloren. Die firmeneigene Maschine war mittags in Stuttgart bei Schneefall gestartet, Ziel war Mailand. Unterwegs geriet der Flieger ins Trudeln, überschlug sich und stürzte über 2000 Meter in die Tiefe. Als der Pilot doch noch die Kontrolle erlangte, befand Mohn sich unterhalb der umliegenden Berggipfel. So schilderte er es 2008 in seinen Erinnerungen "Von der Welt lernen".


Was bedeutet der Tod Reinhard Mohns für Bertelsmann?


Damals, in den Siebzigern, hätte er das Unternehmen erschüttert, denn bis 1981 führte Mohn selbst den Unternehmensvorsitz. Heute aber ist bei Bertelsmann alles geregelt. Die Nachrufe im Unternehmen sind seit langer Zeit vorbereitet. Die Erinnerungen hat Mohn 2008 veröffentlicht, ein Film über sein Leben ist abgedreht. Die Legenden leben weiter.

Die Nachfolge ist Mohns Thema seit 1977. Damals gründete er eine Stiftung, damit das Unternehmen nach seinem Tod nicht zerfällt. Mohn wollte Vorsorge treffen gegen unfähige oder streitende Erben. Er wollte seiner Familie den Einfluss auf Bertelsmann nehmen. Zumindest offiziell. Insgeheim versprach er seinem jüngsten Sohn Andreas, er würde Vorstands- und später Aufsichtsratschef werden. So wie er Jahre davor einst seinem ältesten Sohn Johannes die Führung versprochen hatte, damals sogar öffentlich.

Beide Versprechen hat er nicht gehalten.


Stattdessen hoffte er zu Zeiten seines Vorstandschefs Thomas Middelhoff, dass die Börse eine kontrollierende Wirkung ausüben könnte. Vor allem deshalb stimmte er 2001 den Börsenplänen zu. Doch 2002 verließ ihn auch diese Hoffnung. Er trennte sich von Middelhoff und ernannte notgedrungen seine Frau Liz zur Nachfolgerin. Das kam einer Bankrotterklärung gleich, es war eine Revision seiner einstigen Nachfolgepläne.

Zum Streit mit Middelhoff kam es auch, weil dieser Mohns Vorgaben nicht akzeptieren wollte. Als Reinhard Mohn 1999 das Aktionärsstimmrecht bei Bertelsmann neu regelte und seinen stimmberechtigten Geschäftsanteil am Aktienkapital auf die neu gegründete Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH (BVG) übertrug, hatte er festgelegt, dass Änderungen nicht völlig ausgeschlossen seien. Bis zu seinem Tod könnten die zuständigen Gremien jederzeit alles ändern, sofern sie sich einig seien. Nach seinem Tod jedoch könne fünf Jahre lang an der Konstruktion nichts geändert werden. Middelhoff wollte das nicht akzeptieren. Er sah seinen Handlungsspielraum eingeengt.


Seine Erben müssen sich erst noch beweisen


Für Bertelsmann bedeutet der Tod von Reinhard Mohn eine Zäsur. Der Nachkriegsgründer war geachtet und respektiert, immerhin hat er die Firma mit persönlichem Einsatz zu einem Weltunternehmen aufgebaut. Trotz aller Widersprüche gab er - auf seine Weise - dem Unternehmen moralischen Halt. Seine Erben, allen voran Tochter Brigitte, die im Vorstand der Stiftung sitzt, müssen sich erst noch beweisen.


Brigitte Mohn soll seine Arbeit in der Stiftung fortsetzen, bestimmte er 2008. Mohn dachte also nicht nur an die Zeit nach ihm, sondern auch nach seiner 20 Jahre jüngeren Frau Liz. Für sein Unternehmen hat er schon vor langer Zeit alles geregelt. In der BVG sind die Stimmen der beiden Eigentümer, der Familie (23,1 Prozent) und der Stiftung (76,9 Prozent), eingebracht. Die BVG ist also das Machtzentrum von Bertelsmann, in dem alle wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Reinhard Mohn war zuletzt Ehrenvorsitzender des Gremiums, der die alles entscheidende Stimme hatte.


Wird sein Veto nun auf seine Frau übergehen? Das Veto stirbt mit Reinhard Mohn, heißt es bei Bertelsmann. Allerdings hat die Familie auch ohne ihn weiterhin das Sagen. Wer seinen Platz in dem Gremium einnimmt, wollte das Unternehmen am Sonntag nicht sagen. Das, so hieß es, werde zu gegebener Zeit entschieden. Vermutlich hat Reinhard Mohn auch diese Frage längst geklärt.


Reinhards jüngster Bruder Gerd ist gestorben, zwei ältere Schwestern leben noch. Während Mohn im Unternehmen und in der Stiftung alles geregelt hat, ist ihm das privat nicht zu jeder Zeit gelungen. Er hat sechs Kinder von zwei Frauen. Mit Magdalene war er 33 Jahre verheiratet, bis 1981. Nach der Heirat mit seiner zweiten Frau Liz 1982 lebte Reinhard sich mit den drei Kindern aus erster Ehe auseinander. Der älteste Sohn Johannes arbeitete viele Jahre bei Bertelsmann; im Sommer 2008 schied er aus. Zuletzt hatten Vater und Sohn keinen Kontakt mehr, sagt Magdalene Mohn.


Reinhard Mohn hatte zwei Frauen und zwei Familien und so zerfällt auch die Großfamilie Mohn in zwei Teile. Die Beerdigung, so heißt es, finde im "ganz kleinen Kreis" statt.

Seine erste Frau Magdalene saß übrigens damals neben ihm, als das Flugzeug in den Schweizer Alpen abzustürzen drohte. Jetzt wurde sie von ihrer Familie gebeten, sagt sie, nicht an der Beisetzung teilzunehmen.


Hinweis der Redaktion: Bertelsmann ist über den Verlag Gruner+Jahr indirekt am SPIEGEL beteiligt.

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