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Näher an Ilse

Miesbach – „CSU – näher am Menschen“. Das Motto der Christsozialen Partei stand groß auf den himmelblauen Banderolen hinter Ilse Aigner, der Bundeslandwirtschaft- und Verbraucherschutzministerin, als sie vor den Delegierten des Stimmkreises 120 Miesbach mit ihrer Bewerbungsrede für die Landtagsdirektkandidatur für sich warb. Deutliche Worte und ein klares Bekenntnis zur Heimat – das kam gut an. Alle 93 Delegierten stimmten für sie.

Doch Aigner war die letzte Rednerin an diesem Abend, vor ihr stand der Bericht des Landtagsabgeordneten Alexander Radwan auf der Tagesordnung. Aber: Wegen der Ankunft von US-Vizepräsident Joe Biden auf dem Münchner Flughafen – Biden nahm an der Münchner Sicherheitskonferenz teil – wurden sämtliche Ausgänge verriegelt und Flugzeugpassagiere, wie Radwan, mussten mit dem Aussteigen warten. Somit war der amerikanische Vizepräsident daran schuld, dass die Tagesordnung der Delegiertenversammlung im Miesbacher Bräuwirt durcheinanderkam. Kurzerhand wurde alles umgekrempelt und die Christsozialen beschlossen, zuerst den Bezirkstagskandidaten zu wählen. „Wir sind ja beweglich“, witzelte Sepp Bichler, bisheriger Bezirkstagsabgeordneter, und stellte sich wieder zur Wahl.

Landrat Jakob Kreidl, der auch CSU-Kreisvorsitzender ist, nannte Bichler eine „bewährte Kraft“. Und auch der Kandidat machte in seiner Rede deutlich, was sein großer Vorteil ist: Er ist nun schon fast zehn Jahre im Bezirkstag. „Ich hab mich gut eingearbeitet, es ist eine umfangreiche Materie“, sagte Bichler. Er erklärte den Delegierten die Aufgaben, mit denen sich der Bezirkstag beschäftigt. Es handelt sich dabei vor allem um Soziales. Bichler bekam viel Zuspruch und wurde mit einer Enthaltung wiedergewählt.

Dann schwang die Tür auf und Alexander Radwan betrat den Raum. Er erklärte nun, warum er bei der nächsten Bundestagswahl um ein Mandat in Berlin kandidieren und Ilse Aigner um ein Landtagsmandat kämpfen werde. Die Personal-Rochade sei vor allem wegen den 20 Prozent Stimmverlust im Wahlkreis, die die CSU bei der jüngsten Landtagswahl wegstecken musste, zu Stande gekommen. „Die Weichenstellungen der Landespolitik dürfen nicht an diesem Wahlkreis in Oberbayern vorbeigehen“, betonte Radwan. „Die Köpfe der CSU – die waren im südlichen Oberbayern konzentriert.“ Nach lobenden Worten für Aigner machte der ehemalige Europaabgeordnete Radwan Werbung für sich als Bundestagskandidaten – und schimpfte auf die Europäische Union: „Bestimmte Themen gehen Europa nichts an!“ Weder die „Öffnung des Trinkwassermarktes“, noch eine europäische Bankenregulierung für Sparkassen und Genossenschaftsbanken seien notwendig. Den Länderfinanzausgleich findet Radwan übrigens auch ungerecht: „Bayern hat es als einziges Bundesland vom Nehmer- zum Geberland geschafft“, sagte Radwan. Und auch in Richtung Koalitionspartner FDP stichelte er: „Sorgen wir dafür, dass es in den kommenden zwei Wahlkämpfen keine Leihstimmen gibt!“

Der Meinung dürfte wohl auch Aigner gewesen sein. Zwar meinte man, dunkle Schatten unter den Augen erkennen zu können. Müde wirkte die Bundesministerin aber keinesfalls. Sie sei „mit Herzblut bei der Sache“ und „Sympathieträgerin schlechthin“, lobte Kreidl schon im Vorfeld. Und dieser Sympathie schien sich die Bundesministerin durchaus bewusst zu sein. Allerdings: „Ich geb zu, dass es mir nicht so leicht gefallen ist“, sagte Aigner. Sie erzählte von „Schwätzchen mit Kofi Annan“, von Reisen in viele Länder, von Treffen mit Bill Gates. Sie habe viel erleben dürfen als Bundesministerin. Nun will sie sich um ihre Heimat wieder  mehr kümmern und „den Wohlstand, den wir erworben haben, erhalten“. „In Deutschland geht’s uns gut und wenn wir ehrlich sind: In Bayern geht’s uns noch besser“, sagte Aigner. Und dennoch: „Die Menschen werden uns aber nicht für das wählen, was wir bisher getan haben.“ Vielmehr müsse die CSU wieder Themen vorantreiben. Neben dem Thema Schulbildung, wo „das Kind im Mittelpunkt stehen muss“, war Aigner vor allem auch der Erhalt der Landwirtschaft und Tourismus ein Anliegen. In einigen Regionen Oberbayerns sei außerdem ein Ausbau der Infrastruktur notwendig.  Immer wieder betonte sie, dass „mir eines immer wichtig war: dass ich weiß, wo ich daheim bin“. Die Bundeministerin zitierte einen Spruch, der auf einer Fahne geschrieben steht, die bei der Sendlinger Mordweihnacht 1705 dabei war: „Schwarz fest im Aug, im Herzen weiß und blau.“ Für ihre Rede mit den wiederkehrenden Hervorhebungen, dass sie im Stimmkreis 120 zu Hause sei, erhielt sie tosenden Applaus und wurde einstimmig wiedergewählt. An jenem Abend war die CSU vor allem einer näher – Ilse Aigner.
Von Thomas Klotz

erschienen in "Das Gelbe Blatt"